Tichys Einblick
Feministische Außenpolitik

Hygieneartikel und Barrierefreiheit: Die Revolution der Annalena Baerbock

Außenministerin Annalena Baerbock hat die lange Reihe ihrer bizarren Auftritte fortgesetzt. Bei der Vorstellung ihrer neuen Leitlinien einer feministischen Außenpolitik machte sie mit großen Zielen und abwegigen Details deutlich, was sie als Weltinnenpolitikerin umtreibt.

Annalena Baerbock, Bundesaußenministerin, und Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 01.03.2023 nach der Kabinettssitzung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin

IMAGO / Christian Spicker

Annalena Baerbock unterschätzt sich womöglich selbst. „Wir rufen keine Revolution aus“, sagte die Außenministerin zur Vorstellung ihrer zuvor im Bundeskabinett gemeinsam mit Entwicklungsministerin Svenja Schulze eingebrachten Leitlinien einer „feministischen Außen- und Entwicklungspolitik“. Aber genau das ist es durchaus: nicht weniger als eine Revolution, also eine grundlegende Veränderung, ein Bruch mit der bisherigen Normalität. 

Und das ist in der Außenpolitik der meisten Staaten sehr selten. Denn noch mehr als jedes andere Ressort ist die Außenpolitik von längerfristiger Kontinuität geprägt. Es geht da um Interessen von Staaten gegenüber anderen. Um die ging es Außenpolitikern bislang jedenfalls in erster Linie. Diese außenpolitischen Interessen und ihre Konzepte haben sogar die radikalsten Revolutionen überlebt. Zum Beispiel war die französische Außenpolitik vor 1789 ähnlich auf Expansion nach Osten (mindestens bis zum Rhein) gerichtet, wie danach unter den Jakobinern und Napoleon. Die sowjet-russische Außenpolitik unter Lenin und Stalin, ja sogar Putin stand und steht weiter in der imperialen Tradition der Romanow-Zaren. 

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Von solchen historischen Überlegungen traditioneller Außenpolitikbetrachtung hat sich Baerbock mit ihrer „feministischen Außenpolitik“ nicht nur völlig freigemacht. Sie hält sie sogar nach ihren eigenen Worten für „eine Selbstverständlichkeit“. Was wiederum, wenn man Baerbocks Worte ernst nähme, bedeutete, dass ihr heutiger Auftritt und ihre Leitlinien überflüssig wären. Aber offenbar erwartet Baerbock eben selbst nicht wirklich, dass man jeden ihrer Sätze wirklich ernst nimmt. Denn „selbstverständlich“ ist es nun gerade nicht, wenn die oberste Außenpolitikerin einer Mittelmacht mit der Grundvoraussetzung der Außenpolitik generell bricht, nämlich dass sie den Zweck hat, nationale Interessen des eigenen Landes gegenüber anderen zu vertreten.

Baerbocks neue „feministische Außenpolitik“ verfolge, so verkündet sie in schnell sprudelnden Worten, einen „pragmatischen Ansatz“, es gehe dabei um „ganz normale Probleme von ganz normalen Menschen“. Sie spricht also von Außenpolitik, wie eine Lokal-, Innen- oder Sozialpolitikerin. „Weltinnenpolitik“ hat sie ja schon vorher als ihr Konzept erklärt. Und dann wieder ein echt Baerbockscher Satz: „Es geht um echte Menschen“, sagt sie, als ob es in der bisherigen präfeministischen Außenpolitik um falsche gegangen sei. Das sei „Realfeminismus“. 

Daraufhin driftet der Auftritt vor der Berliner Presse zunehmend in eine Art von politischem Surrealismus ab, der zu anderen Zeiten auch als Realsatire durchgegangen wäre. Eine deutsche Außenministerin spricht über „Sanitäranlagen in Nigeria“, die man „für Frauen nicht am Rande des Dorfes planen“ dürfe. Fast übergangslos meint sie dann, man werde „Gelder effizienter, also gendersensibel einsetzen“, als ob Gendersensibilität und Effizienz gleichbedeutend seien.  

