Tichys Einblick
Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen

Christian Lindner macht Witze: NRW-Wahl als „Richtungswahl“ bezeichnet

In seinem letzten Wahlaufruf erklärt FDP-Chef Christian Lindner die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zur „Richtungswahl“. Ein Blick auf die Plakat-Phrasen seiner und der anderen Parteien belegt schon, dass sie genau das eben nicht ist.

FDP-Chef Christian Lindner bei einer Wahlkampfveranstaltung in Münster, 14.05.2022

IMAGO / Rüdiger Wölk

Will sich Lindner über die Wähler in Nordrhein-Westfalen lustig machen? In einem Tweet nennt der frühere NRW-Landesvorsitzende und Landtagsfraktionschef der FDP die NRW-Landtagswahl eine „Richtungswahl“. Das tun Politiker gerne, um den Wählern zu vermitteln, dass ihre Stimme über das Schicksal des Gemeinwesens entscheide. Das ist oft übertrieben. Aber im Falle dieser Wahl erscheint die Behauptung wie ein ironischer Witz.

Laut Duden ist eine Richtungswahl eine Wahl, „von der (durch die zur Wahl stehende[n] Person[en]) eine Wende in der politischen Richtung erwartet wird“. Wohl bei kaum einer anderen Wahl ist dieser Begriff, der an Barzel vs. Brandt oder Kohl vs. Lafontaine denken lässt, so aus der Zeit gefallen wie heute in NRW, wo selbst die beiden Spitzenkandidaten bei vielen Themen nicht wussten, wie sie und ihre Parteien sich voneinander unterscheiden.

— Christian Lindner (@c_lindner) May 15, 2022

Lindner erklärt den Gegensatz von „Fortschritt oder Rückschritt“ zum Richtungsstreit. Was Fortschritt ist, kann oder muss sich der von Lindner und den FDP-Plakaten umworbene Wähler mit den Stichworten „Wirtschaftspolitik“, „Digitalisierung“ und „Bürgerrechte“ selbst herbeifantasieren. Worin sich die Wirtschaftspolitik der FDP etwa von derjenigen der Grünen oder SPD unterscheide (wohlgemerkt, die NRW-SPD erwägt den Staatseinstieg bei ThyssenKrupp! Anlass, für die Marktwirtschaft zu streiten, gibt es also), scheint belanglos. Hauptsache man schreitet fort.

Indem Linder „nach vorne“ statt „zurück“ als Richtungsfrage in NRW behauptet, bestätigt er nur die gleichförmige Langeweile dieses Wahlkampfes. Denn jene Parteien, die in Düsseldorf bisher regierten und womöglich weiter oder künftig regieren werden, verbreiteten wenige sachpolitische Forderungen (jedenfalls kaum solche, denen irgendeine andere Partei deutlich widerspräche) und dafür reichlich dasselbe: nichtssagende Phrasen über die Zukunft.

Lindners Parteifreund, NRW-Familienminister und Vizeregierungschef Joachim Stamp steht auf Plakaten neben der Parole „Wählen Sie NRW nach vorne. Nicht zurück“. Bei der SPD hat man „Morgen“ zum Wahlkampfleitwort erkoren: „Für euch gewinnen wir das Morgen“ steht auf den Plakaten, „Unser Land von Morgen“ heißt das Regierungsprogramm der NRW-SPD und Thomas Kutschaty ist der „Ministerpräsident von morgen“. Die Grünen haben aber auch Morgen zu bieten: „Visionen für morgen. Mit Plänen für heute“, verspricht Spitzenkandidatin Mona Neubaur. Bei den NRW-Grünen heißt das Landtagswahlprogramm „Von hier an Zukunft“, bei der FDP heißt es „Von hier aus weiter“.

Konsequent richtungslos ist auf ihren Plakaten auch die CDU. Sie verzichtet auf so gut wie jede sachpolitische Forderung auf ihren Wahlplakaten. „Machen, worauf es ankommt“ und „Unser Ministerpräsident. Hendrik Wüst“. Sollen das wirklich Parolen einer „Richtungswahl“ sein? Aber immerhin verzichtet die CDU im Gegensatz zu SPD, Grünen und ihrem Koalitionspartner FDP auch auf Zukunfts-, Morgen- oder Fortschritts-Kitsch.


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