Tichys Einblick
Vernunft oder Klimahysterie

Klimahysterie: Aktivisten contra Wissenschaft

Klimaschutzaktivisten rechtfertigen sich mit der Behauptung, sie würden nur einfordern, was die Klimaforschung vorgebe. Dies aber ist ein in Wahrheit wissenschaftsfeindlicher Ansatz. Denn tatsächlich sind Wissenschaft und Politik getrennte Sphären, die sich in zu enger Verbindung nur gegenseitig schaden.

imago images / IPON

Mit ihrer lautstark vorgetragenen Forderung, Politik müsse sich an der Klimaforschung ausrichten, entlarven sich die Klimaschützer selbst als wissenschaftsfern. Denn ein solches Ansinnen kann nur vertreten, wer die Unvereinbarkeit der naturwissenschaftlichen Methodik mit politischen Aushandlungsprozessen ignoriert. In einer liberalen Demokratie dient Politik dem wertebasierten Ausgleich unterschiedlicher Partikularinteressen. Den empirischen Naturwissenschaften hingegen sind Kompromisse und Haltungsfragen ebenso fremd wie die Berücksichtigung individueller Betroffenheiten und Wunschvorstellungen. Beide Domänen zu koppeln ist daher mindestens töricht, wenn nicht gar gefährlich. Lähmen sie sich doch in einer solchen Verbindung gegenseitig bis zur vollständigen Unbeweglichkeit.

Die verbreitete Sehnsucht nach absolut gesetzten Bewertungsmaßstäben können die Naturwissenschaften schlicht nicht erfüllen. Zwar erschaffen die Entschlüsselung physikalischer, chemischer und biologischer Vorgänge und deren Beschreibung in einer formalisierten Sprache eine vom Menschen erfassbare Vorstellungswelt, in der die Formulierung objektiver Realitäten gelingt. Aber geeignete Kriterien zu deren Interpretation und Einordnung erzeugt diese Herangehensweise nicht.

Nicht Verderber, sondern Lebensspender
Das ABC von Energiewende- und Grünsprech 92: Die Klimareligion
Allgemeine Prinzipien wie die Äquivalenz von Masse und Energie oder an absolut gesetzten Skalen messbare Eigenschaften eines konkreten Systems vermag die Naturforschung also beizubringen. Die Frage, ob eine Geschwindigkeit oder eine Temperatur als zu schnell oder zu langsam, zu heiß oder zu kalt zu gelten haben, kann jedoch nur eine von subjektiven Auffassungen ausgehende Verhandlung klären. Dem Forscher eine entsprechende Einschätzung abzuverlangen, zwingt ihn, die Position des neutralen Maklers zu verlassen und in die Rolle des parteiischen Aktivisten zu wechseln. Als Entscheidungsträger eine so entstandene Äußerung zum Dogma zu erheben, reduziert die eigene Souveränität. Was wiederum das Verlangen nach immer neuen Rechtfertigungshilfen aus einer zu diesem Zweck immer stärker gelenkten Wissenschaft weckt. Exakt in diesen Teufelskreis haben sich Klimaforschung und Klimapolitik begeben.

Wofür jene Forscher eine Mitverantwortung tragen, die der Verlockung nicht zu widerstehen vermögen, als Advokaten einer ihnen genehmen Ideologie die Bühne des öffentlichen Erregungstheaters zu suchen. Verführt von potentiellen Aufmerksamkeits- und Anerkennungsbelohnungen, die sich nebenbei auch noch auf vielfältige Weise versilbern lassen, ordnen sie das Wissen dem Möchten unter und vermengen Fakten mit Phantasien. Schließlich gilt es, dem Publikum gefällig zu sein, insbesondere Politikern, Journalisten und Aktivisten einen direkten Nutzen zu spenden, will man sie auch weiterhin füttern dürfen. Auf diese Weise verbinden sich dann akademisch geweihte Fachkompetenz und rein subjektive Meinung zu einem für die breite Öffentlichkeit kaum trennbaren Konglomerat, in dem die Grenzen zwischen Expertise und Haltung verschwimmen.

