Die Partei Die LINKE, also die Rechtsnachfolgerin der DDR-Staatspartei SED, ist durch die Thüringer Ereignisse wohl endgültig von den anderen Parteien als regierungswürdige, demokratische politische Kraft akzeptiert. Dass ihre Mitglieder tatsächlich auf dem Boden des Grundgesetzes stehen und die staatliche und gesellschaftliche Ordnung dieses Landes bedingungslos anerkennen, kann man in vielen Fällen allerdings mit guten Gründen bezweifeln.
Das liegt weniger daran, dass zahlreiche LINKE-Politiker schon im untergegangenen SED-Regime aktive Parteimitglieder waren. In Ramelows Kabinett saß Bildungsminister Helmut Holter, ehemals SED-Betriebsparteisekretär im VEB Beton Nord in Miltendorf, 1985 Absolvent der Parteihochschule der KPdSU in Moskau, und dessen Vorgängerin Birgit Klaubert war seit 1973 SED-Mitglied. Landtagspräsidentin Birgit Keller gehörte der SED-Kreisleitung Sangerhausen an, der Landesgeschäftsführer der Thüringer Linken Mathias Günther war in der DDR Offizier der Grenztruppen und Inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit.
Um „Extremistische Strukturen der Partei DIE LINKE“ zu erkennen muss man auch nicht erst die acht Seiten des entsprechenden Kapitels im aktuellen Bundesverfassungsschutzbericht lesen. Gerade jüngere LINKE-Mitglieder ohne DDR-Vergangenheit fallen in jüngster Zeit durch offene Bekenntnisse zu extremistischen Zielen und Methoden auf. Im folgenden nur ein paar Beispiele:
Am vergangenen Wochenende kamen rund 450 Mitglieder zu einer „Strategiekonferenz“ der LINKE in Kassel zusammen. Eine Lokalpolitikerin aus Berlin sagte dort: „Energiewende ist auch nötig nach ’ner Revolution. Und auch wenn wir det ein Prozent der Reichen erschossen haben, ist es immer noch so, dass wir heizen wollen, wir wollen uns fortbewegen. Naja, ist so!“ Parteichef Bernd Riexinger korrigierte: „Ich wollt noch sagen, wir erschießen sie nicht, wir setzen sie schon für nützliche Arbeit ein.“ Darauf Beifall und Heiterkeit im Publikum. „Nützliche Arbeit“ – das könnte man durchaus auch als eine Anspielung auf Zwangsarbeit in der Sowjetunion und anderen historischen kommunistischen Regimen verstehen.
Erst im Nachhinein, nachdem bei Twitter Empörung laut geworden war, twitterte Riexinger: „Auch wenn der Kommentar einer Teilnehmerin auf der Strategiekonferenz nun völlig aus dem Kontext gerissen wird, er war und ist inakzeptabel. Ich bedauere, dass ich ihn nicht sofort unmissverständlich zurückgewiesen habe.“
Der mittlerweile wieder gewählte thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte gegenüber der Bild-Zeitung: „Wer Menschen erschießen will und von einer Revolution mit oder durch Gewalt schwadroniert hat mit meinem Wertekanon nichts gemein. So eine Aussage auf einer Konferenz meiner Partei ist inakzeptabel und hätte nie lächelnd übergangen werden dürfen!“
Abgesehen davon, dass sich Riexinger und Ramelow zwar von Gewalt, aber nicht vom Ziel der Revolution distanzierten, war es längst nicht die einzige Entgleisung auf der Veranstaltung, die nicht nur übergangen, sondern sogar beklatscht wurde. Mittlerweile sind auch andere Äußerungen auf der Konferenz bekannt, die zeigen, wie extrem es in der Partei zugeht:
Die Berliner Abgeordnete Katalin Gennburg – in Berlin ist die LINKE bekanntlich Regierungspartei – fand es auch eine „irre gute Denksportaufgabe“, ob der Mietendeckel nicht schon ein „Stück Kommunismus“ sei. Gennburg, die Hausbesetzungen für ein legitimes Mittel der Wohnraumbeschaffung hält, ist auch Mitautorin eines Strategiepapiers, in dem „Eine neue verbindende Erzählung für die soziale Revolution“ gefordert wird. „Die sozialen Kämpfe um die Wohnungsfrage“, heißt es darin, „machen die Klassenfrage sichtbar und mit dem Mietendeckel gelingt es uns, eine Klassenauseinandersetzung von links zu führen und zu popularisieren ohne das irgendwo fett „Klassenkampf“ draufsteht.“ Die Aufgabe für die LINKE sei, so Gennburg in dem Papier, „glaubhaft zu machen, dass wir das Establishment stürzen, den kapitalistischen Selbstbedienungsladen schließen und gemeinsam mit den Menschen eine solidarische Gesellschaft organisieren wollen“.
