Tichys Einblick
Geimpfte und Nicht-Geimpfte

Kanzleramtsminister Braun spricht zu Bürgern wie zu Gefängnisinsassen

Helge Braun macht den Bürgern so offen wie nie zuvor klar, dass sie ohne Impfung nur noch Bürger zweiter Klasse sein und keine vollen Freiheitsrechte mehr haben werden.

Helge Braun

IMAGO / Christian Spicker

„Die Sprache ist dem Menschen gegeben, um seine Gedanken zu verbergen“, wusste Napoleons lasterhafter und kluger Außenminister Talleyrand. Für Angela Merkels Kanzleramtsminister Helge Braun gilt das offensichtlich nicht. Er hat ziemlich offen gesagt, wofür er die Bürger des Staates hält, den er mitregiert. Gegenüber dem Journalisten Michael Bröcker sagte der oberste Koordinator der Corona-Politik jetzt: „Wer geimpft oder genesen und dann gegebenenfalls nachgeimpft ist, der bekommt seine Freiheit zurück.“

Was man zurückbekommt, das hat man vorher verloren oder entzogen bekommen. „Freiheitsentzug“, so lautet der juristische Fachterminus für eine Gefängnisstrafe. Wie ein Gefängnisdirektor oder Strafrichter über Verurteilte oder Inhaftierte spricht da also ein Minister über die Bürger, denen er als Regierungsmitglied verantwortlich ist.

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Und wer sich nicht impfen lässt? „Der muss damit rechnen, dass mindestens eine regelmäßige Testpflicht zur Teilnahme am öffentlichen Leben erforderlich ist.“ Die Teilnahme am öffentlichen Leben wird also von einem Regierenden unter seine Bedingungen gestellt. Der Mensch ist bekanntlich ein soziales Wesen, ihm die Teilnahme am öffentlichen Leben zu entziehen, greift ins Menschenrecht in einem ganz grundsätzlichen Sinne ein – das muss man nicht einmal mit einer Menschenrechtscharta begründen. Es wird also künftig in Deutschland zwei Arten von Menschen geben. Und das sagt Braun auch ganz offen: „Es wird einen Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften geben.“

Es gibt aus medizinischer Sicht sehr gute Argumente, sich gegen Corona impfen zu lassen. Ich selbst habe es übrigens auch getan. Aber ein Minister, der offen die Spaltung der Bürger in zwei Gruppen unterschiedlicher Rechte erklärt und sie damit de facto fast zu einer Handlung zwingt, die ihr Intimstes, nämlich den eigenen Körper, betrifft, der weiß entweder nicht, was er da sagt, oder er untergräbt wissentlich die Grundlagen der freien Bürgergesellschaft.

Wie sehr das öffentliche Bewusstsein für diese Grundlagen der Bürgergesellschaft geschwunden ist, vor allem das der politischen Klasse, deren Exponent Braun wie kaum ein anderer ist, zeigt der Blick zurück auf die frühen 1980er Jahre. Damals wurde eine neue Virus-Krankheit bekannt, die zwar sehr viel weniger leicht übertragbar, aber auch sehr viel tödlicher war und ist als Corona in allen Varianten: HIV/AIDS. Glücklicherweise wurden damals alle auch nur ansatzweise aufkommenden Ideen der staatlichen Separation oder irgendwie gearteten Brandmarkung von Infizierten schon im Keime erstickt. Obwohl auch damals Medien wie der Spiegel nicht an Alarmismus sparten („Droht eine Pest? Wird Aids wie ein apokalyptischer Reiter auf schwarzem Roß über die Menschheit kommen? Ist eine moderne Seuche in Sicht, die sich zu Tod, Hunger und Krieg gesellen wird, wie einst im Mittelalter?„) blieb der Kampf gegen HIV bis heute ein vornehmlich medizinischer. Die politischen Vorgaben waren und bleiben glücklicherweise gering. Infizierte werden nur anonymisiert an die Gesundheitsämter gemeldet. Kein Minister forderte ernsthaft, AIDS-Infizierten Freiheiten zu entziehen. Wo es um AIDS ging, sah und sieht der Staat seine Aufgabe neben der Finanzierung der Forschung vor allem in der Aufklärung.

Womöglich war es die Ursünde nicht nur der deutschen Politik in der ausgerufenen Corona-Pandemie, ihre Bekämpfung zu einer vornehmlich politischen Aufgabe zu erklären. Was man Politikern anvertraut, geben sie für gewöhnlich nicht freiwillig zurück.

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