Tichys Einblick
CDU nach AKK

Jetzt kommt die WerteUnion unter Druck

SPD, Grüne und Linke treiben die CDU vor sich her: Sie soll sich von der WerteUnion, der letzten Bastion des Konservatismus, lossagen. Und nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer versendet schon demütig Signale, dass diese ohnehin nicht dazu gehöre.

Michele Tantussi/Getty Images

Wer beide Pressekonferenzen – die der scheidenden CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und des SPD-Zwiegestirns Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken (sie hatte ihre Stimme verloren) – nacheinander anhörte, konnte die thematische Schnittmenge nicht überhören. Diese betraf das nächste Opfer, das die CDU ihrer Koalitionspartnerin wohl bringen soll. Das ist die WerteUnion. Die Vereinigung der Konservativen und Wirtschaftsliberalen innerhalb der Union ist für Merkel und die mit ihr Regierenden ein Stachel im Fleisch – denn mit ihrem vernehmbaren Widerspruch erinnert sie immer wieder daran, dass die Kanzlerinnenpartei sich selbst programmatisch ausverkauft und den Forderungen der ihrerseits untergehenden SPD und der aufsteigenden Grünen unterwirft.  

Die WerteUnion, dieser lästige Störenfried, soll jetzt aus Anlass der thüringischen Ereignisse offenbar ausgeschaltet werden. Das erste Vorbereitungsfeuer schossen schon vor Bekanntwerden von AKKs Rücktritt die üblichen Übereifrigen des merkelschen Machtapparates. Zum Beispiel der frühere CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok. Er fordert „klare Kante gegen Abweichler“. Er nannte die WerteUnion gegenüber der Welt „ein Krebsgeschwür“ und: „so etwas muss man mit allen Mitteln bekämpfen“. Das ist eine Wortwahl, die an diejenige totalitärer Regime erinnert. Als „Abweichler“ wurden zum Beispiel in der frühen Sowjetunion die Opfer der so genannten „Säuberungen“ diffamiert. Auch die Metapher „Krebsgeschwür“ für politische Gegner lässt sich sowohl bei Hitler und anderen Nationalsozialisten, als auch bei Stalin und Trotzki belegen.  

Sekundiert wird diese Haltung in der Presse. Etwa durch einen Kommentar in der Süddeutschen Zeitung, in dem es heißt, Kramp-Karrenbauer müsse „endlich einen Trennungsstrich zwischen ihrer Partei und Maaßens Leuten ziehen. Denn die WerteUnion und die Werte der CDU passen nicht mehr in eine Union.“ Über den Thüringer CDU-Bundestagsabgeordneten Mark Hauptmann, der per Twitter Anweisungen und „Denkverbote“ kritisiert hatte, die „jetzt wieder aus einer Machtzentrale“ kämen, hieß es in der Süddeutschen: „Hauptmann ist kein AfD-Mitglied, sondern sitzt für die CDU im Bundestag.“ Die Botschaft ist klar: Wer Merkel kritisiert, ist AfD-nah, also untragbar.

Im CDU-Bundesvorstand soll Fraktionschef Ralph Brinkhaus, einst gegen den Willen der Kanzlerin gewählt, nach Informationen von Bild gesagt haben: „Die Leute von der WerteUnion gehören nicht zu uns.“ Anscheinend wurde dort sogar über einen Beschluss zur Unvereinbarkeit der WerteUnion mit der CDU diskutiert. 

Und dann, kurz darauf in ihrer Pressekonferenz sagte Kramp-Karrenbauer auf Nachfrage: Es sei „im Bundesvorstand sehr sehr deutlich geworden, dass Mitglieder der WerteUnion, die an der ein oder anderen Stelle nicht einmal Mitglieder der CDU sein müssen oder sind, dass wenn die davon reden, dass es Vereinbarkeiten, Annäherungspunkte, Gemeinsamkeiten mit der AfD gibt, sie sich damit von den Beschlüssen der CDU und aus meiner Sicht auch von dem Wertefundament der CDU entfernen. Und deswegen ist es die Frage, die jeder einzelne, der meint, er muss sich bei er WerteUnion engagieren, die sich jeder einzelne stellen muss, ob er damit auch Mitglied bei der CDU bleiben kann.“

Das ist also eine etwas holprig formulierte, fast an Merkel erinnernde, Aufforderung an die WerteUnion: Verlasst uns lieber gleich, sonst werdet ihr bald rausgeworfen. 