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Natürlich ist der Klimawandel an sich zweifelsfrei nachgewiesen, definiert man den gemessenen Temperaturanstieg der letzten Hundertzwanzig Jahre als solchen. Die Hypothese, dieser Vorgang sei auf den gestiegenen anthropogenen Ausstoß an Treibhausgasen zurückzuführen, wird nicht nur durch zahlreiche Indizien gestützt, sondern stellt auch den derzeit einzigen validen Erklärungsansatz dar. Doch ob es sich dabei um einen für die menschliche Zivilisation relevanten Zusammenhang handelt, ergibt sich nicht aus Modellen oder mathematischen Formeln. Dies hängt von technischen, ökonomischen und sozialen Faktoren ab. Also von den Fähigkeiten der Menschen, sich einerseits vor Gefährdungen zu schützen und andererseits mit Veränderungen einhergehende Chancen zu ihrem Vorteil zu nutzen. Die Beobachtungstatsachen widersprechen jedenfalls dem Wort von der Klimakrise. Gerade in den letzten drei Jahrzehnten haben sich die Lebensumstände auf diesem Planeten enorm verbessert. Hunger und Armut wurden zurückgedrängt, Wohlstand und Lebenserwartung sind deutlich gestiegen. Dies geschieht nicht überall in gleichem Ausmaß und in gleicher Geschwindigkeit, ist aber dennoch in jeder Weltregion nachweisbar.

Wie sich das in den kommenden Jahrzehnten gestaltet, sollten die Temperaturen weiter steigen, ist nicht absehbar. Schon Umfang, Tempo und geographische Ausprägung einer weiteren Erwärmung lassen sich nicht kalkulieren, von deren Auswirkungen auf regionale und lokale Wetterereignisse ganz zu schweigen. Und das liegt nicht an noch fehlendem Wissen oder noch unzureichenden Rechenkapazitäten. Die Zukunft ist grundsätzlich nicht vorhersehbar. Die Erkenntnis der Unmöglichkeit von Prognosen über beliebig lange Zeiträume (die Grenze für das irdische Klimasystem liegt bei ungefähr einer Dekade) stellt eine der wichtigsten, in ihrer Bedeutung oft unterschätzten intellektuellen Leistungen der Moderne dar. Wissenschaft schafft eben auch Wissen über absolut gesetzte Wissensgrenzen.
Zukunftsszenarien, wie sie die Klimaforschung anzubieten vermag, sind lediglich Denkbarkeiten, deren Eintreten man aufgrund ihrer inneren Widerspruchsfreiheit und ihrer Verträglichkeit mit den Gesetzen der Physik nicht von vornherein ausschließen kann. So wie man auch jede der knapp vierzehn Millionen Kombinationen „6 aus 49“ als potentielles Ergebnis einer Lottoziehung akzeptieren muss. Der durch Klimasimulationen aufgespannte Möglichkeitsraum verkleinert sich aufgrund der chaotischen Natur des Klimasystems selbst dann nicht entscheidend, wenn nur ein bestimmter Emissionspfad als Eingangsgröße betrachtet wird. Szenarien und Projektionen bieten keine validen Informationen über das Kommende. Ihr eigentlicher Nutzen besteht darin, eine Bewertung von Maßnahmen der Gegenwart hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und ihres Nutzens unter allen als plausibel angesehenen Zukünften zu ermöglichen.

Ein paar kritische Fragen
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Die verbreitete Marotte, aus Temperaturzielen abgeleitete Emissionsbudgets als wissenschaftliche Fakten zu betrachten, steht daher exemplarisch für die intellektuelle Verwahrlosung der Klimadebatte. Tatsächlich erhöht die Einhaltung eines „Zwei-Grad-Ziels“ lediglich die Wahrscheinlichkeit, es in bestimmten Modellrechnungen nicht zu reißen. Was in der Realität wirklich geschieht, bleibt davon unbeeinflusst. Die Natur folgt nicht den Kalkulationen virtueller Abbilder. Die einzige verlässliche Aussage, die zu treffen die Klimaforschung in der Lage ist, lautet: Wir können eine weitere Erwärmung (auch über politisch gesetzte Wunschwerte hinaus) nicht ausschließen, ganz gleich, wie sich die anthropogenen Emissionen entwickeln.

