Finanzminister Lindner hat das kurze Aufbäumen der FDP in Richtung realitätsbezogener Energiepolitik beendet. Noch vor wenigen Wochen hieß es in der Tagesschau: „Die FDP dringt dagegen auf einen Weiterbetrieb aller drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis ins Jahr 2024.“ Hatte man noch die Hoffnung, dass bis zum 15. April, dem letzten Tag der drei noch verbliebenen Kernkraftwerke die FDP Vernunft in die Regierungspolitik bringen könnte, machte Lindner mit dem Spruch vom 3. November ein Ende mit den Hoffnungen auf Vernunft: Die Frage sei „jetzt einfach mal entschieden, da muss man auch sagen, jetzt ist Ende“.
Es lohnt sich, auf den mit aller Kraft vorangetriebenen Ausbau der erneuerbaren Energien zu schauen. Die geplanten Windkraftwerke müssen sich an Ausschreibungen der Bundesnetzagentur beteiligen. In diesem Jahr, dem ersten Jahr der Ampel, haben bislang etwa 3000 MW onshore Windkraftwerke einen Zuschlag bekommen, die in den nächsten Jahren gebaut werden sollen (siehe hier). Das sind etwa 7 Terawattstunden Strom. Es fallen aber am 15. April 2023 rund 35 Terawattstunden Kernenergie weg. Bei diesem Tempo braucht es fünf Jahre, um die wegfallende Strommenge der Kernkraft zu ersetzen. Allerdings mit dem erheblichen Nachteil, dass die Strommengen kommen, wenn es der Wind für richtig hält, und nicht unbedingt, wenn wir Bedarf haben.
Warum ist die Nachfrage nach Zulassungen für neue Windkraftwerke so gering (noch 2014 bis 2016 waren es doppelt so viele pro Jahr)? Die Kosten der Windenergie bestehen im Wesentlichen aus Materialkosten und Kapitalkosten. Die massiv gestiegenen Materialkosten sind eine Folge der weltweit gestiegenen Energiekosten. Die Bestandteile von Windkraftanlagen wie Wälzlager (Stahl), Magnete (Kupfer und Seltene Erden), Rotorflügel (glasfaserverstärkte Kunststoffe) haben sich insbesondere hierzulande so verteuert, dass das Ende des Produktionsstandorts Deutschland nach dem „Aus“ der Solarbranche nun auch für die Windenergie droht.
Von den zehn größten Windanlagenherstellern kommen sieben aus China. Hinzukommt nun ein vervierfachter Kapitalzins, der die Erzeugung von Strom aus Windenergie für 5,88 €ct/kWh (das ist die garantierte Einspeisevergütung) nur noch in besonders windreichen Gegenden ermöglicht. Es ist schon absehbar, was die grüne Lobby fordern wird, nachdem die Kernkraftwerke abgeschaltet worden sind: die Erhöhung der garantierten Einspeisevergütung.
Es wird aber am 16. April 2023 wahrscheinlich nicht zum Zusammenbruch der Stromversorgung kommen, denn die Ampel hat ja alle noch verfügbaren Kohlekraftwerke ans Netz gebracht. Durch den Ersatz von Kernenergie durch Kohle steigt die CO2-Emission in Deutschland deutlich. Das ist das Ergebnis grüner Politik.
Wie viele Doppelwummse können wir uns noch leisten ? Denn es ist doch erkennbar, dass auf Jahre hinaus die Angebotssituation an Strom in Deutschland mangels Kraftwerkskapazität zu knapp ist. Das wissen die Betriebe, die sich von den Sprüchen der Bundesregierung nicht beeindrucken lassen. 55 Prozent der Rechnungen in der Chemieindustrie werden nicht mehr termingerecht bezahlt. BASF hat Mehrkosten für Energie von 2,2 Milliarden Euro zu verkraften und kündigt Arbeitsplatzabbau an. Die Investitionen in China werden dagegen verstärkt. In China kostet die Kilowattstunde 2 bis 3 €ct.
