Tichys Einblick
Keine neuen Wohnungen 2023

Vonovias Stopp für den Wohnungsbau offenbart die deutsche Misere

Deutschlands größter Vermieter Vonovia wird 2023 keine neuen Wohnungsbauprojekte starten. Das ist mehr als eine Unternehmensmeldung, nämlich Beleg des konzertierten Scheiterns der deutschen Politik auf mehreren Feldern zugleich.

Siedlung der VONOVIA im Afrikanischen Viertel zwischen Guineastraße und Afrikanische Straße in Berlin-Wedding

IMAGO / Jürgen Ritter

In dieser Nachricht steckt die ganze Misere der deutschen Wirtschafts-, Finanz-, Sozial- und Migrationspolitik: Deutschlands größter Vermieter Vonovia wird 2023 keine neuen Wohnungen bauen: „Wir werden in diesem Jahr keinen Beginn von Neubau-Projekten haben. Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen und davor können wir nicht die Augen verschließen“, sagte Vonovia-Vorstand Daniel Riedl der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Noch im November hatte Vonovia-Chef Rolf Buch angekündigt, dass der Bochumer DAX-Konzern seine Investitionen in Neubau und energetische Sanierung für 2023 um 40 Prozent auf nur noch 850 Millionen Euro kürzen werde. 

Bericht zur Obdachlosigkeit
„Wir sind nicht mehr in der Lage, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“
Es scheint absurd: Deutschland erlebt eine extrem hohe Zuwanderung, der Kanzler selbst schwadroniert schon darüber, dass bald die 90-Millionen-Schwelle erreicht sein werde. Gleichzeitig schreiben ihm Lokalpolitiker in Alarmbriefen, dass sie die Asylzuwanderer in ihren Gemeinden nicht mehr unterbringen können und die Einheimischen kaum noch erschwinglichen Wohnraum finden. Dennoch ist die Bautätigkeit extrem abgefallen. Vonovia ist da kein Sonderfall. Laut Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW wird in diesem und im nächsten Jahr der Neubau jeder dritten Wohnung auf Eis gelegt. 

Die „Rahmenbedingungen“, auf deren Besserung der Vonovia-Vorstand nun warten will, sind nur ein anderes Wort für die fatale gesamtwirtschaftliche und geldpolitische Lage des Landes: Es gibt kaum Aussichten auf wirtschaftliches Wachstum, aber gleichzeitig deutlich steigende Zinsen und eine Inflation auf Rekordniveau. Währenddessen halst sich der Staat immer neue soziale Ausgaben auf, nicht zuletzt durch eine enorme Einwanderung, die zum überwiegenden Teil nicht in den Arbeitsmarkt, sondern direkt in die Sicherungssysteme stattfindet. Zugleich mangelt es zunehmend an verlässlicher Energie und an allen Ecken und Enden an arbeitsfähigen oder -willigen Menschen. 

„Bei Objekten, die wir früher für zwölf Euro Kaltmiete pro Quadratmeter anbieten konnten, müssten wir jetzt eher Richtung 20 Euro gehen, um unsere Kosten von 5.000 Euro pro Quadratmeter hereinzuholen“, sagt Riedl. Diese Mieten seien in weiten Teilen Deutschlands „völlig unrealistisch“. Zu ergänzen wäre noch: Von Armutszuwanderern ohne Aussicht auf Spitzengehälter sind sie auch künftig auf absehbare Zeit wohl nicht zu erwarten.

Migration und Wohnungsbau
Alarmrufe vom Wohnungsmarkt – und ein Elefant im Raum
So steckt Deutschland in der fatalen Lage, dass sich trotz wachsender Zahl an unterzubringenden Menschen der Bau von Wohnungen nicht lohnt. Ganz abgesehen davon, dass die vorhandene Infrastruktur für solches Wachstum nicht gedacht ist. Und nicht zuletzt: Die Bebauungsdichte des schon völlig zersiedelten Landes hat auch durch den Ausbau der landschaftsfressenden erneuerbaren Energien längst ein Maß erreicht, das nicht nur die Natur zerstört, sondern auch die Lebensqualität der Einwohner mindert. 

Bezeichnenderweise haben die Grünen auf dieses Dilemma ihrer eigenen Ideologie außer „Verdichtung“ keine Antwort. Immerhin ist auffällig, dass die Parole von 2015 „Wir haben Platz“ erstaunlich selten geworden ist.

Krisenfolge
Warum der Wohnungsbaumarkt einbricht
Der Trost, dass die erwartete Rezession bislang ausblieb und nur zu einer sanften Stagnation wurde, bleibt angesichts der hohen Inflation beschieden: De facto verloren die meisten Deutschen eben in den vergangenen Monaten deutlich an Kaufkraft. Die Verarmung wird also akut. Und sie wird vor allem für Mieter noch viel weitergehen, wie die Mieterwartungen des Vonovia-Chefs deutlich machen.

Für einen Unternehmenslenker in der spät- bis nach-marktwirtschaftlichen Epoche ist klar, wer die Rettung bringen soll: der Staat. 

Hauptstadt-Grüne auf Systemwechselkurs
Berliner Grüne Bettina Jarasch will für Enteignungen stimmen
Um den bundesweiten Bedarf von 700.000 Wohnungen zu decken, seien auch Mieten von acht oder neun Euro erforderlich, meint Riedl. Und deswegen will er zur Ankurbelung des Wohnungsbaus klare Förderrichtlinien des Bundes, also letztlich Subventionen. Dass er im selben Interview auch von klimaschonend und nachhaltig erzeugtem Holz als Baumaterial schwärmt, passt da ins Bild. 

Letztlich ist also der Ruf des Konzerns nach dem Staat nicht gar so weit entfernt von den Rufen, die schon lange von den üblichen Verdächtigen in den linken Parteien und ihren Vordenkern erschallen: Da die Wohnungsbaukonzerne so unverschämt sind, Geld verdienen zu wollen, müsse der Staat sie enteignen und das Wohnungsbaugeschäft eben gleich ganz übernehmen. Diese Drohung der Enteignung allerdings dürfte die Motivation der Wohnungswirtschaft und der hinter ihr stehenden Investoren auch nicht gerade stärken.

(mit Material von dts)

Anzeige
Die mobile Version verlassen