Sprüche, Thesen, Propaganda. Was wurde uns nicht alles erzählt über die grüne, erneuerbare und emissionsfreie Zukunft. Es wurde und wird vernebelt und gelogen, was das Zeug hält. Nun hat die Energiewende einen Stand erreicht, in dem sich der Kaiser nackt zeigt und man Schuldige sucht. Und immer noch glauben Menschen diesen Verbalkonstruktionen. Wir sollten die Sprecher und –innen nicht vergessen und ihrer fortan gedenken.
Dummheit und Kalkül haben viele Facetten, das Ranking ist subjektiv. Wer die Reihenfolge anders sieht – gern. Und wer noch ein paar nicht berücksichtigte schöne Fake-, Null- oder Unfugsätze kennt, kann sie gern in der Kommentarspalte nennen.
10 – „Erneuerbare Energien auf der Überholspur“
Das war von mehreren Quellen zu vernehmen, unter anderem von einer Deloitte-Studie. Richtig ist, dass weltweit die Zahl von Wind- und Solaranlagen stark zugenommen hat. Unter „Überholen“ versteht man allerdings, dass jemand schneller oder besser ist oder einen größeren Anteil erlangt. Der globale Anteil fossiler Energiegewinnung betrug 2019 immer noch 81 Prozent, der Anteil der sogenannten „neuen Erneuerbaren“ Wind und Solar betrug ganze 2,2 Prozent. Die Steigerung dieses Anteils fängt nicht die Steigerung des globalen Energiebedarfs auf. Zu dessen Befriedigung tragen steigende Anteile an Kohle- und Gasnutzung bei, erkennbar an weiter steigenden globalen CO2-Emissionen. Überholen sieht anders aus.
9 – „Sonne und Wind schicken keine Rechnung“
Einer der meist zitierten Sätze zur Energiewende stammt von dem Philosophen, Theologen, Politik- und Geschichtswissenschaftler Franz Alt. Als von naturwissenschaftlicher Bildung offenbar weitgehend befreiter Journalist und Christ huldigte er vor allem der Sonnenenergie und hasste die Kernkraft. Falsch an diesem Satz ist, dass auch andere Energiequellen – die Kohle im Flöz, das Erdgas in Gesteinsporen – keine Rechnung schicken. Entscheidend für die Kosten ist der Aufwand, Energie aus diesen Quellen in Nutzenergie umzuwandeln. Dabei haben Wind- und Solarenergie, zumal in unseren Breiten, aufgrund ihrer geringen Energiedichte schlechte Karten. Dazu kommt ihr zufälliges Aufkommen, das die Systemkosten treibt. Fazit: Die Betreiber von Wind- und Solaranlagen schicken heftige Rechnungen, weil Politiker diesem Spruch auf den Leim gegangen sind.
8 – „Irgendwo weht immer Wind“
So sprachen das Fraunhofer Institut für Windenergie und Energie-Systemtechnik und einige andere. Sachlich richtig, so ist es bezogen auf unsere Windstromeinspeisung wieder falsch. Seit mehr als 20 Jahren zeigen die Einspeisekurven von Offshore- und Onshore-Windkraftanlagen einen in der Tendenz gleichen Verlauf. Selbst die Windstromproduktion aller europäischen Länder verläuft gleichförmig. Für komplett verschiedenes Wetter ist Europa nicht groß genug. Ein zentrales Hochdruckgebiet über Mitteleuropa sorgt überall für wenig Wind, kein Vergleich mit Russland (europäischer Teil/Fernost) oder den USA (Ostküste/Westküste), wo das Wetter wirklich grundverschieden sein kann. Sollte in Finnland oder Portugal noch etwas Wind wehen, nützt uns das in Mitteleuropa wenig. In diesem Sommer gab es eine solche Wetterlage, wie auch im Januar/Februar 2021. Die Windstromproduktion brach längerfristig ein. – Der Satz dient der Pflege des Mythos, man könne mit dem massenhaften Ausbau der Windkraft Versorgungssicherheit herstellen. Wir wissen nun aus Erfahrung, es bleibt bei etwa einem Prozent – nirgendwo weht immer Wind.
