Ursula von der Leyen war mit dem Versprechen der Transparenz als EU-Kommissionspräsidentin angetreten, in ihren Reden kommt der Begriff stets prominent vor, zum Beispiel in der zur „Lage der Union“ am 15. September: „Information ist ein öffentliches Gut. Wir müssen diejenigen schützen, die Transparenz schaffen, die Journalistinnen und Journalisten.“ Wenn aber Journalisten von ihr selbst dieses öffentliche Gut einfordern, ist es dann doch nicht mehr so öffentlich, zum Beispiel ihr SMS-Verkehr mit Albert Bourla, dem CEO des Impfstoffherstellers Pfizer.
Die Kommission antwortete der EU-Abgeordneten Sophie in ’t Veld von der niederländischen Partei D66 auf eine Anfrage, dass solche Kurznachrichten nicht unter die Transparenz-Regeln der Kommission fallen und daher systematisch vernichtet werden können. Mehrere Tausend E-Mails und SMS werden also automatisch monatlich gelöscht, WhatsApp-Nachrichten werden überhaupt nicht erst archiviert. Archiviert wird nach Kommissionsentscheidung C(2020)44822 nur, was „wichtige Information enthält, die nicht kurzlebig ist“. Dieses eine Sätzlein in dem langen technischen Dokument erweist sich nun als entscheidendes Detail, weil es ein Hintertürchen öffnet, unerwünschte Dokumente als unwichtig verschwinden zu lassen. Diese Entscheidung stammt übrigens vom 6. Juli 2020, also nach von der Leyens Amtsübernahme.
Der Anlass dieser Anfrage war ein Bericht des Spiegel, dessen Autor auf Nachfrage von der Kommission Bescheid erhielt, dass sie keine Kurznachrichten zwischen von der Leyen und Albert Bourla, dem CEO des Impfstoffherstellers Pfizer, besitze. Immerhin hatte die New York Times berichtet, dass von der Leyen und Bourla einen Monat lang telefonisch und per SMS über die Bedingungen eines im Mai 2021 bekannt gewordenen Liefervertrages über 1,8 Milliarden Impf-Dosen verhandelt hatten. Von der Leyen und die Kommission standen damals wegen der Verzögerungen der Impfstoffbeschaffung in der Kritik.
Nun hat die Abgeordnete auf Nachfrage nochmals von höherer Stelle, nämlich von Věra Jourová, EU-Kommissarin für Werte und Transparenz, die Bestätigung erhalten: „Aufgrund ihrer Kurzlebigkeit und Flüchtigkeit sind Text- und Instant-Messages nicht dazu gedacht, wichtige Informationen zu Politik, Aktivitäten und Entscheidungen der Kommission zu enthalten: sie gelten daher auch nicht als Dokumente, die der Aufzeichnungspolitik der Kommission unterliegen. Sie fallen auch nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung 1049/2001 über den Zugang zu Dokumenten.“
Kurz gesagt: Wer in der EU-Kommission etwas Brisantes mitteilen will, von dem die Öffentlichkeit und Nachwelt keinesfalls erfahren darf, sollte dies keinesfalls auf Papier oder in einer E-Mail festhalten, sondern als SMS schreiben.
Screenprint via Twitter / Sophie in ‚t Veld