Laut Verband der Automobilindustrie wird der Wechsel vom Verbrennungsmotor zum elektrischen mit dem Verlust von bis zu 88.000 Stellen bis zum Jahr 2030 einher gehen. Verglichen mit der fast gleichzeitig bekannt gewordenen Horror-Prophezeiung der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ sind die 88.000 eben noch vergleichsweise tröstlich: Im Negativszenario der NPM ist von 410.000 gefährdeten Arbeitsplätzen die Rede. Der Grund dafür ist einfach: Ein Verbrennungsmotor ist deutlich reicher an Einzelteilen als ein Elektromotor (1.200 gegen rund 200 Teile) und entsprechend weniger personalintensiv ist die Fertigung.
Erst die Schreckensvisionen, dann die Rettung durch die Mächtigen. So funktioniert heute Politik. Also kamen die Meldungen sicher nicht zufällig pünktlich zum zweiten „Autogipfel“, zu dem Kanzlerin Merkel heute zunächst den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Rainer Hoffmann, und die Vorsitzenden der acht Mitgliedsgewerkschaften, und dann Bundesminister und Vertreter von Autoherstellern geladen hat.
Doch die deutsche Klimarettungspolitik ist entschlossen, dieses Herz zu transplantieren. Sie verlangt den Umstieg auf Elektromobilität, um die Welt vor der Klimakatastrophe zu bewahren. Die Bürger als frei entscheidende Konsumenten haben aber immer noch nicht genug Lust, aus freien Stücken Elektro-Autos zu kaufen. Und darum verlangt die Industrie und verlangen die Gewerkschaften, dass der Staat, also letztlich der Steuerzahler, dafür bezahlt. Sonst: Siehe obige Horrorzahlen …
Das Schöne für Gewerkschafter und Konzernchefs gleichermaßen bei der Sache ist: Diejenigen, die den Staat führen, haben gar nichts bis wenig dagegen, wie schon beim ersten Autogipfel der Kanzlerin Anfang November klar war. Denn die Regierenden Politiker (und nicht nur die!) profitieren ebenso.
Wenn Politik und Industrie-Vertreter zusammen kommen, um über „Lösungen“ für den Klimaschutz oder andere wirtschaftliche „Herausforderungen“ (für normale Sterbliche sind das Probleme) zu beraten, so kommt am Ende eben fast immer dasselbe heraus: Die Politik nutzt den Staat, um jenseits des freien Marktes mehr Geld von allen steuerzahlenden Bürgern zu nehmen und an Unternehmen und andere Bürger weiterzuleiten.
Eine mächtige Hand wäscht die andere. Die Konzerne bekommen, was jedes Unternehmen sich wünscht – Entlastung von unternehmerischem Risiko. Kaum ein Unternehmer liebt den Markt um seiner selbst willen, er liebt den Profit, seinen Profit. Wenn er fest einplanbar vom zahlungsverpflichteten Steuerzahler statt vom entscheidungsfreien, wankelmütigen Kunden kommt, umso besser. Auch Politiker, selbst solche, die den Namen „Ludwig Erhard“ gerne nostalgisch aufsagen, lieben nicht unbedingt den Markt. Wenn sie keine anderen als persönliche Machtinteressen haben, ist ihnen ein wachsender „Umsatz“ des Staates mit steigenden Steuer-Einnahmen und vor allem steigenden Ausgabemöglichkeiten der einträglichste Weg zu noch mehr Macht. Denn für das Geld der Staatsaktivität gilt, was auch für den Schmutz aus Verleumdungskampagnen gilt: Semper aliquid haeret – Es bleibt immer etwas hängen. Welch wunderbare Möglichkeiten zur Beschäftigung von planenden und koordinierenden Referenten in Ministerien und Kommissionen gibt doch diese Energiewende! All das Geld, das die Autokonzerne und nach diesem zweiten Autogipfel sicher auch betroffene Arbeitnehmer bekommen, muss von Leuten verteilt werden, die sich ihr sicheres Salär daraus abzweigen dürfen. Und die den Mächtigen in Kanzleramt und Ministerien verpflichtet sind.
