Die gute Nachricht vorneweg: Christian Lindner liest TE – oder jedenfalls sein Pressesprecher, was im Falle eines Bundesministers, der über einen großen persönlichen Mitarbeiterstab verfügt, der seine dienstliche Lektüre filtert, auf dasselbe rauskommt. Dass man manches nicht gerne liest, ist wenig verwunderlich. Zuletzt störte sich Lindners Sprecher an einem TE-Artikel über ein Interview des Ministers mit einem anderen Medium, in dem dieser angesichts des Widerstands von SPD und Grünen Abstand von Steuersenkungsplänen nahm mit dieser Aussage: „Solange es bei den Koalitionspartnern kein neues Denken gibt, konzentriere ich mich auf das Erreichbare“.
„Zu Beginn dieses Jahres werden die Bürgerinnen und Bürger eine erhebliche Senkung der Steuerlast bemerken. Eine weitere Reduzierung für Bürger und Betriebe wäre ein Beitrag, um unser Land auf den wirtschaftlichen Erfolgspfad zurückzuführen. Beispielsweise die Abschaffung des so genannten Solidaritätszuschlags wäre eine schnell wirksame Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes.
Meine Auffassung hat sich nicht verändert. Der FDP sind die Realitäten aber bewusst, dass unsere Koalitionspartner für höhere Steuern stehen. Dennoch werbe ich weiter dafür, dass sich SPD und Grüne für neues Denken öffnen. Die veränderte Wirtschaftslage erfordert andere Antworten.“
Dem Minister, so will er wohl interpretiert werden, ist also auch das wichtig, auf das er sich nicht konzentriert, nämlich weitere Steuersenkungen. Zumindest möchte er, dass Leser glauben, dass ihm das wichtig ist. Nur wirklich dafür kämpfen (also sich darauf „konzentrieren“) kann oder will er eben offenkundig nicht.
Nicht nur für potentielle FDP-Wähler drängt sich aber die Frage auf, was ein Regierungspolitiker auf seinem Regierungsposten verloren hat, wenn er sein zentrales Wahlversprechen nicht einhalten kann. Einen Regierungspolitiker, der zu wollen aber nicht zu können behauptet, kann man eigentlich nur an die Aussage eines früheren Oppositionspolitikers namens Christian Lindner erinnern, der nach Abwägung seiner Möglichkeiten am 20. November 2017 verkündete: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren“. Aber da wusste er auch noch nicht, wie angenehm man auf einem Ministersessel sitzt.