Tichys Einblick
Steuererhöhungsforderungen

Olaf Scholz macht Steuerpolitik für den Staat, nicht für Geringverdiener

Olaf Scholz und die SPD wollen Geringverdiener gegen Spitzensteuerzahler aufbringen. Reiche sollen mehr Steuern zahlen. Doch wenn er wirklich mehr Geld einnehmen will, wird es nicht nur die erwischen, die "ein paar hunderttausend Euro" verdienen.

Olaf Scholz

imago images / Future Image

Angesichts der gigantischen Staatsausgaben dieses Corona-Jahres 2020 konnte der Vorstoß wohl niemanden überraschen: Bundesfinanzminister Olaf Scholz will in der nächsten Legislaturperiode die Steuern erhöhen. Scholz, der gerade von seiner zusehends sozialistischer werdenden Parteiführung zum so genannten Kanzlerkandidaten gemacht wurde, gibt den Kühnerts, Nowabos und Eskens also Zucker mit solch einer Forderung nach einem „leistungsgerechteren Steuersystem“.

Scholz sagt es müsse „klar sein, dass Leute, die ein paar hunderttausend Euro verdienen, künftig einen höheren Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten können“. Klar ist vor allem, dass sich da nur ein kleiner Teil der Steuerzahler angesprochen fühlt. Und Scholz spekuliert wohl darauf, dass ein großer Teil von jenen sich denkt: Bei den „Spitzenverdienern“ soll der Fiskus ruhig ordentlich zulangen. Man könnte solch eine auf Neid und Schadenfreude setzende Forderung durchaus populistisch nennen. Aber ein Steuerzahler mit einem unterdurchschnittlichen Einkommen, zum Beispiel eine alleinerziehende Krankenschwester, die aber dennoch über 30 Prozent ihres Einkommens für direkte Steuern und Sozialabgaben aufwenden muss, hat nichts davon, wenn der Chefarzt ihres Krankenhauses mehr zahlt – außer dem von der SPD angeheizten Gefühl der vermeintlichen „Steuergerechtigkeit“.

Die Freude daran dürfte vielen Steuerzahlern aber bald vergehen. Die allgemeine Erfahrung mit solchen Steuererhöhungen für „Reiche“ und „Spitzenverdiener“ ist nämlich, dass letztlich eben nicht nur Leute zur Kasse gebeten werden, die „ein paar Hunderttausend“ verdienen, sondern schon jene, die nur ein paar Tausend Euro mehr verdienen als der Durchschnitt. Das ist zwar nicht die alleinerziehende Krankenschwester, aber sehr viele Menschen, die sich aus gutem Grund keinesfalls als reich empfinden.

Derzeit liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent. Er wird 2019 ab einem jährlich zu versteuernden Einkommen von 55 961 Euro (für Ledige) fällig. Das ist gerade einmal das 1,6-fache des Bruttodurchschnittslohns. Dieser Wert ist in den vergangenen Jahrzehnten stetig gesunken: Im Jahr 1960 war noch das 18-fache vom durchschnittlichen Einkommen dazu nötig. Für wirkliche Spitzenverdiener mit einem zu versteuernden Einkommen ab 265 327 Euro gibt es schon eine Sonderregelung, nämlich einen Höchststeuersatz von 45 Prozent. 

Nach Schätzung der Bundesregierung in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion  „waren im Jahr 2018 rd. 4,1 Millionen Personen mit Teilen ihres zu versteuernden Einkommens dem Spitzensteuersatz unterworfen. Davon unterliegen rund 163 000 Personen dem Höchststeuersatz.“ Aus derselben Antwort der Bundesregierung geht hervor: „Das Einkommensteueraufkommen aller Steuerpflichtigen, die mit Teilen ihres zu versteuernden Einkommens mindestens dem Spitzensteuersatz unterworfen werden, beträgt im Jahr 2018 rund 149,3 Mrd. Euro. Davon entfallen rund 39,8 Mrd. Euro auf Steuerpflichtige, die mit Teilen ihres zu versteuernden Einkommens dem Höchststeuersatz unterliegen.“ 

Diese Zahlen dürften klarmachen: Der linke Wunschtraum von einem durch die „Reichen“ finanzierten Versorgungsstaat funktioniert nicht, weil es schlicht zu wenige sind. Das Gros der Einkommenssteuern kommt aus der oberen Mittelschicht, zu der oft schon Facharbeiter gehören, mittlere Angestellte, Ingenieure, und nicht zuletzt Selbständige und kleine Unternehmer. 

Die noch höhere Besteuerung dieser Menschen ausgerechnet unter der Parole der „Leistungsgerechtigkeit“ zu fordern, ist also reichlich absurd. Immerhin erfuhr Scholz in diesem Sinne auch aus FDP und CDU sofort Kritik: Der Generalsekretär des CDU-nahen Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, erinnerte Scholz daran, dass es um „mittelständische Familienunternehmer und andere Leistungsträger“ geht. 

Wie so oft, ja, fast wie bestellt, wenn ein führender SPD-Politiker eine wirtschafts- oder steuerpolitische Forderung erhebt, springt ihm DIW-Präsident Marcel Fratzscher ihm mit einem wohlfeilen Tweet zur Seite: „Eine Erinnerung an die, die jetzt eine steuerliche Entlastung/keine stärkere Belastung der Besserverdiener fordern: Das deutsche Steuersystem ist nicht sehr progressiv, es belastet auch Menschen mit geringen Einkommen recht deutlich.“

Seltsamerweise zieht Fratzscher aber daraus nicht den naheliegenden Schluss, die geringen Einkommen steuerlich zu entlasten. Aus der Grafik, die Fratzschers DIW-Kollege erstellt hat, ist tatsächlich zu erkennen, dass Geringverdiener prozentual stark durch Abgaben und vor allem indirekte Steuern belastet sind, während für Höchstverdiener die prozentuale Belastung wieder etwas sinkt, weil ihre Sozialabgaben gedeckelt sind. Aber es bleibt das Geheimnis des DIW-Chefs, warum er daraus nicht den Schluss zieht, die Geringverdiener zu entlasten, sondern die Besserverdiener noch stärker zu belasten. 

Man kann sich dies nur dadurch erklären, dass für Fratzscher ebenso wie für Scholz und seine Parteifreunde offenbar das Interesse des Staates an steigenden Steuereinnahmen vor dem Interesse der Geringverdiener steht, für die sich Sozialdemokraten traditionell stark zu machen behaupten. 

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