Olaf Scholz hatte in Düsseldorf am 1. Mai einen erstaunlichen Auftritt. Nicht nur, weil er gegen ein dauerndes Pfeifkonzert und „Frieden-Schaffen-Ohne-Waffen“-Sprechchöre im Sinne seines Ukraine-Kurses anreden musste. Er bekannte sich in Düsseldorf nicht nur zur Unterstützung der Ukraine mit Waffen und „dieser armen Länder“, denen womöglich Nahrungsmangel in Folge des Krieges droht, sondern auch indirekt zur Inflation.
Die wohl wichtigste Botschaft des Kanzlers an diesem Maifeiertag lautete: „Wenn wir zusammenhalten wollen, wenn wir solidarisch sein wollen, dann geht das nur, wenn wir das als Gesellschaft auch insgesamt zustande kriegen. Und wenn wir jetzt mehr Geld ausgeben für Sicherheit und Verteidigung, dann weil wir das müssen angesichts dieser Aggression. Dann gilt aber auch das Folgende: Wir werden keines unserer Vorhaben beenden, das wir für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft in diesem Land auf den Weg bringen wollen.“
Scholz und die gesamte deutsche Politik haben sich völlig von der Vorgabe gelöst, dass die Haushaltslage die Ausgaben begrenzen muss. Ludwig Erhard schrieb in einer lang vergangenen Zeit, als die Grundlagen für den Wohlstand geschaffen wurden, von dem wir nun zehren: „Wenn ich den Raum, den die Haushaltslage der kommenden Jahre für soziale Leistungsverbesserungen offenlässt, in Beziehung zu den Vorstellungen setze, die in dieser Richtung gehegt werden, zwingt das Gebot der Stabilität zu der Feststellung, dass wir, wie schon gesagt, nach Wertigkeit, Dringlichkeit und Nützlichkeit im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten ein Bezugssystem und einen längerfristigen Zeitplan aufstellen müssen. Lassen Sie mich ein offenes Wort sprechen: Wir müssen uns entweder bescheiden oder mehr arbeiten.“
Natürlich weiß der frühere Finanzminister Scholz, dass dieses Versprechen – mehr für Verteidigung auszugeben und zugleich auch mehr für Soziales, ohne mehr zu arbeiten – auf Kosten der Zukunft teuer erkauft ist. Zusätzliche Ausgaben lassen sich nur durch Verschuldung heben – also durch die Opferung des Erhardschen Gebotes der Stabilität. Im Instrument des „Sondervermögens“ hat die Bundesregierung einen Weg gefunden, wie sich die Neuverschuldung oberflächlich verschleiern und pro forma vielleicht sogar die Schuldenbremse einhalten lässt. Der Begriff allein ist schon eine glatte Lüge geradezu Orwellscher Ausprägung: Es gibt keine Sondervermögen, sondern nur Sonderschulden – zusätzlich zu jenen des Bundeshaushaltes.
Dass die EZB den Verschuldungsorgien, bei denen nun mit dem Wiederaufbaufonds auch noch die EU selbst mitmacht, noch irgendwelche Hürden aufstellen wird, ist absolut unwahrscheinlich. Die Zinswende wird spät kommen, wenn überhaupt und sehr gemäßigt. Es gibt also, nachdem Deutschland endgültig das Sparen aufgegeben hat, keine stabilitätspolitischen Halteseile mehr.
Der Kanzler hat sich, indem er sich von den öffentlichen Sparanstrengungen verabschiedet, indirekt zur Inflationierung bekannt. Die ist ohnehin schon in vollem Lauf. Und sie trifft vor allem jene Bevölkerungsschichten besonders hart, für die Sozialdemokraten wie Scholz eigentlich Politik zu machen versprechen: Menschen mit geringen Einkommen ohne nennenswerte Vermögen. Was jetzt „für eine gerechtere und solidarische Gesellschaft in diesem Land auf den Weg“ gebracht wird, muss von ihnen und ihren Nachkommen morgen umso teurer bezahlt werden – und die Milliarden für die militärische Zeitenwende auch.