Als ihn vor kurzem ein ARD-Journalist in den Tagesthemen fragte, wo eigentlich der Strom für die geplante Herstellung von grünem Wasserstoff herkommen soll, antwortete Wirtschaftsminister Robert Habeck selbstbewusst: Der Ausbau der erneuerbaren Energien gehe ja jetzt wirklich zügig voran. Kein Grund zur Sorge also. Der Grünen-Politiker lässt sich in Videos des Ministeriums gern immer wieder vor gerade eingeweihten Windparks filmen. Mehr und mehr Strom, so die Botschaft, stammt aus Wind- und Solarparks. Und der Minister schiebt diese Entwicklung persönlich an.
Die Realität – und hier hakte der Tagesschau-Redakteur nicht nach – sieht allerdings etwas anders aus. Denn obwohl 2022 deutschlandweit laut Statistik der Deutschen WindGuard 551 neue Windkraftanlagen mit der Gesamtkapazität von 2,403 Gigawatt und Photovoltaik-Anlagen mit der Kapazität von 7,5 Gigawatt zugebaut wurden, ging die Erzeugung von Wind- und Solarstrom im ersten Halbjahr 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nicht etwa nach oben – sondern zurück. Und zwar um zwei Terawattstunden. Das Umweltbundesamt stellt dazu fest: „Im ersten Halbjahr 2023 wurde trotz des verstärkten Zubaus neuer Photovoltaik- und Windenergieanlagen mit knapp 136 Terawattstunden (TWh) etwa ein Prozent weniger Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als in den ersten sechs Monaten des Vorjahres (knapp 138 TWh).“
Da auf absehbare Zeit großindustrielle Speicher fehlen, plant Habeck, bis 2030 eine Gaskraftwerks-Kapazität von insgesamt 30 Gigawatt aufzubauen, um die Stromversorgung trotz schwankender Einspeisung bei den Erneuerbaren einerseits und der geplanten Abschaltung von Kohlekraftwerken andererseits zu sichern. Der Haken dabei: Bis jetzt existieren noch nicht einmal grobe Planungen für diese Kraftwerke, die in der Vorstellung des Ministeriums künftig ab und zu als Lückenfüller dienen. Das wiederum liegt daran, dass völlig im Unklaren liegt, wer sie betreiben soll. Gaskraftwerke, die nur 1500 oder 2000 Stunden pro Jahr hilfsweise laufen dürfen, können sich durch den Verkauf von Strom nicht finanzieren. Sie bräuchten also massive staatliche Subventionen. Wie das geschehen soll, wie viel es kostet – das alles liegt bisher im typischen Habeck-Nebel.
In schwere Probleme gerät das deutsche Energiewende-System paradoxerweise aber auch, wenn die Sommersonne scheint, und dazu ein guter Wind weht. Dann decken Strom aus Wind- und Solaranlagen an verbrauchsarmen Tagen den Bedarf oft allein, etwa an den Sonntagen im Juli. Am 2., 16. und am 23. Juli erzeugten die Erneuerbaren tagsüber jeweils bis zu 49 Gigawattstunden. Und am letzten Sonntag im Monat, dem 30., schafften sie es fast ohne konventionelle Kraftwerke.
Das Problem liegt in der fehlenden Speicherkapazität. An allen Juli-Sonntagen überstieg das Stromangebot deshalb die Nachfrage, der Strompreis an der Börse kippte ins Negative. Besonders drastisch am 2. Juli: An diesem Tag bekam jemand, der im Ausland eine Megawattstunde aus Deutschland abnahm, an bestimmten Stunden noch 500 Euro obendrauf.
Für Betreiber von Pumpspeicherwerken beispielsweise in Österreich eröffnet sich hier schon länger ein prächtiges Geschäftsfeld: Wenn Deutschland nicht weiß, wohin mit seinem Solar- und Windstrom, nehmen sie ihn plus Entsorgungsprämie – um die Energie dann, wenn der Strompreis wieder ins Positive dreht, wieder teuer in die Bundesrepublik zurück zu verkaufen. Die Entsorgungsgebühr von 500 Euro pro Megawattstunde landet im Rechnungsposten Netzgebühr — und damit bei jedem deutschen Stromkunden. In einigen Regionen machen die Netzgebühren schon bis zu einem Drittel des Strompreises aus.
Der hektische Ausbau von Wind- und Solarenergie bringt also nicht nur keinen planbaren Zuwachs bei der Erzeugung – er verteuert auch die Elektroenergie drastisch. Selbst dann, wenn die versprochenen Wasserstoff-Speicher irgendwann kommen, entspannen sie die Kostensituation nicht. Denn zwischen der Ein- und Ausspeicherung von Stromüberschüssen gehen gut 60 Prozent der Energie verloren, die es zwar ab und zu für Null- oder Negativpreise an der Börse gibt, die aber vorher mit festen Einspeisevergütungen bezahlt werden muss. Diese Sätze liegen derzeit um 4 Cent bei Windkraft und bei bis zu 7,8 Cent pro Kilowattstunde bei Solaranlagen.
Fazit: Kohlekraftwerke werden aller Wahrscheinlichkeit nach auch in den kommenden Jahren einspringen müssen, wenn Sonne und Wind nur wenig liefern. Sie halten den deutschen CO2-Ausstoß also hoch. Und: Der Preis für Elektroenergie dürfte schon wegen der Netzgebühren in Zukunft noch weiter steigen.