Bei der Bundesregierung scheinen die letzten Hemmungen gefallen zu sein, wenn es um die nachträgliche Umwidmung von Kreditermächtigungen geht. Schulden also, die aufzunehmen der Gesetzgeber der Regierung zu einem bestimmten Zweck genehmigte, werden von dieser nun zum zweiten Mal innerhalb nicht einmal eines Jahres für einen völlig anderen Zweck verwendet. Die Kreditermächtigung ist in beiden Fällen dieselbe: Es geht um den Wirtschaftsstabilisierungsfonds, vulgo auch Corona-Fonds genannt. Die Kredite wurden längst nicht alle benötigt. Statt auf die Kreditaufnahme zu verzichten, hat Finanzminister Christian Lindner aber schon kurz nach seiner Amtsübernahme im Dezember rund 60 Milliarden Euro bewilligte Kreditaufnahme in den sogenannten Klimafonds umgebucht. Er sprach von einem „Booster für die Volkswirtschaft“, man könnte es auch einen verfassungsrechtlich höchst fragwürdigen Taschenspielertrick nennen. Die Union hat eine Verfassungsklage erhoben.
Nun macht die Bundesregierung offenbar ein ähnliches Manöver noch einmal, um Energieversorgern beizuspringen, wie das Handelsblatt unter Berufung auf „Regierungskreise“ berichtet. Die staatliche Förderbank KfW soll den Unternehmen direkte Liquiditätshilfen und Garantien zukommen lassen, die aus den Kreditermächtigungen für den Corona-Fonds stammen. Laut Angaben des Handelsblatts geht es um „Kreditermächtigungen im Umfang von rund 67 Milliarden Euro“. Eine entsprechende Formulierungshilfe für die Bundestagsfraktionen will das Kabinett am Mittwoch beschließen. Der Bundestag soll also das fragwürdige Manöver durchwinken, indem er seine eigene Ermächtigung auf Vorschlag der Bundesregierung nachträglich korrigiert.
Die Fragwürdigkeit dieses Manövers entscheidet sich nicht daran, ob die Unternehmen diese Hilfen wirklich brauchen. Der Sündenfall, den Lindner nun wiederholt, ist vielmehr die leichtfertige Umwidmung von parlamentarisch legitimierten Kreditermächtigungen von einem Zweck zum anderen. Wenn das Schule macht – und die schnelle Wiederholung des Manövers spricht dafür –, ist nicht weniger als das Königsrecht des Parlaments, nämlich seine Budgethoheit und damit ein wesentliches Element der Volkssouveränität, beschädigt. Dann kann die Regierung künftig unter einem Vorwand Schulden machen, um womöglich ganz andere Ziele zu verfolgen. Und der Bundestag erscheint dabei wie ein williger Abnicker der Winkelzüge der Bundesregierung.