Die von Olaf Scholz angekündigte „Zeitenwende“ droht im Bundestag eine unwürdige parteitaktische Trickserei zu werden. Das geht schon mit der Begriffsgebung für das entscheidende Vorhaben los, bei der sich alle beteiligten Parteien einig sind: Ein „Sondervermögen“ für die Bundeswehr wird genannt, was natürlich genau das Gegenteil von Vermögen ist. Der Staat will 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden aufnehmen – die aber nicht zum regulären Bundeshaushalt gehören, also auch nicht von der grundgesetzlichen Schuldenbremse betroffen sein sollen.
Man trickst also die selbst gesetzten Regeln aus – und hofft, dass die Steuerbürger es nicht merken oder es sich zumindest nicht ganz offen eingestehen, dass die Wiederaufrüstung der Bundeswehr nicht ohne Einbußen an anderer Stelle zu haben ist. Wenn am Bundeshaushalt nicht an anderer Stelle gespart wird, zahlen die Deutschen dafür eben später. Und wie? Im Zweifelsfall eben durch Inflation.
Wichtiger wäre die eigentliche politische Verteilungsfrage: Woran können wir stattdessen sparen? Sie ist der sprichwörtliche Elefant im Raum, an dem alle angestrengt vorbeischauen.
Wenn die Frage der Kosten nicht offen und ehrlich debattiert wird, sondern formalistisch, wenn also so getan wird, als seien Rüstungsausgaben mit irgendeinem „Vermögen“ zu bezahlen, das aus einem außerbudgetären Hut gezaubert werden kann, wird sich das rächen. Schulden sind nicht weniger belastend, wenn man sie Sondervermögen nennt.
Zu diesem überparteilichen (Selbst-)Betrug kommt nun aber noch ein besonders unwürdiges und die parlamentarische Kultur in Deutschland beschädigendes Taktieren hinzu.
Olaf Scholz ist nicht nur Bundeskanzler, sondern auch Mitglied einer Partei, die traditionell zwar Begeisterung zeigt, wenn es ums Geldausgeben des Staates geht, aber nicht, wenn das Geld ins Militär fließen soll. Scholz muss daher eine große Zahl von Abweichlern in der SPD-Fraktion fürchten. Die Notwendigkeit einer Zweidrittelmehrheit für eine Grundgesetzänderung zu Diensten der Sonder-Schulden hätte ihn aus der Bredouille bringen können, wenn die Unionsfraktion geschlossen mitstimmen würde.
Aber natürlich hat man in der Union den Braten gerochen. Und nun bringt Oppositionsführer Friedrich Merz seinerseits den Gedanken ins Speil, es würden nur so viele Unionsabgeordnete zustimmen, wie die Ampel-Fraktionen für eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Absurd: Die CDU will sich selbst in zwei Hälften brechen, um die SPD zur Geschlossenheit zu zwingen beziehungsweise ihre Uneinigkeit öffentlich auszustellen.
Die parlamentarische Demokratie ist das politische System der Freiheit. Die „Zeitenwende“ und die Wiederaufrüstung der Bundeswehr haben nur den einen Zweck, diese Freiheit für Deutschland und die Bündnispartner zu sichern. Umso größer ist die Verantwortung der darüber politisch Entscheidenden, ausgerechnet diese existenzielle Angelegenheit nicht aus kleinlichen parteitaktischen Motiven zu entwürdigen.