Und dann, nach AKK, treten die SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken auf – und machen unmissverständlich klar, was sie (zur Erinnerung: die kleinere Partei der Großen Koalition) von der CDU erwarten:  Es sei „sehr unsicher, wohin sich die CDU entwickelt“ und ob sie Menschen, die eine klare Abgrenzung gegen Rechts wollten, noch eine Heimat sein könne. Die Botschaft ist dieselbe, die schon im Sommer der sogenannten Koalitionskrise durchexerziert wurde: Damals verlangte die SPD von der Union, dass Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maaßen entlassen werde. Nun soll die Kanzlerinnenpartei die WerteUnion – Walter-Borjans sprach stets von „rechten Kräften“ – in die Wüste schicken. 

Im ARD-Brennpunkt nach der Tagesschau legt dann Tobias Hans, Zögling der AKK und dank ihres Umzugs nach Berlin Ministerpräsident des Saarlandes, nach. Er empfinde die „WerteUnion als Beleidigung für jedes CDU-Mitglied. Wir als CDU-Mitglieder haben Werte, unsere Politik ist auf Werten aufgebaut, deshalb braucht es keine WerteUnion.“

Wer die Funktionsmechanismen merkelschen Regierens in den vergangenen Jahren beobachtet hat, kann sich denken, wie es weitergeht. Auf lokaler Ebene hat nun offenbar neben der SPD auch die Linkspartei verstanden, wie man die CDU vor sich hertreiben kann. In Köln etwa fordert ein Linken-Politiker, die CDU „aktiv“ zu werden. Denn Ortsverbandsvorsitzender Köln-Südstadt ist der Medienanwalt Ralf Höcker, Vorstandsmitglied und Pressesprecher der WerteUnion. 

Höcker ist seit Jahren ein scharfer Kritiker der Bundeskanzlerin. Gegenüber TE wehrt er sich gegen die Aussagen von Elmar Brok: „Was soll man von „Parteifreunden“ halten, die einen als „Krebsgeschwür“ bezeichnen? Das ist einfach nur widerwärtig. Die WerteUnion reicht allen in der Union die Hand, auch den Spaltern und Hetzern. Wir sind gekommen, um zu bleiben und wir werden täglich mehr.“

Versöhnliche Töne kamen auch vom Vorsitzenden der WerteUnion, Alexander Mitsch. Er dankte der scheidenden Parteivorsitzenden für „positive Impulse“. Die CDU dürfe „jetzt nicht den Fehler machen, sich von der ungezügelten linken Agitation zerreiben zu lassen, die wir seit der Wahl Thomas Kemmerichs erleben. Die größte Herausforderung für den neuen Parteivorsitzenden wird es sein, wieder konservative Wählergruppen an unsere Partei zu binden, die wir durch die politischen Fehler der vergangenen Jahre an die AfD verloren haben.“

Leichter, als solche Wähler zurück zu gewinnen, dürfte es für regierende CDU-Politiker sein, in Koalitionen mit SPD oder Grünen – und vielleicht demnächst auch der Linken – einfach weiter zu regieren. Zumal wenn das Durchsetzen eigener Positionen ohnehin keine Priorität hat, weil es sie gar nicht mehr gibt. Aber ob die CDU den offenen Bruch mit den in der Partei verbliebenen Konservativen, vielleicht sogar deren Abspaltung, ohne weitere fatale Wahlverluste verkraften würde, ist mehr als fraglich. Danach würde die Union endgültig zu einem intellektuellen und bald wohl auch politischen Untoten.

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