Ein bekannter Journalist behauptete kürzlich: „Gegen Baerbock läuft eine klassische Desinformationskampagne.“ Dieser Autor, der so etwas wie die Inkarnation des gegenwärtigen deutschen Feuilletons ist, also ein Experte für alles, was nicht wirklich ist, aber gefälligst sein soll, hat ausnahmsweise womöglich sogar ein bißchen recht. Nur: Wenn es eine wirksame Kampagne gegen Baerbock gibt, dann geht sie weniger von anderen aus, sondern von ihr selbst im Einvernehmen mit dem Rest der Grünen. Man muss keine Fake-News über sie erfinden. Die Umstände ihres Studiums und vor allem ihr nachträglicher Umgang damit, vor allem aber ihre Auftritte, ihre Aussagen, ihre politischen Forderungen genügen vollends.
Niemand hat je behauptet und wird je behaupten können, dass Annalena Baerbock in irgendeiner Weise unsympathisch oder unangenehm sei. Aber nun kann sie eben tatsächlich Bundeskanzlerin werden. Und da kommt es nicht in erster Linie darauf an, nett und sympathisch zu sein.
Natürlich wäre ein möglicher Name für das Gesetz auch „Umverteilungsbürokratieausbaugesetz“, da schließlich die Einnahmen aus dem CO2-Preis als „Energiegeld“ (das Wort stammt tatsächlich von den Grünen) an die Bürger zurückfließen sollen. Der Effekt wäre, so Baerbock: „Wer Riesenhäuser heizt und benzinfressende Geländewagen fährt, der zahlt mit dem CO2-Preis drauf.“
Nun ist es bekanntlich so, dass gerade die Öko-Klientel der eingefleischten Grünen-Wähler besonders häufig jene „benzinfressenden Geländewagen“, alias SUV, besitzt, wie Marktforscher herausgefunden haben: Jeder sechste Grünen-Sympathisant besitzt der Studie zufolge einen Geländewagen. Man kann das auch erahnen mit Blick auf gewisse Parkplätze, zum Beispiel in Düsseldorf-Heerdt vor dem dortigen „Obsthof“, der ausschließlich Bio-Gemüse, -Obst und Fleisch anbietet.
Baerbock hat mit ihrem jüngsten Aussagen noch mal deutlich gemacht: Grüne zu wählen, also das Risiko ihrer Regierungsübernahme zu vergrößern, gehört zum Luxus, den man sich in den besseren Kreisen von Gegenwartsdeutschland gönnt. Es ist ein Tugendsignal, wie der dicke SUV oder Porsche ein Statussymbol ist. Auf steigende Preise beim Kauf oder Betanken des eigenen Audi Q7 pfeifen zu können, da man ohnehin nicht so genau weiß, was man mit seinem vielen Geld anfangen soll, ist natürlich noch viel befriedigender, als zu sehen, dass sich irgendwann auch der weniger verdienende Nachbar einen leisten kann.
Die Freude derjenigen, die kein Riesenhaus bewohnen und keinen SUV fahren, über das „Energiegeld“ einer künftigen Bundeskanzlerin Baerbock dürfte diesen bald vergehen, spätestens wenn sie ihren nächsten Mallorca-Urlaub planen.
Auch hier gilt: Die Grünen an der Macht muss man sich leisten können, um sie zu genießen. Auch die von Baerbock de facto propagierte Rückkehr zu den Zeiten, als Flugreisen ein exklusiver Luxus der High Society waren, ist nämlich selbstverständlich angenehmer, wenn man selbst dazu gehört und zusätzlich zum Fliegen dabei noch das gute Gefühl genießen kann, dass die hohen Preise das Klima retten.
Man kennt das aus der Wirtschaftsgeschichte, der deutschen allemal: Steigende Preise, also Inflation ist für Menschen, deren Wohlstand vor allem auf Vermögenseigentum beruht, das im äußersten Fall schnell in nicht-grün-regierte Wirtschaftsräume transferiert werden kann, keine so sehr beunruhigende Vorstellung wie für Menschen, die ganz und gar auf ein in heimischer Währung bezahltes Gehalt angewiesen sind, von dem am Monatsende nicht viel übrig ist.
Die Erfolge der Grünen beruhen auf den guten Gefühlen, die sie ihren Wählern vermitteln, aber ihre Politik wird für viele Menschen zu Schmerzen führen. Nicht nur, aber vor allem finanziellen. Die Deutschen werden die Inflation wieder kennenlernen, fast genau 100 Jahre nach der traumatisierenden Erfahrung von 1923. Und das diesmal sogar ganz ohne vorangegangenen Weltkrieg.
Was für einen gut bezahlten Spitzen-Feuilletonisten als „Desinformationskampagne“ erscheint, ist womöglich auch einfach die Erkenntnis, dass die Sympathie der meisten Journalisten, die zunächst Habeck und dann vor allem Baerbock ganz unverdünnt genießen konnten, deren Kompetenzdefizite vielleicht doch nicht ganz verdecken können.
Es ist überhaupt keine Schande, keinen Studienabschluss zu haben, es ist auch keine Schande, sich mit seltenen Elementen, Stromspeichermethoden, Basel-3-Vorschriften und der deutschen Nachkriegsgeschichte nicht besonders gut auszukennen. Aber mündige Bürger und Wähler, sollten sich eben klar darüber werden, dass es bei Bundestagswahlen und anschließenden Kanzlerwahlen nicht um Sympathien und Gefühle geht, sondern um ganz konkrete, nicht zuletzt finanzielle Folgen für das eigene Leben. Da sollten die gewählten Akteure schon einigermaßen wissen, was sie tun.
Die jüngste INSA-Umfrage, derzufolge die Grünen wieder einen Prozentpunkt hinter der Union liegen, könnten ein Indikator dafür sein, dass vielleicht nun doch noch vielen potentiellen Grünen-Wählern klar wird, dass Habeck und Baerbock nicht nur sympathisch rüberkommende Menschen sind, die das gute Gefühl vermitteln, so ähnlich drauf zu sein, wie man selber gerne wäre, und für Ziele eintreten, die man irgendwie gut findet. Es sind schlicht Politiker, die sich der unvermögende Lohn- oder Gehaltsempfänger eher nicht leisten kann.