Lernfähigkeit, also die Fähigkeit, nach offensichtlichen Fehlern und berechtigter Kritik das eigene Verhalten zu ändern, sich zu korrigieren – das gehörte einmal zu den großen Stärken westlicher, freier Gesellschaften. Blickt man auf das gegenwärtige Deutschland, muss man wohl leider feststellen, dass diese Fähigkeit schwindet. Wenn die eigenen Dogmen mit der Wirklichkeit kollidieren, ziehen viele Dogmatiker daraus den Schluss, dass die Wirklichkeit nicht wahr sein kann. Als besonders lernresistent zeigen sich gerade die Grünen.
Das Phänomen Annalena Baerbock hätte der Partei eigentlich deutlich machen müssen, dass es keine gute Idee war, pauschal Frauen den Vortritt bei allen Personalentscheidungen zu lassen. Sollte man daraus nicht lernen, dass es für die eigene Partei ratsam wäre, Spitzenpositionen konsequent allein nach Qualifikation und anderen sachlichen Kriterien zu bestimmen? Wieviel besser wäre die Partei jetzt dran, wenn sich Robert Habeck nicht mehr oder weniger kampflos zurückgezogen hätte.
Nun hätte eine lernfähige Organisation aus dem großen Baerbock-Desaster und dem kleinen Saarland-Desaster sicherlich eine Konsequenz gezogen: Nie wieder soll das Geschlecht ein entscheidendes Wahlkriterium sein, es darf immer nur um die Qualifikation der Kandidatin oder des Kandidaten gehen. Davon war bekanntlich aber keine Rede. Im Gegenteil: Die Bundespartei steht weiter zu der entzauberten Baerbock, fantasiert von einer Intrige politischer Feinde – statt den eigenen Fehler zu erkennen.
Und statt im Saarland Ulrichs Wahl als Chance zu begreifen, sich vom Quoten-Geschlechter-Dogma zu befreien, heizte die Bundespartei die Kritiker gegen ihn auf (wobei es bis heute kein sachpolitilsches Argument gibt). Ein Schiedsgericht entschied schließlich, dass die Liste mit ihm an der Spitze ungültig sei. Ulrich hat seinen Rückzug bekannt gegeben. Nun wird ein neuer Landesparteitag eine neue Liste wählen, an deren Spitze eine Frau stehen wird. Doch die Grünen im Saarland sind nach der wochenlangen Schlammschlacht nur noch ein Trümmerhaufen.
Die Grünen zerstören sich also lieber selbst, als aus den eigenen Fehlern zu lernen, das Ruder herumzureißen, klüger zu werden.
Leider ist das Phänomen des sturen Nichtlernens aus Fehlern, Scheitern, Kritik keineswegs auf die grüne Partei beschränkt. Man kann dafür unzählige Beispiele aufzählen. Um nur eines zu nennen: Heute erfährt man von der Bundesarbeitsagentur erneut, was man seit Jahren wissen kann: Die vor sechs Jahren als Retter der deutschen Wirtschaft angekündigten syrischen Flüchtlinge sind zu über zwei Dritteln Hartz-IV-Bezieher. Das Wirtschaftswunder, das Politiker und Wirtschaftsmagnaten 2015 angekündigt hatten, fällt aus, die Migration ist ein gigantischer Kostenfaktor des deutschen Sozialstaats. Haben die Regierenden daraus gelernt? Haben sie die eigenen Fehlurteile revidiert? Entscheidungen rückgängig gemacht oder andere, bislang versäumte nachgeholt?