Bundesinnenministerin Nancy Faeser hat die letzten Zweifel beseitigt. Sie wird als SPD-Spitzenkandidatin zur hessischen Landtagswahl antreten. Nach entsprechenden Presseberichten ist nun ein Brief Faesers an Mitarbeiter ihres Ministeriums bekannt geworden, in dem sie laut Welt schreibt: „Ja, ich kandidiere. Ich bin die erste Frau an der Spitze des Bundesinnenministeriums – und ich möchte die erste Ministerpräsidentin in Hessen sein.“
Nun erledigt Faeser diese mit einem Satz, der „von Anfang an Klarheit“ schaffen soll: Wenn die „Wähler sich im demokratischen Wettbewerb anders entscheiden, werde ich weiterhin als Bundesinnenministerin meiner Verantwortung gerecht werden“.
Damit tut sie zwar sich selbst einen Gefallen, indem sie ihr persönliches Karriererisiko mindert. Sie tut damit aber auch ihrem landespolitischen Gegner, Ministerpräsident Boris Rhein von der CDU einen Gefallen: Der kann Faesers Offenhalten der Berliner Option als mangelndes Engagement für Hessen ausbeuten.
Unionspolitiker haben mit solchen Abwägungen schon ihre eigenen Erfahrungen gemacht: Der einstige Bundesumweltminister Norbert Röttgen wollte 2012 Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen sein und gerne die Berliner Option offenhalten. Das kam nicht nur an der Parteibasis und beim Wähler, sondern auch bei Merkel nicht gut an. Er wurde schließlich weder Ministerpräsident, noch durfte er lange Umweltminister bleiben. Ministerpräsident wurde dann 2017 Armin Laschet. Und der legte sich, als er schließlich Parteivorsitzender und Kanzlerkandidat geworden war, darauf fest, in jedem Fall die Staatskanzlei in Düsseldorf aufzugeben. Nun ist er als Hinterbänkler im Bundestag einer der großen Gescheiterten seiner Partei und der deutschen Politik.
Zu jenen, die sich gewünscht hätten, dass Faeser sich ganz zu Hessen bekennt, gehörten vermutlich aber auch SPD-Politiker. Einerseits in Hessen, weil sie sich dadurch bessere Wahlsiegchancen ausrechnen. Andererseits könnten aber auch einige vor allem auf Faesers Abgang aus dem Bundesinnenministerium setzen. Eine, die darauf hoffen dürfte, ist Parteichefin Saskia Esken. Sie dürfte gute Chancen haben, nach Faesers Abgang nach Wiesbaden ins Kabinett einzurücken, zumal der Druck auf Scholz riesig sein wird, unbedingt eine Frau zu berufen, nachdem er schon mit Boris Pistorius als Verteidigungsminister die fanatischen Anhänger der Geschlechterparität verprellte.
Wer sich also aus innenpolitischen Gründen auf Faesers Abgang Richtung Wiesbaden freut und auf nicht ganz so woke Innenpolitik, etwa eine konsequentere Einwanderungsbeschränkung und ein klein bißchen weniger „Kampf gegen rechts“ hofft, könnte eine bittere Enttäuschung erleben. Mit Saskia Esken wird sich am Faeser-Kurs wohl kaum etwas ändern. Viele potentielle Bundesinnenminister von der Statur und Ausrichtung eines Otto Schily hat die SPD schlicht nicht in der Personalreserve. Da wäre allenfalls Eskens Co-Vorsitzender Lars Klingbeil, der sich immerhin von seinen Antifa-Aktivitäten in der Jugend öffentlich distanziert hat. Aber er hat einen Nachteil, der ihn sicher ausbremsen wird: er ist ein Mann.