Tichys Einblick
"Hehre Ziele"?

Klimaaktivisten und Corona-Spaziergänger – Doppelte Standards in Politik und Medien

Die Reaktionen der Regierenden aber auch eines Großteils der Meinungsmacher in den Medien auf beide Phänomene könnten unterschiedlicher kaum sein.

Screenprint: via twitter

Zwei politische Demonstrationsbewegungen sorgen derzeit für Aufregung. Die einen gehen „spazieren“ gegen die Corona-Politik der Regierenden, die anderen blockieren Autobahnen, um die Regierungen zu einer noch radikaleren Klimaschutzpolitik zu bewegen. Die Reaktionen der Regierenden aber auch eines Großteils der Meinungsmacher in den Medien auf beide Phänomene könnten unterschiedlicher kaum sein.

Ersteren schlägt von Anfang an geballte Abneigung entgegen. In vielen Städten werden Demonstrationen verboten und mit enormem polizeilichen Aufwand aufgelöst. Unangemeldete „Spaziergänge“ werden oft auch in den Medien als von vornherein illegal dargestellt, obwohl das Grundgesetz eindeutig ist: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“ Im zweiten Satz dieses Artikels 8 steht allerdings auch: „Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.“

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Den Teilnehmern wird oft pauschal vorgeworfen, sich mit „Reichsbürgern“ oder anderen Extremisten gemein zu machen. Diese Unterstellungen kommen von den höchsten Repräsentanten des Staates, nicht zuletzt vom Bundespräsidenten. Steinmeier nennt sie „sogenannte Spaziergänger“, die, wenn sie „von einer ‚Corona-Dikatur‘ schwurbeln“ nur „Verachtung für staatliche Institutionen“ zeigten. Und diese Abneigung wird von den meisten Meinungsmachern in den Medien geteilt. In den allabendlichen Talkshows oder anderen Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind Teilnehmer dieser Spaziergänge nicht vertreten. Weder Kanzler Scholz noch Bundespräsident Steinmeier, weder ein Bundesminister noch ein Ministerpräsident hat bislang das öffentliche Gespräch mit den Spaziergängern gesucht. Man spricht über sie, aber nicht mit ihnen.

Welch Gegensatz zur Klimaschutz-Bewegung, besonders „Fridays for Future“, die sich vor öffentlicher Aufmerksamkeit und Politiker-Zuneigung kaum retten kann! Deren Ikone Greta Thunberg ist bekanntlich mit zahllosen Regierungschefs zusammengetroffen, nicht zuletzt Merkel. Ihre deutsche Vertreterin Luisa Neubauer ist häufiger Gast in Talkshows und gern gesehener Interviewpartner.

Auch die rabiaten Blockade-Aktionen der „letzten Generation“, die im Gegensatz zu Corona-Spaziergängern Hunderttausenden Bürgern den Alltag erschweren, haben nicht nur große Nachsicht von der rot-rot-grün regierten Berliner Polizei erfahren, sondern auch Verständnis und Sympathiebekundungen von der Bundesumweltministerin, ja sogar aus Teilen der CDU.

Besonders auffällig ist auch die Behandlung in den Medien. Der RBB hat eine Aktivistin der „letzten Generation“, die nach einer Straßenblockade sechs Stunden in Polizeigewahrsam verbrachte, gemeinsam mit einem Berliner CDU-Politiker ausführlich zu Wort kommen lassen. Der CDU-Politiker sprach dabei von „hehren Zielen“, kritisierte nur sanft die Methoden.

In diesen „hehren Zielen“ ist wohl auch die Erklärung für die offenkundigen doppelten Standards in Politik und Medien gegenüber beiden Bewegungen zu finden. Ihre Legitimität wird an ihren politischen Zielen bemessen, die offenkundig im Politik- und Medienbetrieb geteilt werden. Wer wie die „letzte Generation“ nach radikalen Maßnahmen für den Klimaschutz ruft, kann mit Wohlwollen und Nachsicht rechnen, auch wenn die Methoden noch so rabiat oder sogar rechtsbrecherisch sind. Umgekehrtes gilt für Kritiker an der Corona-Politik.

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