„Wir brauchen mehr Erneuerbare“, tönt es heutzutage öfter als das Amen in der Kirche. Es ist aber keine sachlich hergeleitete Schlussfolgerung, sondern Lobby-Interesse, dass von fachfremden Politikern umgesetzt wird. Viel Geld wird umgeschichtet, die deutsche Wirtschaft steht zunehmend am Ende vom Gelände, und dem Land sowie den meisten Menschen schadet es.
In den vergangenen Jahren heizten lobbygeförderte Klima-NGOs der jeweiligen Regierung ein. Nun sitzen einige als GOs direkt im Staatsapparat und können damit ihre Forderungen fast ungestört umsetzen. „Agora Energiewende“, finanziert von der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation, ist dabei eine Spinne im Netz, die maßgeblich die Fäden zieht. Schon seit Jahren liefert man hier passgenaue Studien, wie und warum die Energiewende mit Wind und Solar ein Erfolg werden wird.
In der Thermodynamik finden sich Hauptsätze, die für die Energieumwandlung wissenschaftlich maßgebend sind, zum Beispiel zur Unmöglichkeit eines Perpetuum Mobile. Auch die Agora, hat sich einen „ersten Hauptsatz der Energiewende“ gegeben, nicht wissenschaftlich, aber mit klarer Zielvorgabe:
„Im Mittelpunkt stehen Wind und Solar! Darauf baut alles weitere auf.“
Auf der Homepage heißt es, die Energiewende sei ein „gesamtgesellschaftliches Projekt mit breiter Zustimmung der Bevölkerung“. Da sind Zweifel angemessen.
Der Trick-Tank
Bewährtes Instrument der Agora ist die suggestive Datenaufbereitung. Trick-Tank statt Think-Tank. Bekanntermaßen speisen die naturabhängigen Erzeuger etwas unregelmäßig den Strom ins Netz, was zu unschönen Zappelkurven führt:
Dies kann man durch eine kreative Durchschnittsbildung entschärfen, indem man die Einspeisung über 24 Stunden mittelt:
Dann scheint die Sonne auch nachts und die Optik verbessert sich. Diese Datenaufbereitung soll das Framing stützen, dass Strom aus Wind und Sonne versorgungssichernd sein könnte.
In manchen Veröffentlichungen wird Agora immer noch als „unabhängiges Denklabor“ bezeichnet. Das ist genauso zutreffend wie die Aussage, dass ein Zitronenfalter Zitronen faltet. Immerhin gab es in der Vergangenheit selbstkritische Erkenntnisse. Patrick Graichen seinerzeit als Direktor der Agora im ZEIT-Interview am 4. Dezember 2014:
„Wir haben uns geirrt bei der Energiewende. Nicht in ein paar Details, sondern in einem zentralen Punkt. Die vielen neuen Windräder und Solaranlagen, die Deutschland baut, leisten nicht, was wir uns von ihnen versprochen haben. Wir hatten gehofft, dass sie die schmutzigen Kohlekraftwerke ersetzen würden, die schlimmste Quelle von Treibhausgasen. Aber das tun sie nicht.“
Warum ist diese Erkenntnis vergessen? Die Antwort ist im Hauptsatz der Agora zu finden, „im Mittelpunkt stehen Wind und Solar“. Es gibt eine Mission, die erfüllt werden muss. Dahinter stehen eine wirkmächtige Lobby und das Kapital, das vermehrt werden soll. Frei nach Karl Marx: 300 Prozent Rendite und es existiert kein Verbrechen, auch kein Umweltverbrechen, das es nicht riskiert. Daher die ständig gedrehte tibetanische Gebetsmühle „Wir brauchen mehr Erneuerbare“ als Antwort auf jede Frage. Ersatz für Atom- und Kohlestrom, Elektrolyse für grünen Wasserstoff, Strom für E-Mobilität, Wärmepumpen und Digitalisierung? „Wir brauchen mehr Erneuerbare“. Dabei weiß die Branche selbst, dass es nicht reichen wird. Ziel ist aber, alle politischen Hürden aus dem Weg zu räumen, die den maximalen Ausbau behindern. Dem Versorgungssystem hilft es nicht, aber das ist nicht das Ziel, sondern die Erfüllung des Hauptsatzes.
Diese läuft erfolgreich mit Agora am Schalthebel der Macht. Die Regierung wird zum Erfüllungsgehilfen. Eine Haftung für fehlerhafte oder unvollständige Studien muss Agora nicht übernehmen. Auf Wind- und Solargipfeln äußern die Branchen nicht nur ihre Wünsche, sondern geben den Weg vor. Das Scheitern ist indes vorprogrammiert, nicht durch Politik und Umweltschutz, sondern durch Inflation, hohe Strompreise und Abwanderung auch der Ökoindustrie. Dazu kommt der stark nachhängende Netzausbau, der heute schon den Anschluss von Wärmepumpen verhindert. Im bayerischen Verteilnetz ist bereits heute nur noch wenig Platz für weiteren Stromtransport:
Störendes Grundgesetz und fehlender Effekt
Nun liegt ein 172-seitiger Entwurf einer Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) vor, der auch einen Angriff auf das Grundgesetz darstellt. Im Artikel 72 wird dort auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse hingewiesen. Durch ungleich verteilte staatlich verursachte Lasten werden die Lebensverhältnisse aber deutlich ungleicher, entsprechende Vorgaben für Heizungen zerstören diesen Grundsatz.
