Tichys Einblick
Wieler verglich Corona und Grippe

Mehr Geimpfte als bislang angenommen – Spahn: „keine weiteren Beschränkungen“

Nachdem gestern noch der RKI-Präsident Corona mit einer Grippe verglich – bislang ein Sakrileg –, wird heute die Impfquote nach oben korrigiert: 80 Prozent. Gesundheitsminister Spahn lässt weiter offen, was das "Ziel" ist. Jedenfalls sei es noch nicht erreicht.

Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit

IMAGO / photothek

Die Corona-Politik der noch amtierenden Bundesregierung und des ihr unterstellten Robert Koch Instituts wird immer abstruser. Gestern noch hatte RKI-Präsident Lothar Wieler auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn genau das getan, was bislang als Inbegriff des coronaleugnerischen Querdenkertums galt: Er setzte Covid mehr oder weniger mit einer Grippe gleich. Allerdings indem er die Grippe sozusagen hochstufte: Corona und die Grippe „haben viele Gemeinsamkeiten“, sagte Wieler. Beide würden sich „überall dort verbreiten, wo Menschen zusammenkommen“. Und beide seien „für ältere Menschen und auch für chronisch kranke Menschen ein Risiko“. Und: „Wenn viele COVID-19- und viele Grippe-Erkrankte gleichzeitig auftreten, dann werden die Krankenhäuser massiv belastet.“ Deshalb, so Wieler, müssten die politischen Corona-Maßnahmen fortgesetzt werden.

Heute nun – nur einen Tag nach seiner Pressekonferenz übers Impfen – verkündet das Robert-Koch-Institut, dass man sich bislang wohl geirrt habe. Unter den Erwachsenen seien mit Stichtag 5. Oktober bereits bis zu 84 Prozent mindestens einmal und bis zu 80 Prozent vollständig geimpft. Das entspräche jeweils um fünf Prozentpunkte höheren Impfquoten als nach offiziellen Meldungen der Impfstellen. Die Zeitungen der Funke Mediengruppe berichten aus einer RKI-Analyse, es liege nahe, „dass die im Digitalen Impfquoten-Monitoring berichtete Impfquote als Mindest-Impfquote zu verstehen ist und eine Unterschätzung von bis zu 5 Prozentpunkten für den Anteil mindestens einmal Geimpfter beziehungsweise vollständig Geimpfter angenommen werden kann.“ Die Schätzung beruht auf Bürgerbefragungen und Meldedaten.

Jens Spahn twitterte vor wenigen Stunden: „Die Impfquote in Deutschland ist höher als angenommen. Laut RKI liegt sie bis zu 5 Prozentpunkte höher als die Meldedaten ausweisen. Das sind richtig gute Nachrichten: 80% der Erwachsenen sind somit bereits vollständig geimpft. Das gibt mehr Sicherheit für Herbst und Winter.“

Und, so der Minister weiter twitternd: „So können wir draußen auf AHA und medizinische Schutzmasken verzichten, auch wenn drinnen 3G (mit Option auf 2G) und Masken in Bus und Bahn wichtig bleiben. Wir sind noch nicht am Ziel. Aber: Aus heutiger Sicht wird es keine weiteren Beschränkungen mehr brauchen.“

Keine „weiteren“ Beschränkungen zu verhängen, wird der Öffentlichkeit also bereits als Fortschritt verkauft. Wann „wir“ nicht nur keine weiteren, sondern gar keine Beschränkungen mehr brauchen werden, sagt er nicht. Die zu Anfang der Corona-Pandemie verkündete Aussicht, das Impfen werde die Corona-Maßnahmen beenden, bleibt nebulös. „Wir sind noch nicht am Ziel“, sagt der Minister. Die wichtigste Frage beantwortet er nicht: Was genau ist das Ziel? Weiß er es selbst nicht, weil es gar kein wirkliches Ziel der Corona-Maßnahmen gibt? Will er es nur nicht sagen?

Als Ersatz für eine wirkliche Antwort bietet die DPA laut Pressemeldungen nur dieses Spahn-Zitat: „Jede weitere Impfung erhöht aber die Sicherheit und ermöglicht noch mehr Normalität.“

Deutlicher wurde SPD-Gesundheitspolitiker und Corona-Talkshow-Dauergast Karl Lauterbach bei Twitter: „Die Maskenpflicht darf nicht fallen, nur um ein politisches Signal an die Querdenker zu geben.“ Jedes Nachgeben, so muss man ihn wohl verstehen, könnte als Schwächezeichen gegenüber dem politischen Gegner gewertet werden. Also müssen „wir“ wohl so weitermachen.

Anzeige

Die mobile Version verlassen