Tichys Einblick
Neuer Comic von Neubauer

Luisa malt ein Buch

Das Postergirl der deutschen Apokalyptiker monetarisiert den eigenen Namen und präsentiert einen „Klima-Atlas“. Die „80 Karten für die Welt von morgen“ vertiefen grafisch das Geschäftsmodell der Luisa Neubauer: plakative Panikmache. Es ist ein Angebot für Angstneurotiker mit Leseschwäche.

Luisa Neubauer und Katrin Göring-Eckardt mit dem neuen Buch "Klima-Atlas", Erfurt, 25. August 2024

Seien wir ehrlich: Zusammenhängende sprachliche Argumentation ist nicht jedermanns Sache. Vom großen Karl Kraus wissen wir: „Es genügt nicht, sich keine Gedanken zu machen. Man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“

Derart veranlagte Menschen schreiben auf der aktiven Seite selten längere Texte, und auf der passiven Seite lesen sie solche in der Regel auch nicht allzu gerne. Doch siehe, der himmlische Vater versorgt sie alle trotzdem: Für jeden Topf gibt es einen Deckel, und für Lese-Allergiker gibt es Comics.

Comics sind grundsätzlich Malbücher. Die Handlung (also des Verfassers Gedanken, so in relevantem Umfang vorhanden) vermittelt sich maßgeblich über Bilder. Der Text ist spärlich und nur Beiwerk. Entscheidend ist die optische Wirkung, nicht die sprachliche.

Grafiken sind im Prinzip auch nichts anderes als Comics: Ein Einfall wird zeichnerisch aufbereitet und bildlich verarbeitet. Ernstzunehmende Publikationen, zum Beispiel Sachbücher, bestehen deshalb auch nie nur aus Bildchen. Vielmehr haben sie einen sprachlich dargestellten Gedankengang, im Volksmund „Text“ genannt – und vielleicht zusätzlich noch ein paar Grafiken, die die Grundidee illustrieren.

Bei Luisa Neubauer ist das anders.

Deutschlands bekannteste Weltuntergangs-Prophetin wirft jetzt einen sogenannten „Klima-Atlas“ auf den Markt. Das Buch umfasst 194 Seiten, gerade mal 20 Seiten davon sind Fließtext (10,3 Prozent). Der Rest sind Grafiken (und ein paar Danksagungen). Man tut dem Werk also schon rein formal kein Unrecht, wenn man es eher als Comic versteht.

Mit einem durchaus ausgeprägten Gespür für das von ihr erreichbare Publikum hat die kühle Hamburgerin offenkundig zwei Sachverhalte erkannt: Erstens – labile Menschen, die zu Angstzuständen neigen und deshalb besonders anfällig für apokalyptische Erzählungen sind, lesen nicht gerne längere Texte. Zweitens – mit Bildern lassen sich Phobien viel besser bedienen als mit Worten.

Folgerichtig hat die inzwischen 28-jährige Berufsaktivistin kein Buch geschrieben, sondern eines gemalt. Unterstützt vom Visualisierungsexperten Christian Endt und vom Illustrator Ole Häntzschel, skizziert Neubauer in „80 Karten für die Welt von morgen“ das in Bälde bevorstehende Armageddon.

Neben den Zeichnungen stehen im Wortsinn Sprechblasen, die knappe Zusatzerläuterungen enthalten. Die Faktentreue, mit der Neubauer in diesen Kurz-Texten ihr Weltbild präsentiert, sieht beispielhaft so aus: Den Kollaps der Maya-Kultur im Jahr 800 n. Chr. schreibt das prominente Grünen-Mitglied todernst „Klimaveränderungen und Umwelt-Überbelastung“ zu.

Das steht da wirklich so.

Im Kurztext zu einer anderen Grafik wird der Atomausstieg völlig unironisch als Erfolg der Klima-Bewegung gefeiert. Dass Kernkraft die einzige wirklich klimaneutrale Energiequelle ist, wird in Neubauers lustigem Taschenbuch dagegen kein einziges Mal erwähnt. Vermutlich möchte die Autorin gewisse Erkenntnisse ihrer deutschen grünen Fan-Base lieber nicht zumuten.

