Robert Habeck ist Grüner, Literaturwissenschaftler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz. Dass er von seiner Ausbildung her nicht wissen kann, wie man Kernkraftwerke – er spricht natürlich wie jeder Grüne und mittlerweile fast alle Deutschen von Atomkraftwerken, weil die Abkürzung AKW fieser klingt als KKW – an- und abschaltet, ist klar. Aber er hätte sich informieren können. Vielleicht wäre er sogar im eigenen Haus fündig geworden. Immerhin sind dort 2187 Menschen beschäftigt.
Dass sie wieder angefahren werden müssen, ist sehr wahrscheinlich. Gas wird immer teurer, nicht zuletzt, weil große Mengen dieses mittlerweile kostbaren Stoffs weiterhin in Kraftwerken verfeuert wird, was die Teuerung noch beschleunigt und die Möglichkeiten, im Winter zusätzlichen Strom zu erzeugen, massiv einschränkt. Auch Heizlüfter werden dazu beitragen, das Netz zu belasten. Allein in diesem Jahr sind 650.000 dieser Geräte gekauft worden. Zum Bestand dürften viele Millionen gehören. Wenn nur die neuen Geräte gleichzeitig laufen, verbrauchen sie so viel Strom wie eins der drei letzten deutschen Kernkraftwerke erzeugt.
Gut, kann man sagen. Dann geht Neckarwestheim-2 einfach wieder ans Netz. Abgeschaltet wird es zu einer wahrhaft coolen Sache. Die Temperatur, die im Betrieb bei deutlich mehr als 300 Grad Celsius liegt, beträgt im „kalten“ Zustand 50 Grad. Die Dampfturbine erreicht Umgebungstemperatur, der Kühlturm friert sogar ein, wenn die Außentemperatur deutlich unter Null Grad liegt. „So kann ich mein Kraftwerk nicht anfahren“, sagt Uwe Stoll von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) in Köln. „Ich müsste mir irgendwas überlegen, wie ich erstmal den Kühlturm auftaue.“
Bis ein heruntergefahrenes KKW wieder laufe, dauere es ein paar Tage, so Stoll. „Vereinfacht gesagt: Zunächst muss der Reaktor wieder auf über 260 Grad erwärmt werden, dann werden die Borsäure im Kühlmittel reduziert und die Steuerstäbe aus dem Reaktorbecken gezogen.“ Borsäure und Steuerstäbe fangen Neutronen ein, sodass nicht mehr genügend zur Verfügung stehen, um eine Kettenreaktion bei der Uranspaltung aufrechtzuerhalten. Damit ist der Reaktor abgeschaltet. Ehe die Temperatur in seinem Inneren allerdings auf 50 Grad gesunken ist, vergehen wegen der sogenannten Nachzerfallswärme noch ein paar Tage. Zehn Tage zwischen der Entscheidung, einen Reaktor abzuschalten, und der ersten Stromlieferung nach dem Wiederanfahren sind also durchaus realistisch.
Denn dass dieses Kernkraftwerk in Lingen im Emsland überflüssig sein wird, sagt nicht einmal Minister Habeck. Er will den Strom, der in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 dort erzeugt werden könnte, in schwimmenden Ölkraftwerken an der Nordseeküste produzieren lassen, wie sie bisher fast ausschließlich in Entwicklungsländern eingesetzt werden und vom türkischen Unternehmen Karadeniz verchartert wird. Dabei würden rund 3,3 Millionen Tonnen Kohlenstoffdioxid frei, was gerade Grüne nicht goutieren dürften.
Der rot-grüne Hamburger Senat hat gerade eine weitere potenzielle Lösung für die erwartete Stromknappheit verhindert, wenn er es sich nicht noch anders überlegt. Das Steinkohle-Heizkraftwerk Moorburg im Hamburger Hafen, eins der modernsten und effizientesten der Welt, das gerade mal sechs Jahre lang Strom lieferte und noch völlig heil ist, soll „schnellstmöglich“ abgerissen werden. Es besteht aus zwei Blöcken mit jeweils 827 Megawatt Leistung, die 15 Prozent mehr Strom erzeugen könnten als Emsland, allerdings mit dem Makel der CO2-Emissionen. 2,8 Millionen Tonnen würde Moorburg innerhalb von vier Monaten emittieren.