Tichys Einblick
Landtagswahlen in NRW

Die CDU hat nur scheinbar, die Grünen wirklich gewonnen

Der „Regierungsauftrag“ für die CDU ist eine Illusion. Schon nach den ersten Hochrechnungen umschwärmen Vertreter aller Parteien die Grünen. Nun beginnt das Werben um deren Gunst. Die des WDR haben sie ohnehin, wie auch an diesem Wahlabend wieder überdeutlich wird.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst, 15.05.2022

IMAGO / Political-Moments

In der frühen Wahlberichterstattung des WDR nach 18 Uhr wurde deutlich, wer nur scheinbar die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewonnen hat – nämlich die CDU – und wer tatsächlich das Heft in der Hand haben wird – nämlich die Grünen. Letztere werden so gut wie sicher in der nächsten Regierung sitzen und können sich vermutlich aussuchen, ob sie Hendrik Wüst von der CDU oder Thomas Kutschaty von der SPD zum Ministerpräsidenten machen. Und egal, wer von beiden es wird – er wird ihnen sachpolitisch alle wichtigen Wünsche erfüllen. Dass beide dazu gewillt sind, ist in diesem ausgesprochen unkonfrontativen Wahlkampf schon klar geworden. Wüsts CDU hat alles vermieden, was als Affront gegen die Grünen erscheinen könnte.

Das Werben der Schein-Gewinner um die Gunst der eigentlichen Gewinner dieser Landtagswahl begann sofort nach den ersten Hochrechnungen. CDU-Generalsekretär Mario Czaja spricht von einem „Regierungsauftrag“ für die CDU in Nordrhein-Westfalen, Ministerpräsident Hendrik Wüst kurz darauf auch. Das ist so ein Lieblingsbegriff von Parteipolitikern nach Wahlen. Aber es ist ein Begriff, der weder im Grundgesetz noch in der Landesverfassung von NRW steht. Es gab schon oft Ministerpräsidenten und Kanzler, die nicht von der größten Fraktion unterstützt wurden – aber eine ausreichend große Koalition hinter sich hatten.

Czaja weiß das natürlich. Und es ist vermutlich kein Zufall, dass er sogleich auch einen Glückwunsch an die Grünen ausspricht und von der „guten Arbeit“ der grünen Minister in Berlin, die „Rückenwind“ gegeben habe, schwärmt. Das ist schon außergewöhnlich für den Generalsekretär einer Oppositionspartei, also jemanden, der eigentlich zur Kritik der Regierung berufen ist.

Auch Johannes Vogel von der FDP gratuliert den Grünen vor der WDR-Kamera „ganz besonders und ganz heftig“ mit breitem Lächeln, das überhaupt nicht zum Wahlergebnis seiner Partei passt. Aber schließlich kann es ja auch in Düsseldorf noch zu einer Ampel kommen. SPD-Gesundheitsminister Karl Lauterbach beglückwünscht die Grünen nicht weniger enthusiastisch, das sei eine „besondere Leistung“. Und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert will die SPD gar nicht als den Verlierer akzeptieren, als den sie CDU-Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn gerade darstellte. Er machte klar, dass die NRW-SPD mit den Grünen sondieren werde, wenn es rechnerisch reicht.

Und der WDR selbst macht natürlich auch klar, dass die Grünen, nun in Düsseldorf bestimmen werden wo es langgeht, weil sie bisher in Berlin so großartig regiert haben. „Ist das ein Zeichen der Anerkennung für das Krisenhandeln der beiden Minister Habeck und Baerbock?“, fragt die ARD-Journalistin die Bundesvorsitzende Ricarda Lang. Wenn man eine solche Meinungs-Vorlage denn als Frage bezeichnen will. Und die spricht von „Antworten auf der Höhe der Zeit“. Die Reporterin setzt noch einen drauf: „Inwiefern werden Sie als Grüne ihre aktuelle neue Stärke nutzen, um ihre originär grünen Ideen noch weiter nach vorne zu bringen in der Ampel?“ Da blendet die Redaktion zurück ins Studio nach Düsseldorf. Aber eine Antwort war ohnehin nicht mehr notwendig. Die Reporterin hat ja alles gesagt.

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