Mit jedem Steuer- oder Schulden- oder auch einfach von der EZB gedruckten Staats-Euro für den Ausbau der Elektromobilität wächst das, was einzuschränken das zentrale Anliegen einer freiheitlichen Ordnungspolitik nach den Prinzipien der „sozialen Marktwirtschaft“ war: Macht. Nämlich die Macht all jener, die sich da im Kanzleramt treffen. Die Macht der Autokonzerne, die durch ihre schiere Größe als Arbeitgeber an Erpressungspotenzial gewinnen und Marktrisiken loswerden. Die Macht der Gewerkschafter, die endlich mal wieder mitreden können, und sicher auch den ein oder anderen Posten in dieser oder jener Kommission zur sozialverträglichen Abfederung politischer Eingriffe besetzen dürfen. Sodann natürlich die Macht der Regierenden, die den Geldumsatz steuern, und nicht zuletzt die Deutungsmacht derjenigen, die die ökologisch motivierten Begründungen für die große Operation liefern. Letztere müssen beim Gipfel noch nicht einmal persönlich zugegen sein. Luisa Neubauer gehört zu den größten Gewinnern.
Man kann einwenden: Die Bürger, die nicht nur (zum großen Teil zumindest) Steuerzahler, sondern auch Wähler sind, haben es ja nicht anders gewollt. Ja, das stimmt. Es kommt in der Geschichte offenbar immer wieder vor, dass Mehrheiten von Personengruppen aus freien Stücken auf ihre Freiheiten zugunsten staatlicher Bevormundung verzichten. Die vermeintliche Sicherheit vor den Unwägbarkeiten des freien Wettbewerbs ist wahrlich verlockend. Und sie erscheint umso süßer, je höher das Wohlstandsniveau ist. Ludwig Erhards Ordoliberalismus und die „soziale Marktwirtschaft“, die in erster Linie eine Wirtschaftsordnung der Beschränkung nicht nur staatlicher Planungsmacht, sondern auch großunternehmerischer Monopolmacht war, ist wohl nicht zufällig aus der kollektiven Erfahrung des totalen staatlichen Machtmissbrauchs und des materiellen Zurückgeworfenseins einer Nation erwachsen. 1948 konnten deutsche Unternehmer und Bürger nicht Sicherheit vom Staat erwarten, aber sie wollten Freiheit, um zu Wohlstand kommen zu können. Nun, nach Jahrzehnten von Freiheit und Wohlstand, und ohne die Erfahrung der verstorbenen „skeptischen Generation“ (Helmut Schelsky), die die Folgen von politischer Unfreiheit und die Mangelwirtschaft der staatlichen Planung vor 1948 noch selbst erlebt hatten, scheint die Gesellschaft ihre Immunität gegen freiheitsfeindliche, planwirtschaftliche Illusionen verloren zu haben.
Der Klimawandel ist angeblich eine heraufziehende Katastrophe. Aber selbst wenn der planwirtschaftliche staatsmonopolistische Aktionismus in Deutschland, der sich seiner als Rechtfertigung bedient, tatsächlich wesentlich zur Eindämmung dieser globalen Katastrophe beitrüge, wofür es wenig Anzeichen gibt, nicht nur weil kaum ein Land dem deutschen Weg folgt, so ist dies allzu teuer erkauft: Mit der Zerstörung der wenigen, also kostbaren, deutschen Naturlandschaften durch „Windparks“ (das Wort ist ein zynischer Euphemismus) einerseits. Andererseits mit zigtausenden, gut bezahlten Industrie-Arbeitsplätzen, deren ehemalige Inhaber möglicherweise erst recht weder Geld noch Lust haben werden, sich ein teures Elektro-Auto zuzulegen. Vor allem aber wird die ganze deutsche Gesellschaft bezahlen durch die Preisgabe der freiheitlich-marktwirtschaftlichen Ordnung. Der Preis ist zu hoch.