Wie gering der baden-württembergische Ministerpräsident die mit seinen Grünen koalierende und jahrzehntelang das Bundesland dominierende CDU schätzt, hat er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa unmissverständlich deutlich gemacht. Die Aussagen, die die Stuttgarter Zeitung zitiert, lesen sich wie Hohn gegen die Partei von Innenminister Thomas Strobl: „Sie diskutieren darüber, wofür sie stehen wollen, anstatt zu sagen, wofür sie stehen. Das ist etwas eigenartig für eine Volkspartei, die jetzt erfolgreich 16 Jahre eine Bundesregierung geführt hat. Ich weiß gar nicht, was die wollen.“ Er, Kretschmann, betrachte das alles mit einer gewissen Verwunderung. „Aber es sind nicht meine Baustellen, sondern deren.“
Aber Kretschmann meint es, so will er wohl vermitteln, gut mit der CDU, indem er ihr mehr Gefolgschaftstreue zu der von ihm bekanntlich hochverehrten Alt-Vorsitzenden Angela Merkel empfiehlt: „Wenn sie das ein bisschen sorgfältig analysieren würden, würden sie doch feststellen, dass die Probleme der CDU begannen, als sich in der Flüchtlingskrise die Hälfte der Partei auf einmal gegen die eigene Kanzlerin stellte.“
Tatsächlich „eigenartig“ war, was unmittelbar zuvor am Freitag der Innenminister und CDU-Landesvorsitzende Strobl selbst von sich gab. Er lieferte Focus-Online eine Tirade gegen die auch in Baden-Württemberg wachsende Corona-Protestbewegung, in der er von „Terror“ und einem Missbrauch der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit sprach. Wörtlich sagte er: „Eine rote Linie überschreitet übrigens auch, wer vor Wohnsitzen von Politikern aufmarschiert. So fängt Terror an, das ist Psychoterror. Das verurteile ich auf das Schärfste, das geht gar nicht.“
Und: „Wer unter dem Deckmantel eines Lichterspaziergangs durch Städte irrlichtert, wer die Meinungs- und Demonstrationsfreiheit missbraucht, hierbei gar noch Gewalt gegen diejenigen anwendet, die sprichwörtlich ihren Kopf für den Schutz dieser Rechte hinhalten, der überschreitet eine rote Linie, der verlässt den gemeinsamen Boden der Demokratie, der demoliert unsere Demokratie.“