7 – „Der Anteil der Atomenergie kann und wird problemlos durch erneuerbare Energien ersetzt werden“
So sprach die Multispezialwissenschaftlerin Claudia Kemfert in einem Interview 2012. Gegenwärtig sind wir Zeugen davon, dass weder Atom-, noch Kohle-, noch Gasstrom durch die Erneuerbaren ersetzt werden kann. Die aktuelle progressive Verschwörungstheorie, man hätte halt mehr Erneuerbare installieren müssen, überzeugt nicht. Bei Dunkelheit wie auch Windstille ist es völlig egal, wie viele Anlagen keinen Strom liefern. – Ein Spruch im Sinne der entsprechenden Lobbyisten, geglaubt von halbgebildeten Politikern.
6 – „Atomkraft ist Vergangenheit“
Das twitterte Grünen-Vorsitzender Omid Nouripour (kein beruflicher Hintergrund). Zur Vernebelung der aktuellen Lage und Ablenkung der hausgemachten Probleme zeigen Grüne derzeit gern auf die französischen Kernkraftwerke und ihr durchaus vorhandenes Problem des Reparaturmanagements. Vor allem ist der Spruch ideologisch begründet, gilt es doch, die Reihen der deutschen Kernkraftgegner dicht zu schließen und eventuelle Abweichler ideologisch auf Linie zurückzubringen.
Die Wahrheit ist: Allein 19 europäische Länder betreiben Kernkraftwerke, verlängern Laufzeiten oder bauen aus oder steigen ein. Selbst Drittweltländer wie Bangladesch nutzen inzwischen die Kernkraft. In sonnenverwöhnten Gegenden wie der Türkei, Ägypten, den Emiraten und Saudi-Arabien steigt man ein, obwohl nach grüner Lesart dort das solarenergetische Paradies zum Greifen nah und die Kernkraft viel zu teuer sein sollen. Klimapräsident Biden stützt mit einem Milliardenprogramm die US-Kernkraft. China baut Kernkraftwerke am Fließband, betreibt über 50 Reaktoren und erprobt mit einem Flüssigsalz-Thorium-Reaktor eine neue Generation. – Fazit: Wenn sich Unwissenheit und Ideologie paaren, fällt es leicht, an Dogmen festzuhalten.
5 – „Kohlestrom verstopft die Netze“
Diese fundamentale Schuldzuweisung schenkte uns die Energiespezialistin Annalena Baerbock auf Twitter bereits am 25. Mai 2018. Man möchte ihr sagen: Erklären wir es mal an Ihrer Waschtischarmatur und Ihrem Fön. Also der Wasserhahn oder die Rohrleitung dahin können sich nach langer Zeit durch Ablagerungen zusetzen, der Querschnitt verengt sich und irgendwann passt kein Wasser mehr durch. Dann ist die Leitung verstopft.
Das Kabel zu Ihrem Fön kann nicht verstopfen, weil kein Medium durchfließt (auch wenn Ihnen Claudia Kemfert gesagt hat, da seien Moleküle unterwegs – nein!). Der Strom basiert auf elektrischen Ladungsträgern und wird durch Metallgitterstrukturen weitergeleitet. Da kann höchstens die Spannung zu hoch oder zu niedrig sein, oder es gibt einen Kabelschaden, eine Leiterunterbrechung, etwa wenn man das Kabel in der Badtür einklemmt. Was passiert, wenn die Erneuerbaren „ungehindert“ fließen könnten, aber die Systemdienstleistungen der konventionellen Kraftwerke (Frequenzhaltung, Spannungshaltung) fehlen, erleben wir gerade. Man kann den Wind- und Sonnenstrom nur nutzen, wenn er in ein vorhandenes Netz eingebettet und betreut wird.
