Tichys Einblick
Hiobsbotschaft im Wirtschaftskrieg

Der Rekordgewinn von Gazprom illustriert auch Deutschlands Schwäche

Putins Gaskonzern fährt einen riesigen Gewinn ein und zahlt direkt auf seine Kriegskasse ein. Bittere Nachrichten für den Westen und Deutschland.

Gazprom-Logo an einer Raffinerie in Moskau

IMAGO / SNA

Die Nachricht aus der St. Petersburger Gazprom-Zentrale sind eine Katastrophe für den Westen und insbesondere für Deutschland. Russlands staatlicher Gas-Konzern hat im ersten Halbjahr einen Rekord-Gewinn von 2,5 Billionen Rubel (umgerechnet 41,63 Milliarden Euro) eingefahren und zahlt seinen Besitzern, also allen voran Putins Regime eine satte Zwischen-Dividende. Damit landen wohl rund zehn Milliarden Euro zusätzlich in Putins Kriegskasse – vor allem wegen der massiv gestiegenen Preise für Gas und Öl.

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Es ist die zweite Hiobsbotschaft innerhalb weniger Tage für den Westen: Trotz der scharfen Sanktionen leidet die russische Wirtschaft offenbar weniger als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte in den Monaten April bis Juni um 4,0 Prozent zum Vorjahreszeitraum. Mag sein, dass die Daten des Statistikamtes Rosstat etwas geschönt sind, aber so schmerzhaft, wie im Westen erhofft, sind die Wirkungen jedenfalls bislang nicht. Die Wohlstandseinbußen der Russen werden wohl mittelfristig kaum genügen, um auf Putins Regime entscheidenden Druck auszuüben.

Dass ausgerechnet am heutigen Mittwoch, unmittelbar nach Bekanntgabe des Gewinns Gazprom die Nord-Stream-1-Pipeline erneut für Reparaturen dichtmacht, war zwar schon vor Tagen angekündigt, dürfte aber durchaus Teil eines geplanten Propaganda-Schlages des Kremls sein. Putin inszeniert mithilfe seines Gas-Staatskonzerns gegenüber dem Westen und vor allem Deutschland seine überlegene Stellung im Wirtschaftskrieg.

Man muss leider konstatieren: Putins Gas erweist sich bislang als schärfere Waffe als die westlichen Sanktionen. Ob das auch weiterhin so bleibt, ist schwer zu sagen. Die Hoffnungen auf einen baldigen Umsturz im Kreml bleiben, aber sie sind noch schwach. Zumindest ältere Russen kennen aus den 1990er Jahren deutlich drastischere Wirtschaftseinbrüche als den jetzigen, der Leidensdruck, der sie in die Opposition gegen Putin treiben würde, ist für russische Verhältnisse noch gering. Für Westeuropäer und vor allem für die Deutschen gilt das nicht. Ihnen steht jetzt zum ersten Mal seit Generationen eine umfassende Verarmung bevor.

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Das heißt nicht, dass die Sanktionen gegen Russland falsch waren und sind. Jetzt nachzugeben und sie zu beenden, wäre ein fatales Signal der Unterwerfung. Aber der Gazprom-Gewinn ist ein weiterer Beleg für die sträfliche Naivität der deutschen Politik und vor allem von Außenministerin Annalena Baerbock, die wie viele andere Stimmen zu Anfang des Krieges noch von einem Gasembargo gegen Russland gesprochen hatte. Ganz offenkundig hat Russland genug andere Abnehmer außerhalb Europas.

Noch unverkennbarer wird nun die fatale Position der Schwäche, in die Deutschland sich in den vergangenen Jahren durch seine energiepolitische Hasardeurspolitik manövriert hat: Wir haben kein wirksames Druckmittel gegen Russland – sondern umgekehrt. Während in der öffentlichen Energiewende-Propaganda der Eindruck erweckt wurde, der Atom- und Kohleausstieg werde durch Erneuerbare kompensiert, zeigt sich jetzt schmerzhaft, dass der Preis dafür tatsächlich die Abhängigkeit von Putins Gas war. Für diese Erkenntnis wurde ein US-Präsident namens Trump einmal vor der UNO von einem deutschen Außenminister namens Maas ausgelacht.

Zu reparieren ist der aus ideologischen Gründen (beziehungsweise Merkels Opportunismus) angerichtete Schaden nicht mehr. Aber die Regierenden könnten wenigstens endlich damit aufhören, Deutschland noch weiter zu schwächen. Dass es offenbar doch Pläne in Habecks Ministerium gibt, die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen, ist da nur ein ganz leichter Hoffnungsschimmer. Baerbocks jüngste Sprüche vom „Irrsinn“ (nicht des Ausstiegs, sondern des Weiterbetriebs!) und einer „Rolle rückwärts“ machen aber deutlich, dass die Wirklichkeit in der Bundesregierung noch immer als vernachlässigenswert betrachtet wird.

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