Auf dem flachen Land hingegen werden Eigentümern zwangsweise Kosten aufgebürdet, die viele nicht zu tragen in der Lage sein werden. Warum ist Erdgas für Fernwärme weiterhin zugelassen, für Einzelheizungen nicht? Warum dürfen Wärmepumpenstrom und zentrale Fernwärme weiter aus Erdgas erzeugt werden, dezentrale Wärme dagegen nicht?
Aber selbst wenn der angedachte Entwurf praktisch umgesetzt werden könnte und der Zielwert an Emissionen für 2030 (67 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente) erreicht würde, betrüge die Reduzierung gegenüber heute ganze 48 Millionen Tonnen. Das sind etwa 0,14 Prozent der menschengemachten Emissionen. Dieser Wert verringert sich noch durch die erhöhten Emissionen des „Fußabdruckes“ für die Gebäudesanierungen, die neuen Wärmepumpen und die Emissionen des Wärmepumpenstroms. Deutschland ist immer noch Vizemeister Europas bei den Pro-Kopf-Emissionen für die Kilowattstunde Strom.
Aus Sicht des „Klimaschutzes“ kann man getrost von einem Nullsummenspiel sprechen, während die globalen Emissionen weiter steigen werden. Warum soll das Gesetz trotzdem durchgezogen werden? Die Antwort findet sich wieder im Ansatz des All-Electric und am Ende wie immer in der Forderung: „Wir brauchen mehr Erneuerbare.“ Der Hauptsatz lässt grüßen. Dabei ist das Grundgesetz hinderlich. In einer wohlwollend diskutierten Räte-Union („Sowjetunion“) ließe sich das eher umsetzen. Minister Habeck erkannte diesbezüglich auch Vorteile im chinesischen System.
Die Bundesregierung machte bereits den Fehler, mit der Ernennung von Erdgas zur „Brückentechnologie“ alle Eier in einen Korb zu legen. Nun begeht sie den All-Electric-Fehler. Das mag zunächst verwundern, denn mehr oder weniger offen geben alle Beteiligten zu, dass wir absehbar einen Mangel an Strom haben werden. Es gilt aber der Hauptsatz der Agora. Vonovia fehlt bereits heute der Strom für neu erworbene Wärmepumpen.
Strom und Wärme hätten nichts miteinander zu tun (nun sollen es Wärmepumpen richten), es gäbe kein Stromproblem (aber es braucht eine Strompreisbremse), Wasserstoff zum Heizen sei zu teuer (zur Stromerzeugung offenbar nicht), der Betrieb von Kernkraftwerken, selbst in Kriegsgebieten, sei im Gegensatz zu Deutschland kein Problem, da sie „nun mal da“ seien. Der Strompreis würde sinken, obwohl das Angebot sinkt, ein „Brückenstrompreis“ soll bis 2030 die Industrie schützen, dann sei der Strom wegen der „Erneuerbaren“ günstiger – nachdem über mehr als 20 Jahre der Ausbau von Zufallsstromerzeugern den Preis in die Höhe trieb wegen eines unverändert nötigen Backup-Systems und des steigenden Netzaufwands. Die Aufzählung dieser Inkonsistenzen ist nicht abschließend.
Ausnahmen bei Hofe
Bundestag und -länder genehmigen sich indessen eine Schonung. Die Bundestagsgebäude würden heizungsseitig nicht umgestellt werden können, heißt es, und für die Länder gibt es Öffnungsklauseln für öffentliche Gebäude. Wir erinnern uns, dass der Bund auch nicht in der Lage war, für seine Gebäude die Unterlagen für die Grundsteuerwertfeststellung termingerecht einzureichen. Rücksichtslos wird mit unzähligen Vorschriften in das Leben der Bürger eingegriffen, selbst ist man unfähig, eigenen Regeln zu folgen. Der Hauptsatz gilt, aber nicht für alle.
Der Problembär dahinter ist der Sekretär, der triefend vor Arroganz den weltweiten Ausbau der Kernenergie als Hype bezeichnet. Alle doof, außer wir. Graichen hat eine Mission – der Hauptsatz der Agora ist umzusetzen. Andere Lösungen sind nicht mehr zugelassen, es gibt keinen Plan B, Risiken und Nebenwirkungen werden ignoriert. Eigene Betroffenheit ist nicht zu erwarten, für die „Kelly-Family der Klimapolitik“ (WELT) ist gesorgt.
Wir brauchen keinen „Hauptsatz“, nicht noch mehr „Erneuerbare“, sondern eine sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energieversorgung. So steht es auch im Paragrafen 1 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG). Aber jedes Gesetz ist auch eine Auslegungsfrage. Das Bundesverfassungsgericht wird der Bundesregierung helfen und den Hauptsatz der Agora und die daraus folgenden Entscheidungen für grundgesetzkompatibel erklären.