Wenn die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung mit dem heutigen Dienstag abläuft, werden viele Grundeigentümer diese nicht eingehalten haben. Laut Bundesfinanzministerium sind bis zum 29. Januar bundesweit nur etwa 59,77 Prozent der insgesamt erwarteten Erklärungen elektronisch übermittelt worden, dazu noch 9,09 Prozent in Papierform.
Jetzt hat Bayern als erstes Bundesland auf den letzten Drücker die Notbremse gezogen und die Frist erneut um drei Monate verlängert. Der CSU-Ministerpräsident und Stimmungswellenreiter Markus Söder wird wissen warum. Sein Finanzminister und Parteifreund Albert Füracker (CSU) sagte am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in München, man wolle niemanden ärgern, sondern das gesamte Steuerverfahren ordnungsgemäß durchführen.
Den Ärger der betroffenen Bürger in Bayern wird das ein wenig besänftigen. An der grundsätzlichen Misere, die durch die Grundsteuererklärung offenkundig wird, ändert es wenig. Die Bürger erleben ihre Steuerverwaltung und damit den Staat insgesamt als unfähig und anmaßend.
Es werden nicht nur viele Steuererklärungen (zumindest jenseits Bayerns) nach Ablauf der Frist heute ausbleiben, sondern die auf den Erklärungen beruhenden Bescheide werden auch vermutlich oft von zweifelhafter juristischer Haltbarkeit sein. Eine Verbände-Allianz aus dem Bund der Steuerzahler (BdSt), der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), dem Deutschen Steuerberaterverband (DStV) und dem Eigentümerverband Haus & Grund fordert darum in einer gemeinsamen Erklärung, die Grundsteuer-Reform vorerst auf Eis zu legen. „Bescheide zur Feststellung des Grundsteuerwertes sollten unbedingt vorläufig erlassen werden“, heißt es in dem Communiqué der Verbände. „Denn schon jetzt sind etliche Einsprüche und Klagen anhängig, die sich – aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken – erneut gegen die Berechnungsmethoden der neuen Grundsteuer richteten“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Bund der Steuerzahler, zu Bild. Nach Ansicht von Florian Köbler, Chef der Steuergewerkschaft DSTG, ist die Finanzverwaltung wegen der Grundsteuerreform und den „Entlastungspaketen“ der Bundesregierung schon jetzt „am Limit“, sagte er derselben Zeitung.
Ausgerechnet aus der Partei des Bundesfinanzministers selbst kommt schon seit Tagen der Ruf nach Nachsicht für die Immobilienbesitzer. Der finanzpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Markus Herbrand, appelliert an die Bundesländer, „auch nachträgliche Einsendungen zu ermöglichen und kulant mit Fristverletzungen umzugehen“. Der Staat wird auch jenseits von Bayern wohl kaum Strenge gegen die Säumigen (laut Eigentümerverband Haus & Grund ist ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro möglich) walten lassen können, das ist angesichts der verbreiteten Forderungen nach Kulanz absehbar. Die Steuerbehörden haben, so meldet die Tagesschau, signalisiert, dass sie zunächst Erinnerungsschreiben versenden.
Offenbarungseid des Staates über sein Digitalisierungsversagen
Das Desaster um die Grundsteuererklärung hat das Zeug, einen fatalen Prozess zu beschleunigen, der ohnehin schon nicht zuletzt durch die nunmehr offenkundigen Fehler in der Corona-Politik (Schulschließungen überflüssig, Masken unwirksam, Impfungen mit begrenzten Wirkung) in vollem Gange ist: den Verlust des Vertrauens von immer mehr Bürgern in die Fähigkeiten des Staats. Dazu trägt nicht zuletzt auch bei, dass die Abgabefrist im vergangenen Jahr vor allem deswegen verlängert wurde (ursprünglich war sie auf Ende Oktober 2022 terminiert), weil ausgerechnet staatliche Institutionen selbst nicht rechtzeitig ihre Erklärungen abgeben konnten, und ausgerechnet der Bund nun – wie durch eine parlamentarische Anfrage der CDU heraus kam – seine Erklärungen erst im kommenden September einreichen wird.
Der Staat kann also selbst nicht, was er seinen Bürgern auferlegt. Das ist ohnehin das eigentliche Thema dieser Grundsteuererklärungspflicht. Es ist ein Offenbarungseid des Staates über sein Versagen in der Digitalisierung der Verwaltung. Die Daten, die nun jeder Immobilieneigentümer in Deutschland bis heute zusammentragen musste, liegen schließlich alle in staatlichen Behörden vor. Der Staat zwingt also seine Bürger, ihm einen Verwaltungsakt abzunehmen, der eigentlich in Zeiten elektronischer Datenverarbeitung automatisiert möglich sein sollte.
Die Erkenntnis dieses Versagens an der Digitalisierung ist längst Allgemeingut. Sogar in regierungsnahen Medien wie dem ZDF weiß man: „Die Grundsteuererklärung wäre viel einfacher, wenn Deutschland bei der Digitalisierung weiter wäre“. Die Schuld am absehbaren Verwaltungsstau, der möglichen Prozessflut und den daraus resultierenden Effizienzverlusten, aber vor allem dem Verlust des Vertrauens der Bürger in ihren Staat trägt längst nicht nur die aktuelle Bundesregierung. Die Kritik von CDU-Politikern an Digitalisierungsversäumnissen im Zusammenhang mit der Grundsteuer, wie sie jetzt etwa von Gitta Connemann (Mittelstands- und Wirtschaftsunion) kommt, ist dabei billig.
Die vom Bundesverfassungsgericht gestellte Aufgabe der Grundsteuerreform datiert weit in die Regierungszeit der Merkel-Regierung zurück, nämlich ins Jahr 2018. Das Versagen hat sicher viele Gesichter. Bundeskanzler Olaf Scholz, dem die Digitalisierung geradezu aufreizend gleichgültig ist, gehört auch dazu. Beispielhaft kann man aber sicher einen Namen vorrangig nennen. Nämlich den der einstigen Digitalisierungsbeauftragten der Bundesregierung (2018-21) Dorothee Bär. Sie hätte die Grundsteuererklärung zu ihrem Thema machen können und müssen. Nichts dergleichen geschah. Es ist wohl kein Zufall, dass von ihr seither nichts zu dem Thema zu hören und lesen ist.