Es gibt einen neuen Trend in der politischen Kommunikation. Während jahrzehntelang Politiker mehr Wohlstand in Aussicht stellten, ist jetzt eher das Gegenteil angesagt. Den Bürgern wird von Politikern etwas abverlangt. Besonders deutlich hat das jetzt die Düsseldorfer FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann getan. Sie ruft die Deutschen zur Opferbereitschaft auf. Wörtlich gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Wir müssen Putin und den Diktatoren dieser Welt, die unser demokratisches Leben hassen und zerstören wollen, entschlossen entgegenstehen“, sagte sie. „Das wird von uns allen auch persönlich Opfer erfordern, schwach sollten wir trotz alledem nicht werden.“
Das ist auch durchaus angebracht. Das Versprechen ewig wachsenden Wohlstands in einer Welt ohne Feinde hat fatale Illusionen genährt – vor allem im Politikbetrieb selbst. Die jetzt anstehenden persönlichen Opfer sind die Deutschen – ob opferbereit oder nicht – ohnehin gezwungen zu erbringen. Die steigenden Preise lassen den meisten Menschen keine andere Wahl. Und es werden, wie die jüngsten Zahlen von der Strombörse anzeigen, noch sehr viel höhere Opfer eingefordert werden.
Strack-Zimmermann spricht, wie es Politiker meist tun, von „wir“ und „uns“. Scholz tut das auch. Seine Amtsvorgängerin Merkel hatte das unbestimmte Wir schon in ihrem wohl bekanntesten Satz perfektioniert. Dieses Wir soll wohl sagen: Auch ich sitze mit euch, ihre angesprochenen Bürger, im selben Boot, bin genauso betroffen.
Glaubwürdiger wären die aktuellen Verzichtsappelle, wenn diejenigen, die so reden, wenigstens konkret in ihren Taten selbst auf etwas verzichteten. Zum Beispiel könnten Grüne wie der zum Waschlappen statt Duschen ratende Winfried Kretschmann auf ihr Anti-Atomkraft-Dogma verzichten. Das kostet nicht einmal Geld, im Gegenteil. Nur ein bisschen Wirklichkeitssinn und Verantwortungsempfinden ist aufzubringen. Seine Parteifreundin Claudia Roth könnte auf ein paar Millionen Steuerzahler-Euros zur Alimentierung von ihr genehmen Journalismus-Simulanten verzichten. Und der Kanzler, der sich so gerne „unterhaken“ will, könnte wenigstens den millionenschweren Ausbau seines Kanzleramts stornieren.
Solche minimalen Opfer, die den erwähnten Politikern noch nicht einmal persönlich finanziell wehtäten, würden nicht alle Probleme aus der Welt schaffen, aber immerhin würden sie den zu viel schmerzhafteren Opfern gezwungenen Bürgern den Glauben daran ermöglichen, dass die Aufrufe und das omnipräsente „Wir“ nicht vollkommen geheuchelt sind.
Die Bilder des Wirtschaftsministers Habeck, des Kanzlers Scholz und der mit ihnen nach Kanada fliegenden Journalisten aus dem Regierungsflieger zeigen eng beieinander sitzende Menschen, die allesamt keinen Mundschutz tragen, der anderen Flug- und Bahnreisenden vorgeschrieben ist. Und das ausgerechnet in derselben Woche, in der der Bundestag erneut eine Maskenpflicht für Herbst und Winter ermöglichen will.
Ob Scholz, Habeck und die Mitfliegenden nun vorher einen aktuellen PCR-Test vorlegen mussten oder nicht, ist dabei wohl unerheblich. Ein Privileg war die Möglichkeit zum maskenfreien Fliegen in jedem Fall. Deutlicher konnten die Insassen der Bundeswehrmaschine nicht zum Ausdruck bringen, dass sie sich selbst vom Opfer bringen ausnehmen. Eine rund zwei Jahrtausende alte Redensart ist so aktuell wie eh und je: Quod licet iovi non licet bovi – Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht erlaubt.