Überhaupt macht Neubauer klar, dass sie moderne Technik eher als Teufelszeug – und die Zukunft der Menschheit in einer historischen Rückentwicklung sieht. Eine ihrer Grafiken teilt fiktionale Heldengestalten in Klima-Freunde und Klima-Feinde ein: Luke Skywalker aus „Krieg der Sterne“ ist hier kein Vorbild, denn er will die Welt retten „durch Zusammenhalt und die Macht der Jedi – aber leider auch durch energieintensive Raumschiffe und Laserschwerter“. Asterix dagegen gehört zu den Guten, denn er „setzt auf Technologieoffenheit mit geringem Ressourcenaufwand“.

Kein Scherz: Das ist das intellektuelle Niveau des Bändchens.

Normalerweise würde Luisas Malbuch wohl im Regal mit den Kinderbüchern landen – wenn es nicht so düster wäre. Denn natürlich pflegt Neubauer ihren Markenkern, und das heißt: Sie macht Angst. Das liest sich dann so:

• „Armut macht hitzekrank“
• „Dein Lamborghini ist meine Lungenkrankheit“
• „Tödliche Zukunft“

Die Botschaft: Wir alle sind gefangen in einer einzigen, selbstverschuldeten Hölle aus Missständen, Krisen und Katastrophen.

„Die Klimakrise in der Stadt ist längst nicht nur ein Klima-Problem. Sie ist gleichzeitig eine Gesundheitskrise, eine Sicherheitskrise, eine Kinderkrise und eine Naturkrise.“

Wer das glaubt, kann eigentlich gar nicht anders, als schwere Angstpsychosen zu entwickeln. Und, Überraschung, das passiert ja auch:

„‚Climate Anxiety‘ ist die Überschrift, unter der heute weltweit über die psychische Belastung durch die Klimakrise gesprochen wird. Gerade junge Menschen sind davon betroffen, Untersuchungen zeigen dramatische Ausmaße von sogenannter Klimaangst – nicht nur im globalen Norden, sondern recht gleichmäßig verteilt auf der ganzen Welt.“

So schreibt es Luisa Neubauer. Was sie nicht schreibt: dass sie selbst mit ihrem Geschäftsmodell der plakativen Panikmache die „Klimaangst“ vieler Menschen nicht nur nach Kräften befeuert, sondern oft überhaupt erst auslöst.

„Was wäre, wenn die ökologische Katastrophe die wohl größte Geschichte der Menschheit ist, und wir gerade erst anfangen, sie zu erzählen?“ (Komma-Fehler aus dem Original übernommen, d. Red.)

Beim Schüren von Angst greift die Hohepriesterin der Klima-Sekte nur insoweit auf ernsthafte Wissenschaft zurück, wie es den von ihr gepredigten Offenbarungen nützlich ist. Ansonsten fordert Luisa Neubauer offensiv eine Abkehr vom Erkenntnisanspruch der Wissenschaft zugunsten eines religiösen Regimes des Glaubens:

„Am Ende des Tages kommt es gar nicht darauf an, dass alle Menschen jedes letzte Molekül der Klimakrise beziffern können.“

Wie in geschlossenen Glaubenssystemen üblich, lässt sich die Verkünderin der letztgültigen ökologischen Wahrheit auch von eher ungünstigen Tatsachen nicht aus dem Konzept bringen:

„Wer sich einmal angeschaut hat, wie ungeheuer effizient eine Wärmepumpe arbeitet – der will sein Haus doch nie wieder anders heizen.“

So manch’ ein Ingenieur oder Installateur könnte an dieser Stelle sicher interessante Erfahrungswerte beisteuern, die dann aber die Erzählung in eine ganz andere Richtung lenken dürften. Deshalb verzichtet der Neubauer-Comic auch auf jede Konfrontation mit einer sperrigen Realität.

Stattdessen wird gar kein Hehl mehr daraus gemacht, dass das Klima-Thema mindestens auch (wenn nicht gar nur) ein Instrument ist, um ganz andere ideologische Ziele für eine völlig andere Gesellschaft durchzusetzen:

„Man könnte meinen, mehr Platz für Menschen statt für Autos wäre auch ganz ohne Klimakrise eine sinnvolle Maßnahme.“

Dass das Automobil die individuelle Mobilität der Menschen revolutioniert hat und dadurch für eine beispiellose weltweite Wohlstandsvermehrung mindestens maßgeblich mitverantwortlich war, erfährt der Leser des „Klima-Atlas“ nicht. Das mag auch daran liegen, dass eine moderne Gesellschaft mit wachsendem Wohlstand und den dazugehörigen Effekten – weniger Armut, längere Lebenserwartung bei besserer Gesundheit – als Ziel schlicht abgelehnt wird:

