Das Raunen über die Gefahren der Delta-Variante reicht der Bundeskanzlerin nicht. Als ob sie nicht nur den Deutschen, sondern auch Europa und vor allem Großbritannien beweisen wolle, dass sie noch ganz und gar nicht ans Abtreten denkt, will sie nun den nächsten Corona-Hammer herausholen. Wie die Times berichtet, will sie ein indirektes Urlaubsverbot für Briten in der EU einführen. Ob geimpft oder nicht, sollen Briten nach der Einreise zu einer 14-tägigen Quarantäne verpflichtet werden. Damit würden touristische Reisen de facto unterbunden.
Das Vorhaben soll heute im IPCR, einem integrierten Krisenstab des Europäischen Rates, diskutiert werden. Gegenwind gibt es laut Times von den Lieblingsurlaubsländern der Briten – Griechenland, Spanien, Zypern, Malta und Portugal. Frankreichs Präsident Macron soll Unterstützung signalisiert haben, allerdings nur bei ungeimpften Briten. Am Freitag will der britische Premier Boris Johnson mit Merkel zusammentreffen, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen.
Letzteres ist ohnehin für das Handeln einer seit 16 Jahren regierenden Kanzlerin meist die naheliegende Erklärung. Der Krisen-Modus soll so lange wie möglich aufrecht erhalten werden, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen, dass die bisherigen Krisenmaßnahmen mindestens überzogen waren und womöglich mehr Schaden als Nutzen brachten. Indem ausgerechnet Großbritannien nun als Sorgenkind („Country of concern“) gebrandmarkt wird, sollen deutsche und europäische Bürger wohl vergessen, dass das EU-abtrünnige Land seine Bürger sehr viel schneller mit Impfstoff versorgen konnte als die EU-Kommission der Merkel-Verbündeten von der Leyen. Merkels Interesse ist es generell, Großbritannien nach dem Brexit keinesfalls als erfolgreiches Land dastehen zu lassen.
Und dieses Ziel wird sie bei einem großen Teil der Deutschen vermutlich auch dann erreichen, wenn sie sich innerhalb der EU nicht mit ihrem Anti-Briten-Vorschlag durchsetzt. Nochmals: Nicht auf die tatsächlichen Effekte, sondern auf die Gefühle der Bürger kommt es an. Der Brexit soll in den Augen der deutschen und europäischen Öffentlichkeit keine Erfolgsgeschichte werden, weil dies die Regierenden in der Rest-EU, vor allem Merkel als Dienstälteste und Vergemeinschaftungsfreundlichste, unweigerlich alt aussehen ließe.