Nachdem von der Kanzlerin tagelang kaum ein öffentliches Wort zu hören war – besonders dröhnend ihr Schweigen zur Bluttat von Würzburg – hat Angela Merkel sich nun bei Gelegenheit eines Besuchs im Robert-Koch-Institut zu ihrem Lieblingsthema geäußert.
Zwei Botschaften hatte sie mitgebracht. Erstens: Die Inzidenz soll eine wichtige Zahl zur Bewertung der Pandemie bleiben. Na klar, es ist ja auch ihre Zahl. Sie hat ihre Corona-Politik auf dieser Zahl begründet und ihre Bundesnotbremse daran geknüpft. Darum darf sie nicht unwichtig werden. Von der eigentlich wichtigsten Zahl, nämlich der der Corona-Toten, spricht sie nicht direkt.
Die wichtigste Botschaft aber war dieser Satz: „Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein“. Die Regierungschefin stellt also die Freiheit der Bürger, zu denen sie sich in gespielter Bescheidenheit mit dem Wörtchen „wir“ selbst dazu zählt, unter die Bedingung der Impfung. Söder hatte es noch härter formuliert: „Ohne Impfung keine Freiheit“.
Diese staatliche Werbung aber mit der direkten Drohung des Freiheitsentzuges zu verbinden, ist in einem Land mit einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung eigentlich eine Ungeheuerlichkeit. Es wird nicht besser, sondern nur noch verlogener, indem Merkel mit dem Wörtchen „wir“ so tut, als sei sie selbst auch von Freiheitseinschränkungen betroffen.
Merkel sagte bei derselben Gelegenheit mit Blick auf die Impfpflicht in Frankreich und Griechenland für Beschäftigte des Gesundheitswesens: „Wir haben nicht die Absicht, diesen Weg zu gehen, den Frankreich vorgeschlagen hat. Wir haben gesagt, es wird keine Impflicht geben“.
Der Umgang der Regierenden mit diesem Begriff der Impfpflicht und die wiederholten Absagen an diese Pflicht, sind perfide. Ausgerechnet Markus Söder hatte die Impfpflicht abgelehnt, weil das ein „starker Grundrechtseingriff“ sei. Doch zugleich fordert er mehr Freiheitsrechte für Geimpfte als für Ungeimpfte – als ob diese Unterscheidung kein fundamentaler Grundrechtseingriff sei.
Wieviel das Versprechen des Verzichts auf eine Impfpflicht wert ist, machten Merkel und ihr Gesundheitsminister Jens Spahn im RKI mehr als deutlich: nichts. Genau das, was Frankreich nämlich einführen wird, um den Druck auf Impfunwillige so sehr zu erhöhen, dass er de facto einer Pflicht gleichkommt, wollen auch Merkel und Spahn explizit nicht ausschließen: kostenpflichtige PCR-Tests für Nichtgeimpfte. „Da sind wir aber noch nicht“, sagte Spahn. „Noch“ wohlgemerkt. Nein, eine offene Pflicht wird es also nicht geben, aber die Bürger werden darauf vorbereitet, dass es teuer und höchst unbequem wird, aus der Reihe zu tanzen.
Verlogen ist auch Spahns Appell: „Impfen Sie sich auch, um unsere Kinder und Jugendliche zu schützen.“ Er macht damit Eltern Angst um ihre Kinder, obwohl doch gerade für Kinder das Corona-Virus in allen Varianten am harmlosesten ist.