Bundesinnenministerin Nancy Faeser ist bislang nicht als beinharte Bekämpferin der organisierten Kriminalität aufgefallen. Bei der Vorstellung der Studie über „Sicherheit und Kriminalität in Deutschland“ zum Beispiel verlor sie darüber kaum ein Wort, sprach dafür umso mehr über das Vorgehen gegen „Hass und Hetze“ im Netz, das ihr „persönlich ein wichtiges Anliegen“ sei und auch „stärker im Alltag beachtet werden“ müsse.
Nun aber spricht sie vom Ziel, „kriminelle Strukturen zu zerschlagen und ihnen kriminelle Einnahmen konsequent zu entziehen“. Das Mittel dazu soll eine Bargeldobergrenze für den Zahlungsverkehr von 10.000 Euro sein. Es ist kein neues Vorhaben, in Deutschland wurde das schon 2016 in der großen Koalition debattiert, aber nicht umgesetzt, nachdem es deutlichen Widerstand in der Union, in der Bundesbank, aber auch in weiten Teilen der Wirtschaft gab. In der EU-Kommission gibt es Pläne für eine einheitliche Obergrenze, in den meisten EU-Ländern gibt es bereits Obergrenzen. In Italien zum Beispiel liegt sie bei 2000 Euro. Dort aber hat die neue Regierung von Giorgia Meloni das Gegenteil vor: Sie will die Grenze anheben auf 10.000 Euro.
Nur fragt man sich, wieso Faeser und viele ihrer Parteifreunde bei anderen Methoden des Kampfes gegen die organisierte Kriminalität nicht denselben Eifer zeigen. Sobald es um verschärfte Grenzkontrollen und die Erweiterung der Möglichkeiten zur Abschiebung von straffälligen Ausländern geht, ist von Faeser nichts mehr über die Notwendigkeit zur Zerschlagung von kriminellen Strukturen zu vernehmen. Deswegen ist ihr Argument für die Bargeldobergrenze so wenig glaubwürdig.
Der Verdacht ist naheliegend, dass wie schon 2016 in der großen Koalition auch jetzt wieder andere als kriminalistische Motive den politischen Wunsch nach der Bargeldobergrenze in erster Linie antreiben. Der Münchener Volkswirtschaftsprofessor Gerald Mann hatte das 2106 so formuliert: „Der ‚Krieg gegen das Bargeld’ nimmt auch in Deutschland an Schärfe zu. Die Interessengemeinschaft aus Politik, Noten- und Geschäftsbanken möchte wohl mittelfristig das Bargeld loswerden. Sichtlich wird eine Salamitaktik angewendet.“
Interessant wird auch einmal wieder das Verhalten der FDP in der Ampelkoalition sein. Immerhin twitterte der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler: „Eine Bargeldobergrenze ist Freiheitsentzug.“ Aber Schäfflers Einfluss in Partei und Fraktion, geschweige denn auf die FDP-Spitze ist eher gering.
Dass sich der Bundesfinanzminister in einer Frage, die eigentlich den Kern seines Ressorts betrifft, von Faeser vorführen lässt, ist wohl schon ein Präjudiz. Er müsste sich das von der Kabinettskollegin eigentlich verbitten (es sei denn der Vorstoß war abgestimmt). Zumal Lindner erst vor wenigen Tagen behauptet hatte, es sei „keine Rede davon, das Bargeld abzuschaffen“. Da hatte er allerdings selbst gerade seine Sympathie für das sogenannte „digitale Bargeld“ geäußert, das natürlich kein Bargeld, sondern nur eine bargeldähnlich zu gebrauchende Form des Giralgeldes ist.
Damals hatte er als frisch gewählter Parteivorsitzender gerade von Düsseldorf aus den Kampf um die Rückkehr der FDP in den Bundestag aufgenommen. Damals vermutete Lindner, dass es Union und SPD gar nicht um die Bekämpfung der Terrorfinanzierung geht, „sondern um die Kontrolle über die Sparguthaben“. Und nun, so muss man dieses Zitat wohl aktualisieren, geht es eben den Ampel-Parteien um dieselbe Kontrolle.
Lindner hat es geschafft, zu den potentiellen Kontrolleuren aufzusteigen. Da interessiert das Geschwätz eines aufstrebenden Freiheitsfreundes von gestern eben nicht mehr. Auch wenn er selbst dieser war.
Erinnern sollte man in der jetzigen Debatte allerdings auch an die Grünen und ihre damals noch hoch gehaltene Fahne des Datenschutzes. So twitterte der heutige stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Konstantin von Notz am 3. Februar 2016: „Der Versuch, nun Bargeldzahlungen massiv einzuschränken, ist ein neuer fundamentaler Angriff auf den Datenschutz + die Privatsphäre“. Auch von Notz hat nach Faesers Vorstoß diesmal nicht Stellung bezogen.