Jetzt werden wieder Erinnerungen wach. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet war schon in der ersten Phase der Corona-Pandemie durch vorsichtige Abweichungen von der Linie der Kanzlerin aufgefallen. Der Unmut Merkels war kaum zu übersehen.
Damals war er nur Ministerpräsident und noch nicht CDU-Parteichef. Da Laschet keine lutherische Kämpfernatur ist (die sind in der Union und nicht nur dort längst ausgestorben) und vor dem Bundesparteitag um seinen Ruf als Stimme der Einheit der Partei besorgt war, zuckte er aber bald vor einer echten Konfrontation zurück. Zumal die öffentliche Stimmung der Kanzlerinnenlinie zuneigte.
Laschet gibt endültig eine sachpolitischen Position auf, die trotz aller geballten medialen Unterstützung argumentativ unhaltbar wird. Er fällt Merkel, als deren Liebling er lange galt, in den Rücken. Und er hat dabei dank seiner Historie aus der ersten Welle den Vorteil, dass er dabei nicht als opportunistischer Wendehals, sondern als glaubhafter Pragmatiker mit Verständnis für zwei traditionelle Wählerklientele der Union erscheint: kleine Unternehmer und Familien.
Markus Söder dagegen, sein Konkurrent für das Kanzleramt, hat sich derart radikal als harter Anhänger des Lockdown und generell als Fanboy der Kanzlerin und Stalker der Grünen inszeniert (das machte ihm Claudia Roth tatsächlich zum Vorwurf), dass für ihn eine schnelle, offene Abkehr kaum glaubhaft ist. Das dürfte selbst für den fränkischen Meister des hemmungslosen Gesinnungswechsels und einstigen Kritiker der Merkel’schen Einwanderungspolitik nicht zu schaffen sein. Für ihn gilt wie für sein Vorbild im Kanzleramt: Man kann vom Saulus zum Paulus werden – aber dann nicht wieder zum Saulus zurück.
Laschet hat mit diesen Sätzen den Kampf ums Kanzleramt aufgenommen. Er hat dafür sowohl das Schlachtfeld (die Corona-Politik), als auch den Zeitpunkt selbst bestimmt und seinem Gegner Söder aufgezwungen. Das Abschwellen der Pandemie und der wachsende Unmut in der Bevölkerung machen ihn stärker. Falls er gewinnt, werden diese Sätze von Laschet sicher als entscheidender Schritt zur Kanzlerschaft in die Geschichte eingehen.
Sitzt er erst einmal im Kanzleramt, könnte Laschet noch auf anderen Politikfeldern demonstrieren, was er in der Corona-Politik jetzt tut. Seine einstige Anhänglichkeit an Merkel und erst recht an deren politische Positionen kann sich als ebenso allmählich wandelbar erweisen, wie deren vermeintliche Treue zu Helmut Kohl und der längst vergessenen Programmatik des Leipziger Parteitags von 2003. Die bisherigen Treueschwüre zu Merkel erscheinen wie Rituale, bei denen man im Nachhinein den schwindenden Glauben schon herauszuhören meint. „Ich glaube, das muss man nicht“, sagte er zum Beispiel im Januar auf die Frage, ob ein Absetzen von Merkel anstehe.
Laschet begann seinen Weg in die Spitzenpolitik als Paulus. Womöglich endet er als Saulus.