„Die Klimakrise konnte nur entstehen, weil ein Lifestyle, eine ganze Kultur rund um das Verbrennen fossiler Rohstoffe entstanden ist. Der Weg zu Status und dem ‚guten Leben‘ führte über mehr Emissionen, mehr Ressourcen, mehr Eingriffe in die Natur.“

Nun ist es aber die Natur des Menschen, in seine Umgebung einzugreifen, um die eigenen Lebensbedingungen zu verbessern. Ohne Technik keine Landwirtschaft, also Hunger (wie früher). Ohne Technik keine Viehzucht, also Mangelernährung (wie früher). Ohne Technik keine wetterfesten Häuser, also unzählige Todesfälle durch Naturereignisse (wie früher). Ohne Technik keine Medizin, also eine lächerlich kurze Lebenserwartung (wie früher).

All das kommt im gemalten Weltbild der Luisa Neubauer nicht vor. Stattdessen heißt es:

„Umgekehrt ist jede verweigerte Klimaschutzmaßnahme eine unmittelbare Absage an gesunde Lebensumstände.“

Und wer das anders sieht, macht sich schuldig:

„Wenn man sich unter Klimawandel vorstellt, dass jemand die Heizung hochdreht, dann heißt der ökologische Kollaps in etwa, dass nebenbei das Heizungsrohr platzt, die Gardinen Feuer fangen, unterm Teppich eine invasive Art hervorkriecht, die Decke runterkommt und der Mietvertrag gekündigt wird.“

Luisa Neubauer ist der Nostradamus unserer Zeit.

Aber wovon lebt Nostradamus eigentlich? Klima-Aktivist ist ja kein Lehrberuf, und auch die Bundesagentur für Arbeit hat aktuell keine offenen Stellen mit dieser Tätigkeitsbezeichnung registriert. Doch wie recht viele ihrer Mitstreiter kann Luisa Neubauer es sich leisten, sich um den Planeten zu sorgen – weil sie nicht wirklich für sich selbst sorgen muss.

Bei der Enkeltochter von Feiko Reemtsma aus dem Zigaretten-Clan dürfte zum einen schon von Haus aus Geld vorhanden sein. Entsprechend hat sie noch nicht so richtig in der Wertschöpfung gearbeitet: Das Studium finanzierte ihr vor allem ein Stipendium der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung.

Dass Neubauers Klima-Aktivisten-Gruppe „Fridays for Future“ von US-Milliardären erhebliche Geldzuwendungen erhält, ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher Medienrecherchen. Wie viel von der Kohle an die einzelnen Anti-Kohle-Aktivisten fließt, ist unbekannt. Aber so ein Leben zwischen der illegalen Besetzung von Tagebau-Anlagen, dem Errichten von illegalen Dörfern in fremder Leute Wäldern, der Teilnahme an illegalen Straßen-Blockaden durch Klebe-Aktionen und dem Talkshow-Hopping durch die gleichgesinnten TV-Sender muss ja auch irgendwie finanziert werden.

Das dürfte ein wichtiger Grund dafür sein, dass das Postergirl der deutschen Apokalyptiker den eigenen Namen auch über Buchpublikationen monetarisiert. Dabei nutzt sie Mechanismen, die schon ihre Vorfahren reich gemacht haben.

Denn Angst funktioniert wie Zigaretten.

Nicht wenige Menschen sind anfällig dafür, abhängig zu werden. Für die Zigaretten- wie für die Angstindustrie sind sie die ideale Zielgruppe: Hat man sie einmal, hat man sie immer. Man muss nur dafür sorgen, dass stets genügend Nachschub vorhanden ist – an Zigaretten, oder eben an Angst.

Luisa Neubauer sorgt für Nachschub. Sie schürt Panik, und sie tut es im bevorzugten Kommunikationsstil ihres bevorzugten Publikums: viele Bildchen, wenig Text. Sie, eine erklärte Gegnerin der Marktwirtschaft, nutzt ziemlich gekonnt die Mechanismen des Marktes.

Das lohnt sich. Gut, nicht für uns und nicht für die Welt. Aber für sie.


 

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