Auch wenn von Gewalt in diesem Papier keine Rede ist: als Ziel wird die Beseitigung der bestehenden Ordnung genannt. Anders kann man die Begriffe „soziale Revolution“, „Klassenkampf“, „Establishment stürzen“, „kapitalistischen Selbstbedienungsladen schließen“ kaum deuten.
Ein anderer Redner in Kassel forderte, nachdem er unter anderem seine Ablehnung der Nato und allgemein des „Bestehenden“ klar gemacht hatte, dass die LINKE „diesen parlamentsfixierten Abgeordnetenbetrieb schwächen“ müsse. Die Aufgabe der LINKE sei: „Staatsknete im Parlament abgreifen, Informationen aus dem Staatsapparat abgreifen, der Bewegung zuspielen, den außerparlamentarischen Bewegungen das zuspielen, und dann brauchen wir natürlich das Parlament als Bühne, weil die Medien sind so geil auf dieses Parlament das sollten wir doch nutzen.“ Weiter wünscht er sich, die Diäten der eigenen Abgeordneten auf das Niveau eines Facharbeiters zu begrenzen und mit dem frei werdenden Geld die Antifa zu finanzieren. Dann werde man „den Nazi-Dreck“ irgendwann „weg“ haben. Das Publikum applaudiert. Auf dem Podium sitzt unter anderem die thüringische Fraktionsvorsitzende Susanne Henning-Welsow. Sie rechtfertigt später ihre parlamentarische Arbeit, distanziert sich aber nicht von den Aussagen ihres Parteifreundes. Niemand tat das hörbar.
Auf derselben Strategiekonferenz sprach Lucy Redler, Bundesvorstand der LINKE und bekennende Trotzkistin vom „staatlichen Rassismus und der neoliberalen Politik der CDU, aber auch der SPD und in Teilen auch der Grünen“, auf diesem „Nährboden“ der „halbrechten“ Parteien könne die AfD gedeihen.
Eine Distanzierung der Parteispitze von diesen Äußerungen blieb auch nachträglich aus. Die Co-Vorsitzende Katja Kipping twitterte zum Abschluss „Das waren zwei gute Tage des Miteinanderredens. Danke an alle, die diese #LINKEStrategie Konferenz organisiert haben und die dabei waren.“
Riexinger resümierte am Ende der Konferenz, die Mitglieder hätten „lebendig und offensiv diskutiert“, die Partei sei „kraftvoll und zukunftsorientiert“. Kein Wort zu der antiparlamentarischen Entgleisung seines Genossen, stattdessen sprach er selbst davon, dass er sich als Bundestagsabgeordneter diese Erfahrung vielleicht lieber hätte sparen sollen. Auch daraufhin gab es Gelächter.