Trotzdem ist es natürlich attraktiv, politisches Handeln mit quantitativen Zielmarken zu begründen. Leicht zu merkende, plakative Zahlen helfen in der Kommunikation. Das konstruierte Alibi der „Wissenschaftlichkeit“ täuscht Legitimation vor und minimiert jeden weiteren Begründungszwang. Wodurch die Idee vom Klimaschutz ungemein nützlich wird. Sie eignet sich zur Rechtfertigung abseitiger Ideologien ebenso wie zur Wählermobilisierung. Fatalerweise verlangt das Ausreizen solcher Optionen das ständige Nachlegen immer neuer und immer größerer Ängste, damit emotionale Aufladung und öffentliches Interesse nicht schwinden. Wodurch man selbst eine Klimahysterie erst induziert, in der sektiererische Bewegungen wie „Fridays for Future“ oder „Extinction Rebellion“ eine Deutungshoheit erlangen, die zur Aushebelung des Primats der Politik führt. In gewisser Weise wird so das rigorose naturwissenschaftliche Falsifizierungsprinzip auf eine gesellschaftliche Debatte übertragen. Nur erfolgt die Bewertung von „richtig“ und „falsch“ nicht entlang objektiver Maßstäbe, sondern allein anhand der vermuteten Durchsetzbarkeit gegenüber dem grünen Zeitgeist. So hat Deutschland nach und nach alle Werkzeuge geächtet, die entweder eine wirtschaftlich sinnvolle und gesellschaftlich verträgliche Minderung seines Kohlendioxidausstoßes oder die perfekte Anpassung an Klimaveränderungen und Nutzung der diesen innewohnenden Vorteile gestatten, seien es die Kernenergie, emissionsfreie fossile Kraftwerke oder die grüne Gentechnik. Klimaschutz ist hierzulande mittlerweile nur mehr ein Synonym für Deindustrialisierung und Wohlstandsverzicht, weil der verengte Diskursraum keine anderen Wege mehr zulässt. Sich auf diese Weise nach und nach alle Handlungsspielräume nehmen zu lassen, ist das Gegenteil von guter Staatskunst.

Klimawandel, auch wenn er nicht Ursache ist
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Ein handwerkliches Versagen der Politik, das letztendlich in verheerender Weise auf die Freiheit zumindest jener naturwissenschaftlichen Grundlagenforschung zurückschlägt, die aus öffentlichen Mitteln alimentiert wird. Denn wer sich vollumfänglich einer extremen Interpretation des gegenwärtigen Wissensstandes als sakrosanktem Dogma verpflichtet hat, kann neue Erkenntnisse prinzipiell nicht dulden. Würden doch Aussagen, die Geschwindigkeit, Ausmaß und Bedeutung einer möglichen Erwärmung in einem anderen Licht erscheinen lassen, die Mär von der wissenschaftlich festgelegten Alternativlosigkeit der gegenwärtigen Agenda zerstören. Also kann nur unterstützt werden, wer seine Arbeit und seine Ansätze von vornherein allein der Bestätigung der etablierten Narrative widmet. In der Formulierung fast aller Forschungsförderlinien findet sich gegenwärtig dieses Motiv wieder. Was wiederum genau jene Wissenschaftler begünstigt, die ihre Arbeit einem ideologischen Aktivismus unterordnen wollen.

Hier schließt sich der Kreislauf, in dem sich Politik und Forschung gegenseitig paralysieren. Um diese Sackgasse zu verlassen, gilt es, sich einer als „wissenschaftlich geboten“ tarnenden Politik mit genau der Skepsis und den Zweifeln zu nähern, von denen ausgehend ein Forscher jedwede Hypothese prüfen würde. Garantiert denn das Unterschreiten der aus Modellrechnungen abgeleiteten Emissionsgrenzen die Einhaltung von Temperaturzielen? Wäre denn eine weitere Erwärmung für unsere Lebensumstände mit Sicherheit relevant? Und falls ja, in welchem Ausmaß und in welcher Ausprägung? Sind denn die angedachten Maßnahmen wirklich effizient und effektiv hinsichtlich der gesteckten Ziele? Solche und weitere Fragen hat die Initiative klimafragen.org formuliert, zu deren Initiatoren der Autor dieses Artikels gehört.

Die sechzehn Klimafragen, denen man sich noch bis zum 31. Januar anschließen kann, zeigen beispielhaft, wie denn Wissenschaft und Politik tatsächlich zum gegenseitigen Nutzen zusammenwirken können. Indem erstere nicht als Trainer, als Schiedsrichter oder gar als Mitspieler fungiert, sondern sich auf die Funktion eines unparteiischen, aus der Distanz agierenden Kommentators beschränkt. Wer dagegen eine forschungsdeterminierte Politik einfordert, begünstigt implizit auch eine politische Steuerung der Wissenschaft. Und handelt dadurch letztendlich wissenschaftsfeindlich.

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