Für den Wut-Winter schien Bundesinnenministerin Nancy Faeser vorgesorgt zu haben. Mit eifriger Unterstützung aus den genehmen Medien und Vorarbeit der Verfassungsschutzbehörden war dafür gesorgt, dass jeglicher Protest wegen der erwartbaren sozialen Härten angesichts der (nicht nur, aber vor allem Energiepreis-)Inflation als illegitim zu gelten habe.
Man erklärt sie einfach schon vorsorglich für identisch mit den „Querdenkern“, für Delegitimierer des Staates, für irgendwie „rechts“ jedenfalls und damit außerhalb der Demokratie stehend. Mit diesem praktischen Trick, nun sogar prophylaktisch angewendet, wird aus jeder auch nur potenziell kritischen Debatte ein neues Kapitel im „Kampf gegen rechts“. Wer den führt, hat immer Recht und muss sich nicht mit eigenen politischen Fehlern befassen, weil die ja nur von illegitimen Rechten angekreidet werden, und keine lästigen Fragen nach möglichen Korrekturen oder Alternativen anhören.
Aber jetzt ist dennoch was schiefgegangen für Faeser. Der Wut-Winter geht schon im heißen August los. Noch viel schlimmer: Die Wütenden sind nicht die Erwarteten. Sie sind auf die Regierenden nicht wütend, weil sie teure Gasrechnungen und kalte Wohnungen fürchten. Sie sind im Gegenteil sauer, dass die Bundesregierung sich um die Versorgung mit Erdgas bemüht. Sie wollen letztlich nichts anderes, als dass das Volk im Winter friert, um die Welt vor der Hitzeapokalypse zu retten.
Dass die in der Presse als „Klimaaktivisten“ titulierten Anhänger der Organisation „Ende Gelände“, die am Freitag mit einer gut sichtbaren Antifa-Flagge auch die Baustelle für das geplante Flüssiggas-Terminal in Wilhelmshaven besetzten, und am Samstag eine Bahnlinie von dort nach Hamburg blockierten, auch ganz andere, klima-unrelevante ideologische Ziele verfolgen, offenbaren Parolen wie „Burn Borders Not LNG“. Die Grenzen des Staates abschaffen zu wollen, gehört aber bekanntlich nicht zu dem, was Faeser und andere unter der Delegitimierung des Staates verstehen. Außerdem tragen die Blockierer ja auch noch bei der Besetzung ganz brav ihre FFP2-Masken …
Faeser, aber auch Klimaschutzminister Robert Habeck und der Rest der im politisch-medialen Komplex Tonangebenden sind nun in einer schwierigen Lage. Sie sind der Speerspitze der eigenen Agenda-Setter einfach nicht radikal genug. Die wollen jetzt endlich das klimaschädliche Volk büßen lassen. Statt an Gas-Heizungen sollen sich die Menschen an der Abschaffung des Nationalstaats erwärmen. Das traut sich die Ampel dann doch nicht so direkt umzusetzen. Jedenfalls ist die Wirklichkeit mal wieder ganz anders als die eigenen Gut-Böse-Narrative. Da hilft dann nur noch ein Orwellsches „Zwiedenken“, also die Verinnerlichung doppelter Standards. Jedenfalls solange es auch ohne Gas schön warm ist.
Es könnte aber schon bald der Moment anstehen, wo die Regierenden und auch die Meinungsmachenden gezwungen sind, sich zwischen Klima-Aktivisten und frierenden oder jedenfalls unter explodierenden Energiekosten leidenden Bürgern zu entscheiden. Die Gewichtungen und Mehrheitsverhältnisse zwischen Weltrettungsmoral und Eigeninteresse können sich schnell verschieben, wenn materielle Verluste konkret werden. Früher, als Linke noch Materialisten waren, wussten sie: Erst kommt das Nicht-Frieren, dann die Moral.