Die Selbstentlarvung von LINKE-Politikern bei der Kasseler Tagung war längst kein singuläres Ereignis. In der sächsischen LINKEN zum Beispiel tut sich immer wieder die Leipziger Landtagsabgeordnete Jule Nagel mit Bekenntnissen zu linksradikalen Gruppierungen hervor. Die Zeit schreibt über sie, viele sähen sie „als eine Art Scharnierfigur zwischen radikaler Szene und bürgerlicher Welt“. Die Schuld an dem Gewaltausbruch in der Silvesternacht in Leipzig-Connewitz hatte Nagel allein der Polizei zugesprochen: „Uff. Cops raus aus #Connewitz gewinnt nach diesem Jahreswechsel ne neue Bedeutung. Ekelhafte Polizeigewalt, überrennen unbeteiligter, wirre Einsatzmanöver, kalkulierte Provokation.“ Diesen Tweet bereute sie später gegenüber dem MDR.
Ihren Radikalismus trägt Nagel, die auch in der vom Verfassungsschutz beobachteten „Roten Hilfe“ aktiv ist, in Tweets und auf ihrer Website offen zutage. Dort offenbart sie ihre „grundsätzliche weltanschauliche Linie“: „Der Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte“ und, so Nagel weiter mit einem Marx-Zitat, es gälte „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist.“ Vor wenigen Tagen warb Nagel für die Teilnahme an einer Demonstration des „Anarchist Black Cross Dresden“ in Chemnitz „für eine freie Gesellschaft ohne Knäste, Staat und Patriarchat“. Einen Ausbruch aus einem „Abschiebeknast“ kommentiert sie mit „Wow!“
Die Grenze zur Rechtfertigung von Gewalt erreichte vor wenigen Wochen die LINKE im Städtchen Königswinter bei Bonn. In einer per Facebook verbreiteten Pressemitteilung fordert der Ortsverein nicht nur ein „klares Bekenntnis gegen Faschismus von CDU und FDP“. Konkret sollten sie erklären, „dass eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene bedingungslos ausgeschlossen wird“. Andernfalls werde man „antifaschistische Gruppierungen und Bündnisse auf den Straßen unserer Stadt mobilisieren“. Der Bürgermeisterkandidat der LINKEN, Bastian Reichardt, wird so zitiert: „Wenn CDU und FDP es wagen wollen, mit dem Feuer zu spielen, dann wird Königswinter brennen.“
Der Text vom 6. Februar ist mittlerweile bei Facebook nicht mehr zugänglich, aber in der Bonner Rundschau dokumentiert. Sie hatte darüber und über die Reaktionen örtlicher CDU- und FDP-Politiker einige Tage später berichtet. Der örtliche CDU-Chef Josef Griese fühlte sich zwar an eine Diktion erinnert, „die wir von gewalttätigen linken Autonomen kennen“. Allerdings unterwarf er sich der Forderung der LINKEN nicht nur in der Sache, sondern auch, indem er deren Faschismus-Begriff – wie viele Christdemokraten und Freie Demokraten auch – selbst übernahm: Es werde keine Zusammenarbeit mit der „faschistischen, rechtsnationalen und menschenfeindlichen“ AfD geben
Die drohenden Worte hinter der Forderung, sagte der Autor der Pressemitteilung, LINKE-Stadtratsmitglied Andreas Danne, der Bonner Rundschau seien wohl „etwas missverständlich“ formuliert. Sie hätten eben „aufrütteln“ sollen. „Das war der Sinn.“ Man habe auf die Gefahr einer Zusammenarbeit von CDU und FDP mit der AfD nach den Kommunalwahlen hinweisen wollen, weil das zu „extremen Spannungen“ in der Stadt führen würde. Danne will nun offenbar alles nicht ganz ernst gemeint haben: „Natürlich wird niemand durch die Stadt ziehen und Häuser anzünden.“ In seiner Partei gebe es keine Brandstifter.
Reaktionen überregionaler Politiker, etwa eine Distanzierung von den LINKEN-Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, sind bislang nicht bekannt geworden. Auch eine überregionale Presseresonanz jenseits der sozialen Netzwerke Twitter und Facebook ist bislang nicht zu verzeichnen.