Es ist ein Interview, das ebenso gut auch vom Pressesprecher des Interviewten hätte geführt werden können. Zeit-Redakteurin Christina Schmidt fragt Karl Lauterbach nicht nach dessen Taten, Absichten oder Positionen, sondern nach seinen Gefühlen im Zusammenhang mit den aufgedeckten Entführungsabsichten einer Gruppe namens „Vereinte Patrioten“: „Was macht das mit Ihnen?“ Und der Bundesgesundheitsminister antwortet ganz lyrisch: „Die gesamte Geschichte atmet, dass die mutmaßlichen Täter ihre eigenen Möglichkeiten dramatisch überschätzen.“ Und dann – nach einer Beschreibung seines Lebens mit Personenschützern sich selbst heroisierend: „Ich denke nicht im Traum daran, Zugeständnisse an die Wünsche der Gefährder zu machen, nur um meine Sicherheit zu erhöhen.“
Von der Interviewerin kommt auch danach immer noch kein Hauch von nachfragender Kritik, ob denn diese Lauterbach-unnachgiebige Politik die richtige sei, sondern eine weitere Vorlage zur Selbstbeweihräucherung: „Hätten Sie vor zehn Jahren geglaubt, dass es zu Ihrer Berufsbeschreibung gehören könnte, sich um das Leben seiner engsten Mitarbeiter sorgen zu müssen?“ Natürlich konnte er das nicht. Und schließlich fragt seine Interviewerin zum Abschluss, wie denn „die Politik diese Leute, die vermeintliche Eliten hassen, wieder zurückgewinnen“ könne.
Da ist also nicht die geringste Spur von Selbstzweifel zu erkennen. Nicht der leiseste Gedanke daran, dass er selbst und die Corona-Politik, die er zu verantworten hat, diese Katastrophe, dieses gesunkene Vertrauen vieler Menschen womöglich mit verursacht haben könnte. Ausgerechnet der Mann, der in ungezählten öffentlichen Auftritten und Tweets falsche und widersprüchliche Aussagen machte, sich auf undichte Studien berief, sich selbst widersprach und schließlich sogar die Falschheit mancher konkreter Maßnahmen und nicht zuletzt seiner Behauptung der Nebenwirkungsfreiheit der Impfungen nachträglich einräumen musste.
„Wie erreichen wir diese Menschen künftig überhaupt? Wie kann dieser Weg in multiple Scheinwahrheiten umgekehrt werden. Das müssen wir lösen“, sagt Lauterbach am Schluss dieses hanebüchenen Interviews. Auf die am nächsten liegende Antwort, die er nicht nur geben, sondern sogar persönlich umsetzen könnte, kommt er natürlich nicht: Es wäre sein Rücktritt.