Die Unionsfraktion will den Onlinehandel stärker besteuern. Genauer gesagt soll es keine Steuer sein, sondern eine Abgabe mit festgesetztem Verwendungszweck. Mit den Erlösen dieser „Paketabgabe“ soll nämlich der stationäre Handel unterstützt werden.
In der Öffentlichkeit kann sich die Union bei diesem Vorhaben wohl darauf stützen, dass der mit Abstand größte Online-Händler Amazon von sehr vielen Deutschen zwar immer eifriger zum Einkaufen von fast allem genutzt, aber dennoch oder gerade deswegen auch misstrauisch betrachtet wird. Und für beides gibt es gute Gründe. Die Antwort der Unions-Parlamentarier ist allerdings die falsche.
Aus seinem Erfolg, der sich im Corona-Jahr 2020 sehr stark gesteigert haben wird (allein im dritten Quartal 2020 ist der weltweite Umsatz von Amazon um rund 37 Prozent von rund 69,98 Milliarden US-Dollar auf 96,15 Milliarden US-Dollar gestiegen), ist Amazon kein Vorwurf zu machen. Aber dieser Reflex ist leider in der deutschen Öffentlichkeit und erst recht bei Steuerpolitikern sehr groß. Da ist also ein Sektor, der in Corona-Zeiten große Zuwächse an Umsatz und Gewinn verzeichnet – und gleich werden die Steuerpolitiker gierig.
Die CDU, einst Partei Ludwig Erhards und der Marktwirtschaft, plädiert also nun für ein Paradebeispiel des staatlichen Steuerinterventionismus. Es ist eine Intervention als Folge einer vorangegangenen Intervention, aber das macht es nicht besser: Erst verordnet der Staat dem stationären Einzelhandel auf Grund der Corona-Pandemie das Geschäft weitgehend einzustellen, dann stimuliert er dessen (frühere) Kunden mit reduzierter Mehrwertsteuer zum Konsum und treibt sie damit in die Arme der Online-Händler, also in erster Linie Amazons. Nun scheint der intervenierende Staat (beziehungsweise die Unions-Parlamentarier) darüber einen riesigen Schecken bekommen zu haben. Und jetzt will er den Profiteuren, nämlich den Online-Händlern mit dem Giganten Amazon an deren Spitze das Stimulationsgeld nehmen, um es den Leidtragenden zu geben.
Wenn der Staat Geld von einer Tasche in die andere steckt, ist dafür gesorgt, dass für den Umverteiler selbst – also die Staatsbürokratie – was überbleibt: nicht nur Geld, sondern vor allem die Rechtfertigung der eigenen Existenz als Umverteiler. So wächst der Staat, indem er interveniert: Aus selbstverantwortlichen Einzelhandels-Unternehmern werden dadurch zumindest teilweise staatsabhängige Alimentierte. Und der Staat wird zum de facto Mitinhaber der deutschen Einkaufsstraßen. Für manchen Einzelhändler ist das vielleicht eine verlockende Vorstellung: Der allabendliche Blick in die Registrierkasse kann entspannter werden, wenn der Staat allmonatlich einen gesicherten Betrag zuschießt. Aber mit Unternehmertum hat das dann dementsprechend immer weniger zu tun.
So wird langsam und allmählich aus einer Marktwirtschaft, in der eigenverantwortliche Akteure Entscheidungen treffen und Risiken tragen, ein System der immer weiter zunehmenden umfassenden Absicherung, oder genauer: des illusorischen Versprechens kollektiver Sicherheit. Letztlich kann dieses Versprechen aber eben nur eine begrenzte Zeitlang aufrecht erhalten werden: durch Verschuldung und Geldschöpfung aus dem Nichts. Solange wie die Wirtschaftsakteure glauben, dass das neue Geld dasselbe sei wie das bisherige, obwohl ihm keine erwirtschafteten Werte zugrunde liegen. Wenn dieser Glaube weg ist, ist der Spuk aus.
Eine an bürgerlicher und unternehmerischer Freiheit orientierte Ordnungspolitik in der Tradition Erhards würde das Wachstum des Onlinehandels und die besondere Rolle des Unternehmens Amazon in diesem Sektor nicht als Aufforderung für die Einführung einer neuen Abgabe betrachten, sondern als Aufgabe für die Kartellbehörden – auch auf europäischer Ebene natürlich. Nicht der finanzielle Erfolg eines Unternehmens sollte den Staat auf den Plan rufen, sondern seine daraus erwachsende Marktmacht. Diese muss durch den Staat eingeschränkt, im äußersten Fall zerschlagen werden. Das ist allerdings für die Akteure des Staates keine Aufgabe, bei der für sie selbst besonders viel abfällt. Steuern zu erheben macht staatlichen Stellen meist mehr Freude.
Der Plan einer „Paketabgabe“ zeigt auf besonders erschreckende Weise, dass man in der CDU Ludwig Erhard und mit ihm die Grundlagen des Erfolges der sozialen Marktwirtschaft offenbar völlig vergessen hat.