Dieses Gefälle kann keine Subventionspolitik ausgleichen, ohne am Ende nicht auch die Staatsfinanzen erodieren zu lassen. Die einfache Antwort wäre, das Angebot an preiswertem Strom durch Kernkraftwerke, eigene Fracking-Gasförderung und grüne Kohlekraftwerke zu erhöhen. Die Regierung glaubt wirklich, durch Windenergie und Solarstrom, die heute etwa 5 Prozent der Primärenergie darstellen, über die Runden zu kommen. Wenn sich das nicht ändert, ist die Folge eine massive Deindustrialisierung Deutschlands. Ich befürchte, da sind auch einige in der Ampel dabei, die damit überhaupt kein Problem haben.
Renaissance der Kohle
Nicht nur in Deutschland geht es zurück zur Kohle. Auch in Italien, Holland, Griechenland und Ungarn werden stillgelegte Kohlekraftwerke wieder reaktiviert – alles Länder, die auf Gas gesetzt hatten. Schon im ersten Halbjahr erhöhte sich der EU-Kohleverbrauch um 10 Prozent, im zweiten Halbjahr wird das deutlich mehr werden.
China verbrennt mehr Kohle als der Rest der Welt. Allein im letzten Jahr waren es +6 Prozent mehr. Ein Teil der Emissionen steckt in den Gütern, die China exportiert, zum Beispiel in den Batterien angeblich CO2-armer E-Autos, die der EU zufolge aus Klimaschutzgründen ab 2035 auschließlich angeboten werden dürfen. Es werden aber E-Autos mit chinesischen Batterien auf Jahre mehr CO2 emittieren als Autos mit Verbrennungsmotoren.
Die starke Nachfrage nach Kohle hat Folgen: Die Kohlepreise sind gegenüber 2020 um das Sechsfache gestiegen.
Wird uns LNG im nächsten Jahr helfen?
Die IEA befürchtet im nächsten Jahr eine 30 Milliarden m³ große Lücke an Gas in Europa, so dass die Auffüllung der Speicher für den übernächsten Winter gefährdet ist. Die geringfügigen zusätzlichen, auf dem Weltmarkt auftretenden Mengen an LNG werden von China zu 85 Prozent abgegriffen werden. China hatte noch in diesem Jahr die Gasimporte um -15 Prozent reduziert, da die chinesische Wirtschaft aufgrund der Covid-Lockdown-Politik weniger Gas benötigte. Es darf auch nicht vergessen werden, dass noch bis August dieses Jahres die Importe russischen Pipelinegases die Speicher mit aufgefüllt haben. IEA-Chef Fatih Birol: „Europa steht im nächsten Winter vor einer noch größeren Herausforderung.“ Eines ist sicher: Die Gaspreise werden im nächsten Jahr erneut steigen.
Was macht die Politik?
Es könnte die große Stunde von Christian Lindner werden, der einen schnellen Einstieg in das Fracking von Schiefergas in Deutschland gefordert hat. Aber wer glaubt noch Lindner ein Wort? Wenn es zum Konflikt mit den Grünen kommt, wird er erneut umfallen. Er setzt lieber auf die „Freiheitsenergien“ wie die Windkraft (Lindner).
Was sagt man zu solcher Ignoranz der Mandatsträger in einer fundamentalen Gas- und Stromkrise? Eine kluge FDP hätte diesen Bericht schon längst zum Mittelpunkt einer energiepolitischen Debatte gemacht. Aber wir haben keine energiepolitisch kluge Bundesregierung, schon seit 10 Jahren nicht mehr, zumindest seitdem die Kernenergieforschung im Atomgesetz (2011) abgeschafft wurde, CCS in Deutschland verboten wurde (2012) und Fracking (2017) ebenso.
Mit CCS könnte man dem Trend der verstärkten Kohlenutzung in China und Indien gelassener entgegensehen. Stattdessen ist Energiepolitik seit Merkels Aussteigen aus Kernenergie und Kohle nur mehr ein Glaubensbekenntnis.
Man verließ sich in diesem Glauben auf grüne Berater wie die der Agora-Energiewende. Die führenden Personen von Agora sind nun an den Schalthebeln der Macht und zeigen schon nach einem Jahr, dass sie auf dem bestem Weg sind, Deutschlands starke Wirtschaft zu ruinieren.