Vor allem in der Grünen Partei ist die Wut auf die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht und die berühmteste Feministin des Landes, Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, riesig. Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann meint dabei, besser als die beiden Initiatorinnen der Demonstration „Aufstand für Frieden“ in Berlin am Samstag zu wissen, um was es ihnen gegangen sei: „Bei dieser Demonstration von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer ging es doch nicht um Frieden“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Es ging nicht um die Ukraine, die seit einem Jahr brutal und völkerrechtswidrig angegriffen wird von Putins Russland. Es ging nicht um das Leid und die Zerstörung, der die Menschen in der Ukraine tagtäglich ausgesetzt sind.“
Sondern? Es sei um „Selbstinszenierung“ gegangen. Der Vorwurf ist nun wirklich abwegig, wenn er von einer Politikerin kommt. Politik besteht schließlich zum großen Teil aus (Selbst-)Inszenierung. Haßelmann selbst hat sich, indem sie mit dem RND sprach, zweifellos auch inszeniert.
Natürlich weiß Haßelmann, die dieses „gefährliche Spiel“ anprangert, dass die völlige Aussperrung bestimmter Personen aufgrund deren Überzeugung durch Demonstrationsanmelder kaum möglich ist. Diese Methode – bekannt als „guilt by association“ oder „association fallacy“ – hat nur den Zweck, Demonstranten abzuschrecken, also Demonstrationen klein zu halten und ihr Anliegen moralisch so zu diskreditieren, dass ein Diskurs über das eigentliche kritische Anliegen nicht mehr notwendig erscheint. Wenn Schwarzer und Wagenknecht über das Stöckchen gesprungen wären, hätten sie ihrer Demonstration von vornherein die Durchschlagskraft genommen und sich ihren politischen Kontrahenten unterworfen. Kontaktschuld ist die schlimmste Form von Schuld, die es in der deutschen Debatte dieser Jahre geben kann.
Ein „gefährliches Spiel“ ist also eher genau das, was Haßelmann und andere mit der Methode der „association fallacy“ betreiben: Es ist eine Einschüchterung von Menschen, die ihr Grundrecht auf friedliche Versammlung und Demonstration ihrer politischen Ansichten wahrnehmen.
Natürlich wissen auch diejenigen, von denen sich die beiden Frauen und alle öffentlich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine auftretenden Personen nach Wunsch von Haßelmann und Co distanzieren sollen, über diese vernichtende Wirkung bescheid. AfD-Rechtsaußen Björn Höcke führt die ganze Situation bewusst ad absurdum, indem er Wagenknecht öffentlich „Kommen Sie zu uns“ zuruft. Dies macht nur deutlich, wie verunstaltet die politische Kultur in Deutschland durch das etablierte Primat der Kontaktschuld geworden ist.
Im Übrigen tritt der Autor dieses Textes für eine auch militärische Unterstützung der Ukraine in ihrem Abwehrkampf ein. Aber diese Unterstützung der Verteidigung der Freiheit der Ukraine darf nicht zum Vorwand werden, die Freiheit der politischen Debatte im eigenen Land auszuhebeln. Am Ende hätten wir nichts mehr zu verteidigen.