Tichys Einblick
Grundrente

Merkels Kapitulationen sind Niederlagen der Union und des Landes

Angela Merkel wird als eine große Taktikerin in die Geschichte der CDU eingehen. Ihr Taktik ist die denkbar einfachste: Nicht kämpfen, sondern Nebelkerzen schießen und jede Stellung räumen. Beispiel: das Scheingefecht um die Grundrente.

imago images / photothek

Hat wirklich noch irgendjemand ernsthaft erwartet, dass der Wunsch der SPD nach der sogenannten Grundrente unerfüllt bleibt? Hat die CDU in 15 Merkel-Regierungsjahren jemals eine eigene Position konsequent verfochten? Sie tat höchstens so.

Fraktionschef Ralph Brinkhaus hatte den (Schein-)Widerstand gegen die Grundrente allein an der Finanzierung festgemacht – es geht um 1,3 Milliarden Euro. In Zeiten, da der deutsche Staat das Geld seiner Steuerzahler und Sparer im mehr als Hundertfachen für Rettungs- und Konjunkturpakete und für „Europa“ hergibt, ist das von vornherein nur die Simulation eines politischen Konflikts. Die sachlichen, grundsätzlichen Gegenargumente spielten nie eine Rolle. Sollten es vermutlich auch gar nicht. 

So konnte Brinkhaus laut Bild-Bericht bei der Sitzung einer Unions-Arbeitsgruppe klarmachen, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll. Das Thema Grundrente müsse jetzt „abgeräumt“ werden, soll er bei der Sitzung am Dienstag gesagt haben. Die Grundrente dürfe nicht zum Wahlkampfthema werden. Fraktionsinternen Kritikern sagte er laut Bild, man dürfe nicht „dogmatisch“ sein. Tja, so undogmatisch war die CDU eben auch beim Atomausstieg, beim Mindestlohn, bei der Aufgabe der Wehrpflicht, bei der doppelten Staatsbürgerschaft, bei der Einwanderung- und Asylpolitik und nicht zuletzt jetzt bei der de-facto-Einfühurng der Haftungsunion in der EU. 

Grundrente
Es ist bezeichnend, dass der CDU-Fraktionschef nicht die Forderungen anderer Parteien, sondern die Verteidigung eigener Positionen als dogmatisch bezeichnet. Brinkhaus, einst bei seiner gegen den Willen Merkels erfolgten Wahl als Träger der Hoffnungen auf eine selbstbewusste, regierungsunabhängige Unionsfraktion betrachtet, scheint nun Gefallen an der Merkel-Taktik gefunden zu haben.

In der seit 20 Jahren von Merkel geprägten Berufspolitiker-CDU ist das Preisgeben politischer Positionen und sachlicher Interessen schon zur Tradition geworden. Die Geschichte des Merkelismus ist geprägt davon, dass nicht nur der Koalitionspartner SPD, sondern vor allem auch die (Schein-)Opposition der Grünen ihre Wünsche äußert – und die Kanzlerinnenpartei sie ihnen nach Scheingefechten schließlich zu Füßen legt. Der für Merkel und ihre Mitprofiteure allein relevante Effekt ist, dass dadurch jeder Angriff auf ihre Macht ins Leere läuft. Mittlerweile ist sogar die umbenannte SED in die Riege jener politischen Agenda-Setter einbezogen worden. Die AfD hingegen ist sozusagen der negative Agenda-Setter: Ihre Forderungen sind Anlass, das Gegenteil zu tun. Ihr Status als Gott-sei-bei-uns ist deswegen bisweilen durchaus hilfreich, wenn es darum geht, die Preisgabe einstiger CDU-Positionen zu rechtfertigen. Wenn die AfD beispielsweise eine linksradikale Verfassungsrichterin Borchardt verhindern will, kann die Merkel-CDU sie umso ungenierter durchgehen lassen.

Die Merkel-Taktik der politischen Selbstentleerung richtet sich also nicht gegen die SPD, die Grünen oder die Linken. Vielleicht nicht einmal in erster Linie gegen die AfD. Sondern gegen die Geschichte der CDU als „Deutschlandpartei“, als Partei der Sozialen Marktwirtschaft, der inneren Sicherheit, der bewahrenden Vernunft („keine Experimente!“) und der Stabilität. Die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg des Merkelismus (alleiniges Erfolgskriterium: der nackte Machterhalt) ist darum, dass die Basis und die Wähler der CDU von dem, was die eigene Führung treibt, kein klares Bild erhalten.

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