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Dass Baerbocks „feministische Außenpolitik“ nicht zuletzt ein Karrierebooster für ehrgeizige deutsche Diplomatinnen werden dürfte, hatte schon ihr Parteifreund, der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour, im Vorhinein deutlich gemacht. „Es gab in den letzten Jahrzehnten eine massive Reihe von hoch qualifizierten Frauen, die nicht nach vorne gekommen sind, aus strukturell sehr, sehr alten Gründen“, sagte er den Sendern RTL und ntv. „Und das wird jetzt aufgebrochen.“ 

Bemerkenswert ist, welche Vorbilder sich Baerbock dabei nimmt. Unter den Ländern, die sich eine feministische Außenpolitik vorgenommen hätten, nannte sie neben Spanien zum Beispiel auch die Mongolei. Und ausdrücklich nannte sie Ruanda, wo mehr als die Hälfte der Parlamentsabgeordneten Frauen sind. Da könne man noch etwas „lernen“, sagte sie. Dass Abgeordnete (ob weiblich oder männlich) im von Paul Kagame autoritär (aber ökonomisch ziemlich erfolgreich) regierten Ruanda wohl nicht besonders viel zu entscheiden haben, scheint Baerbock da nicht sehr zu stören. 

Wie auch ihre Kabinettskollegin Svenja Schulze, die einerseits von einer „gerechten Gesellschaft weltweit“ spricht und dann sofort vom Wasserversorgungssystem in Sambia, bei dessen Anlage mit deutscher Hilfe „Frauen in Entscheidungen eingebunden“ gewesen seien, wechselt auch Baerbock immer wieder von universellen Zielen und Ansprüchen überleitungslos in bizarre Details. Feministische Außenpolitik soll offenbar zugleich die ganze Welt retten und Sanitäranlagen den richtigen Platz zuweisen. Es geht aber auch in der anderen Richtung: Aus der nachvollziehbaren Forderung, dass bei Friedensmissionen weibliche Soldatinnen notwendig seien, um Leibesvisitationen bei Frauen zu machen, folgert Baerbock: „Das heißt, ein starker Anteil von Frauen in Armeen erhöht die Sicherheit für eine gesamte Gesellschaft, auch für die Streitkräfte selber.“ Nach dieser Logik sollte man sich wohl fragen, warum zum Beispiel die Ukraine ihre Armee nicht ganz und gar in Frauenhände legt. 

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Die Vorliebe für das ganz Große und das ganz Kleine, macht Baerbock in einer langen Ausführung über die Auswirkungen feministischer Außenpolitik auf humanitäre Hilfsmaßnahmen deutlich, den man durchaus einmal ausführlich wörtlich zitieren kann:

„Was ist mit Hygieneartikeln? Hygieneartikel sind selbst bei uns nicht in jedem Hotel eine Selbstverständlichkeit. Sie waren es lange Zeit zum Beispiel nicht in Flüchlingscamps, weil man nicht mitgedacht hat, dass Frauen nochmal besondere Hygieneartikel brauchen. … Oder wenn wir Dörfer wieder aufbauen, dass es einen großen Unterschied macht, ob Plätze beleuchtet sind, also Zugang zu Elektrizität da ist, weil Frauen im Dunkeln in Gebieten, die ohnehin sehr unsicher sind, nicht alleine sonst vor die Tür gehen könnten. Das klingt alles wie ’ne Banalität. Wir wissen aber aus eigener Erfahrung, dass es auch in Deutschland keine Selbstverständlichkeit ist, zum Beispiel wenn wir Straßenbahnen bauen, mitzudenken, wenn der Zugang nicht barrierefrei ist, dass das nicht nur Menschen in Rollstühlen ausschließt, sondern auch ältere Menschen, Frauen oder Männer mit Kinderwagen, wenn man ein Fahrrad mit dabei hat. Das unterstreicht, dass der Ansatz des Gender Mainstreamings, das wir in Deutschland ja in allen Politikfeldern haben, in der Außenpolitik auch ein Mehrwert für alle Menschen einer Gesellschaft ist.“ 

Die Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland sorgt also tatsächlich im Rahmen ihrer neuen Leitlinien für die Versorgung mit Hygieneartikeln und den barrierefreien Zugang zu Straßenbahnen. Wenn das keine Ansage einer Revolution ist. 

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