4 – „Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem“
Das verlautbarte Gas- und Stromminister Robert Habeck noch im Juli. Inzwischen zeigt sich, dass aufziehender Strommangel eine Preisbombe zünden wird, die die Gasbombe in der Höhe noch übertreffen könnte. Aus drei Gründen ist der Satz Unfug und im Grunde eine Beleidigung für den Intellekt der Bevölkerung:
- Die Sektorenkopplung ist Staatsziel, das heißt, künftig soll auch der Wärmemarkt durch Strom abgesichert werden. Bereits heute laufen fast eine Million Wärmepumpen im Land – mit Strom.
- Derzeit produzieren Gaskraftwerke durchgehend zwischen 2.000 und 12.000 Megawatt Strom. Die angekündigte Substitution durch Kohlestrom kommt kaum voran, auch weil das „Ersatzkraftwerkebereitstellungsgesetz“ handwerklich schlecht gemacht ist
- Setzt man im Winter Sparmaßnahmen im Wärmebereich durch (abgesenkte Raumtemperaturen), werden viele Menschen zu elektrischen Heizlüftern greifen. Das ist absolut kritisch für eine ohnehin angespannte Situation im Stromnetz.
Motivation Habecks für diese Formulierung ist der tiefgrüne ideologische Ansatz, die Kernkraft aus der Mangeldiskussion heraus zu halten und den Ausstieg durchzuziehen.
3 – „Putin hat das Gas, wir haben die Kraft“
Das ließ uns Energie- und Kraftminister Robert Habeck wissen. Ob er jetzt die Windkraft meinte, den Energieinhalt veganer Ernährung oder die quotierte Frauenpower bei den Grünen, ließ er offen. Er scheint eher die Kraft überlegener westlicher Lebensweise zu meinen, die sie überwiegend aus ihren hohen, ständig steigenden Moralansprüchen zieht. Da er es nicht näher erklärte, bleibt es ein Propagandaspruch auf dem Niveau einer Durchhalteparole.
2 – „Deswegen fungiert das Netz als Speicher“
Die Hörerschaft des Deutschlandfunks – na gut, so viele werden es nicht gewesen sein – nahm diesen Spruch der Expertin für alles, Annalena Baerbock, teils mit Erstaunen zur Kenntnis. Dann ging der Spruch viral.
Annalena Baerbock, das „Netz“ ist ein riesengroßes System (sozusagen die von Menschenhand größte je gebaute Maschine), das aus tausenden von Kilometern an Kabeln, sozusagen dicken Drähten besteht. Diese Drähte können Strom weiterleiten, je nach Spannungsdifferenz und Frequenz mehr oder weniger. Ansonsten sind sie stockdoof. Sie können weder speichern, noch können sie intelligent sein, was ihnen auch oft angedichtet wird. Intelligent kann man nur Erzeugung und Verbrauch regeln.
Im Nachgang wurde dann hineininterpretiert, Sie hätten das Gasnetz gemeint. Angesichts der Formulierung der Frage kann so viel Missverständnis gar nicht sein. Von der Moderatorin des Deutschlandfunks gab es übrigens keine Nachfrage. Einer grünen Spitzenfrau stellt man keine unangenehmen Fragen.
Mit einem dezenten Trommelwirbel kommen wir jetzt zur Nummer 1, dem Champion, dem Spitzenreiter, dem Spruch, der am Weitesten von den Realitäten entfernt ist:
1 – „Wir haben Speicher noch und nöcher“
In einem WISO-Magazin des ZDF formulierte Miss Energiewende Claudia Kemfert dies und sie hat unzweifelhaft nicht die Gas- sondern die Stromspeicher gemeint. Rein sachlich wurde diese Aussage bereits in der Sendung richtiggestellt, deshalb dazu keine Erläuterung.
Es wird immer wieder dumme Sprüche zur Energiewende geben, interessengeleitet, oft regierungskonform. Leider gibt es in der Wählerschaft zwei historische Konstanten: Man glaubt zu viel und vergisst zu schnell. Deshalb sollte man solche Zitate nicht dem Vergessen anheim fallen lassen. Speichern wir sie gut ab.