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Tausend neue Windräder

Nach Baden-Württemberg-Wahl: Die CDU unterwirft sich den Grünen

Auf dem Weg zum Klimaschutzland unterwirft sich die CDU in ihrem einstigen Kernland bedingungslos dem Programm der Grünen von Winfried Kretschmann: Einer Pflicht zum Solardach für alle privaten Neubauten und bei der Renovierung von Dächern – und 1.000 neue Windräder.

IMAGO / Arnulf Hettrich

Mehr Windräder, mehr Busse und Bahnen und auf jedem Dach eine Solaranlage – damit will der alte und neue Ministerpräsident Baden-Württembergs, Winfried Kretschmann, ein ambitioniertes Klimaschutzprogramm umsetzen, dass es so in anderen Bundesländern nicht gebe.

Während die Stuttgarter in der Kälte des erneuten Wintereinbruchs bibbern und die Heizungen wieder aufdrehen, versuchten Grüne und CDU bei den Sondierungsgesprächen der von den Grünen posaunten Klimakatastrophe entgegenzuwirken. Baden-Württemberg soll zum führenden Klimaschutzland in Deutschland gemacht werden, so der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann und CDU Landeschef Thomas Strobl im Chor.

Beide präsentierten am vergangenen Samstag die Ergebnisse der Sondierungsgespräche für neue Koalitionsverhandlungen. Danach sollen die sogenannten erneuerbaren Energien schneller ausgebaut werden. Eine Pflicht zum Solardach für alle privaten Neubauten und bei der Renovierung von Dächern soll vorgeschrieben werden, 1.000 neue Windräder sollen in die Wälder Baden-Württembergs geschlagen und der öffentliche Nahverkehr soll weiter vorangebracht werden. Schwer auszumachen, wer schneller das Wort vom »Klimaschutzland« über die Lippen bringt. Die Autobauer dürften besonders auf das Unwort der »Decarbonisierung« geachtet haben.

Kretschmann musste seine Koalitionsentscheidung für die CDU gegen erhebliche Widerstände seiner grünen Basis durchsetzen. Die hätte lieber eine Koalition mit SPD und FDP gesehen. Doch mit einer widerstandslosen grünen CDU lässt es sich für ihn viel einfacher regieren.

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Die CDU wiederum versuchte, die Grünen links zu überholen und überschlug sich nach den Sondierungsgesprächen vor lauter Begeisterung. CDU-Landesvorsitzender Thomas Strobl, der die krachende Niederlage mit nur 23 Prozent der Stimmen seiner Partei bei den Landtagswahlen vor drei Wochen mit zu verantworten hat, stellte das Ergebnis den verschiedenen CDU-Gremien vor: »Es gab nur Zustimmung«. Das sei eine große Chance für die CDU Baden-Württemberg, sich zu modernisieren, meinte Strobel weiter, verlor jedoch kein Wort über die Verantwortlichen der Wahl-Katastrophe. Die Grünen hätten mit ihren Klimaschutzplänen bei der Union offene Türen eingerahmt, behauptete er tatsächlich. Die Landes-CDU verbreitete auf Facebook: »Wir wollen gesellschaftliche Akzeptanz für die Energiewende schaffen und mit erneuerbaren Energien den Wirtschaftsturbo zünden!«

Geändert werden soll auch das Wahlrecht. Ein personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste soll eingeführt werden. Bisher wird in Baden-Württemberg der Kandidat eines Wahlkreises mit den meisten Stimmen gewählt, zusätzlich rutscht noch ein erheblicher Teil der Kandidaten über eine Landesliste in den Landtag. Das bedeutet zur gleichen Zeit mehr Einfluss der Parteispitze darauf, wer von den willfährigsten Kandidaten in den Landtag kommt. Das hatten die Grünen schon mehrfach vor; unter anderem forderten sie einst, dass die Parteiführung über die Aufstellung der Kandidaten entscheidet, scheiterten aber damit.

Zugleich wollen die Grünen das Wahlrecht auf 16 Jahre herabsetzen; sie erhoffen sich davon offensichtlich mehr Stimmen linker und grüner Jugendlicher. Eine Änderung des Wahlrechts stand bereits auf der Liste der Vorhaben der vergangenen grün-schwarzen Koalition, scheiterte bislang aber an der CDU.

Bei den Sondierungsgesprächen beschlossen Grüne und CDU, in dieser Woche Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Am 12. Mai soll Kretschmann zum dritten Mal zum Regierungschef gewählt werden. Bei der CDU sieht es nicht danach aus, dass das für die krachende Niederlage verantwortliche Personal ausgetauscht wird. Zurückgetreten ist lediglich Susanne Eisenmann, bisherige Kultusministerin und ehemalige CDU-Spitzenkandidatin.

Wer Kellner und wer Koch ist, ist für den Bremer Parteienforscher Lothar Probst klar: »Die Grünen sind mittlerweile in der Lage, den Koch zu spielen, die CDU ist in der Rolle des Kellners«,  sagte er gegenüber den Badischen Neuesten Nachrichten. Eine solche Koalition im Südwesten habe aus seiner Sicht allerdings nur begrenzte Signalwirkung auf die Bundesebene.

Der Stuttgarter AfD-Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel kommentierte: »Diese Koalitionsverhandlungen sind eine Bankrotterklärung für alle bürgerlichen Wähler. Die den Mittelstand vernichtende Verkehrs- und Energiepolitik der Grünen – die nun erst richtig umgesetzt werden soll, ist für die bürgerlichen Wähler genau das Gegenteil ihrer eigentlichen Wahl-Ziele. Laut Umfragen waren die Stärkung der Wirtschaft und soziale Verbesserungen das Ziel eben jener bürgerlichen Zielgruppe. Das ist mit staatlich verordneter Umweltschutzdiktatur nicht vereinbar. Da kann der designierte Ministerpräsident so langsam reden wie er will – Unsinn wird nicht durch Betonung und Rhetorik sinnvoll.«

Holger Franke (FDP) twittert kritisch: »Die CDU Baden-Württemberg lässt sich von den Grünen eine Fotovoltaikpflicht für alle privaten Hausbauten und Dachsanierungen in den Koalitionsvertrag diktieren. Hauptsache die Ministerposten bleiben, der Bürger zahlt.«

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