Wer tatsächlich geglaubt hatte, dass Steuersenkungen auf der Agenda der Bundesregierung weit oben ständen, wird mal wieder enttäuscht. Vor allem für den sozialdemokratischen Teil der Koalition ist das Gegenteil der Fall.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat gerade den SPD-internen Machtkampf gegen einen früheren nordrhein-westfälischen Finanzminister verloren, der in seiner Amtszeit nur durch zweierlei in Erinnerung blieb: mehrere verfassungswidrige Landeshaushalte und den juristisch zweifelhaften Ankauf von Daten über Steuerhinterzieher. Scholz weiß also jetzt, was er seiner Partei schuldig ist: Mehr Geld für den Staat. Also Schluss mit der schwarzen Null, also wieder Neuverschuldung, und zusätzlich noch mehr Steuern eintreiben, obwohl zuletzt Rekordeinnahmen zu verzeichnen waren. Ein Lieblingsprojekt derer, die seit langer Zeit bei den Jusos und nun mit Walter-Borjans und Esken in der ganzen SPD den Ton angeben, ist die Finanztransaktionssteuer. Und Scholz will sie ihnen gönnen: Umsätze von Aktien von Unternehmen mit Hauptsitz in Deutschland und einem Marktwert von über einer Milliarde sollen mit 0,2 Prozent des Umsatzes besteuert werden. Wohlgemerkt: Besteuert wird also auch der, der Verluste erleidet. Gewinne aus Aktien unterliegen ja ohnehin schon der Abgeltungssteuer.
Börsengeschäfte zu besteuern, das klingt nach Kampf gegen die „Spekulation“ und vermittelt vermutlich vielen Menschen, die sich zurecht über Auswüchse der Finanzindustrie empören, den Eindruck, hier würden nun endlich einmal diejenigen zur Kasse gebeten, die sich unrechtmäßig bereichern und die Finanzkrise ab 2007 verursacht haben.
Weder gegen intransparente Finanzprodukte, noch gegen die geringe Eigentkapitalausstattung der Banken wird aber Scholz’ Transaktionssteuer etwas ausrichten. Den Dschungel der Derivate zu lichten und viel strengere Eigenkapitalvorschriften für Banken – das wären vorbeugende Maßnahmen gegen neue Finanzkrisen. Andere Länder bereits sinnvollerweise zusätzliche Abgaben auf Fremdkapitalfinanzierung eingeführt. Nicht der Aktionär selbst gehört besteuert, sondern die Finanzdienstleister. In Dänemark etwa gibt es eine Steuer, die sich auf deren Lohn- und Boni-Summen bezieht. Auch der Internationale Währungsfonds IWF empfiehlt eine solche „Finanzaktivitätssteuer“.
Die von Scholz geplante Steuer könnte sogar, wie Fuest sagt, spekulative Preisausschläge verstärken, wenn sie dazu führt, dass die Umsätze am Aktienmarkt insgesamt sinken. Je geringer die nämlich sind, desto stärker wird der Einfluss einzelner großer Akteure auf die Preisbildung. Scholz will Kleinaktionäre in Mithaftung nehmen für die Schäden, die die Großen anrichten.
Außerdem: Aktien sind bekanntlich genau jenes Eigenkapitel, an dem es vor allem in Deutschland und vor allem in der Finanzwirtschaft ja mangelt. Die Besteuerung von Aktienhandel erhöht also die Attraktivität von Fremdkapital für Geber und Nehmer, also von weiterer Verschuldung.
Und der Koalitionspartner? Vom hessischen CDU-Finanzminister Thomas Schäfer kam zwar deutliche Kritik an Scholz’ Plänen – mit ähnlichen Argumenten wie den oben genannten: „ Nicht Spekulanten, sondern die kleinen Aktiensparer werden zur Kasse gebeten. Für mich ist dies in einer Zeit ohne Zinsen das falsche Signal.“ Aber die Kanzlerin selbst und ihre Parteifreunde in der Bundestagsfraktion haben in den vergangenen 14 jähren wahrlich oft genug bewiesen, dass sie im Ernstfall kaum mehr als Verzögerung und minimale kosmetische Änderungen gegen den kleineren Koalitionspartner durchsetzen.