Die Mogelei steckt schon im Begriff selbst. Vielleicht ist das Etablieren dieses Wortes „Bürgergeld“ sogar die größte Motivation derjenigen, die es einführen. In dem Kompositum sind also die „Arbeitslosen“ durch „Bürger“ ersetzt worden.
Natürlich ist das eine Nebelkerze: Die Bürger, das waren einst in dem nach ihnen benannten Zeitalter gerade jene Menschen, die sich und ihren Angehörigen aus eigener wirtschaftlicher Kraft ein unabhängiges Leben in Wohlstand sichern konnten und sich dank einer Kombination aus materiellen und ethischen Werten – Eigentum und Freiheit als zentrale Säulen – auch den Anspruch auf politische Teilhabe gegenüber der damals sogenannten Obrigkeit erstritten. Nun aber wird nach Wunsch von Sozialminister Hubertus Heil diese bisherige Vorstellung vom „Bürger“ umgeprägt zur Bezeichnung der Empfänger sozialstaatlicher Unterstützung. Dieses Framing zielt darauf ab, das Empfangen von Staatsgeld zu normalisieren.
„Das Bürgergeld führt Menschen nicht zurück in den Arbeitsmarkt“, stellt Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger fest. Und vermutlich ist das auch gar nicht das vorrangige Ziel der Bundesregierung. Auch wenn Heils Koalitionspartner von der FDP es bestreiten: Das Bürgergeld bedeutet, wie die bayrische Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) kritisiert, „einen schleichenden Umbau hin zum bedingungslosen Grundeinkommen“. Die Bedingungen fallen (noch?) nicht ganz, werden aber deutlich gelockert. Bezeichnend für den Regierungsstil der Ampel ist auch hier die Sprachpolitik. Sie setzt ganz auf angenehme Gefühle mit Begriffen, die bislang eher im Liebes- und Familienleben Verwendung fanden: „Vertrauenszeit“ soll also künftig eine sechsmonatige Periode heißen, in der selbst offenkundige Fälle der Arbeitsverweigerung ohne Einschränkung der Hilfszahlungen von den Jobcentern hingenommen werden müssen. In Richtung bedingungsloses Grundeinkommen geht auch die zwei Jahre lange Hinnahme des Wohnens in teuren Wohnungen und die Freistellung von Vermögen.
Die Anhebung der Zahlungen wird in jüngster Zeit vor allem mit der galoppierenden Inflation begründet. Das hat natürlich für die konkret Betroffenen seine Berechtigung – auch wenn die Bürgergeldpläne inklusive Anhebung schon im Koalitionsvertrag stehen, also vor dem Anstieg der Teuerung datieren. Dass die Mehrausgaben dafür – rund 4,8 Milliarden Euro allein 2023 – anders als durch Neuverschuldung finanziert werden, ist höchst unwahrscheinlich.
„Es ist ein grandioser Irrtum, wenn ein Volk oder ein Staat glaubt, eine inflationistische Politik einleiten und betreiben, sich aber gleichzeitig gegen deren Folgen absichern zu können. Dies kommt dem Versuch gleich, sich an den eigenen Haaren hochheben zu wollen. Es gilt umgekehrt, alle Kräfte darauf zu konzentrieren, eine Inflation zu verhüten und jedes schuldhafte Verhalten, das zu einer inflationistischen Entwicklung führen könnte, vor der gesamten Öffentlichkeit zu brandmarken und dadurch zu verhindern. Die Inflation kommt nicht über uns als ein Fluch oder als ein tragisches Geschick; sie wird immer durch eine leichtfertige oder sogar verbrecherische Politik hervorgerufen.“
Genau dieses „an den eigenen Haaren hochheben“ betreibt die Bundesregierung mit dem Bürgergeld. Es ist nicht nur vergebliche Mühe, sondern verschärft das Problem noch. Dass ausgerechnet in dieser Phase der explodierenden Inflation der Staat in der Eurozone, der bislang als Grundpfeiler der Stabilität galt, nun in Taten und Worten seinen Umverteilungswillen belegt, ist nichts anderes als ein Booster für die weitere Teuerung.
Sowohl in seinen Wirkungen als auch mit dem dahinter stehenden Gedankengut widerspricht das Bürgergeld fundamental der „bürger“lichen Vorstellung vom Sozialstaat, der nur demjenigen wirklich helfen sollte, der sich nicht selbst helfen kann. Das Bürgergeld signalisiert also gerade das Ende des Bürgerstaates.