Die Bundesregierung hat mit dem Entwurf eines Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) ambitionierte Energieeinsparziele für Bund und Länder festgeschrieben und einschneidende Regulierungen für Rechenzentren und für die Abwärme emittierende Industrie festgelegt. Der Gesetzentwurf wurde am 19. April 2023 vom Bundeskabinett beschlossen und am 12. Juni 2023 dem Bundestag zur Anhörung vorgelegt (BT-Drucksache 20/6872).
Diesen Regulierungsmaßnahmen liegen gesellschaftliche Steuerungsvorstellungen zugrunde, die eine neue Qualität in den dirigistischen Staatseingriffen in unsere Soziale Marktwirtschaft aufweisen sowie die wirtschaftlichen Realitäten und die menschlichen Bedürfnisse verkennen: Sie stellen – zusammen mit dem ebenso dirigistischen Gebäudeenergiegesetz (GEG) – einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer „Klima-Planwirtschaft“ in Deutschland dar. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ignoriert dabei die liberalen Überzeugungen Ludwig Erhards (und muss dessen Büste aus dem Wirtschaftsministerium wieder zurückgeben) und setzt stattdessen auf die Positionen der italienisch-amerikanischen Ökonomin Marina Mazzucato, die den Staat zu einem zentralen Akteur in der gesellschaftlichen Transformation macht. Die Bundesregierung straft auch einmal mehr die Forderungen des Bundesrechnungshofes Lügen, dass alle Klimaschutzmaßnahmen auf „wirksame und wirtschaftliche Treibhausgas-Minderung“ ausgerichtet werden müssen“ (vgl. hier Seiten 6 bis 8).
Das Energieeffizienzgesetz (EnEfG): Ankündigung und Entwurf
Am 17. Oktober 2022 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz – vor dem Hintergrund der zum 16. April 2023 geplanten Abschaltung der letzten drei deutschen Kernkraftwerke – ein ambitioniertes Energieeffizienzgesetz angekündigt. Das Energieeffizienzgesetz soll konkrete ambitionierte Energieeffizienzziele – in Wahrheit aber: Energieeinsparziele – für den Endenergie- und den Primärenergieverbrauch für die Zeiträume bis 2030, bis 2040 und bis 2045 für den Bund und für die Länder festlegen. Der Energieverbrauch wird somit politisch gedeckelt und jährlich verringert.
Es werden umfangreiche und detaillierte Einsparverpflichtungen für Rechenzentren aufgestellt, die zum Beispiel die Mindesttemperatur für die Luftkühlung (ab 1.1.2024 bis zu 27 Grad Celsius) und den Stromverbrauch aus „ungefördertem Strom“ (also nicht aus durch EEG geförderten Anlagen) aus erneuerbaren Energie zu regulieren. Die Rechenzentren müssen zudem einer Informations- und Dokumentationspflicht sowie einer Eintragungspflicht in ein öffentliches Energieeffizienzregister bei dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nachkommen. Für Unternehmen, die Abwärme emittieren, sind auch umfangreiche Informations- und Berichtspflichten gegenüber der Bundesstelle für Energieeffizienz (respektive BAFA) enthalten.
Wieder einmal: Überambitionierte Energieeinsparziele
Mit dem vorliegenden Gesetz betreibt die Bundesregierung politisch gezielt „Etikettenschwindel“, denn entgegen der Gesetzesüberschrift wird nicht primär eine Energieeffizienzverbesserung angestrebt, sondern der gesamte Energieverbrauch politisch gedeckelt (TE berichtete).
Die Bundesregierung formuliert ambitionierte Energieeinsparziele, die weit über die Vorgaben der EU-Energieeffizienz-Richtlinie hinausgehen und diese vorwegenehmen, weil der Überarbeitungsprozess im Rahmen des EU-Trilogs noch gar nicht final abgeschlossen ist. Die überambitionierte Formulierung der nationalen Energieeinsparziele widerspricht der Umsetzung der Klimaschutzziele im Industriesektor und erweist sich letztlich als kontraproduktiv. Denn Industrieziele können oftmals nur durch innovative Maßnahmen oder technische Verfahren erreicht werden, die mit einem – zumindest temporär – gesteigerten Energieverbrauch einhergehen, wenn zum Beispiel fossile Energieträger bzw. Grundstoffe durch wasserstoffbasierte Produkte oder Biomasse substituiert werden.
Die Bundesregierung zeigt einmal mehr, dass sie lieber ordnungspolitisch von harter Hand vorgibt, was der Markt viel effizienter erbringen würde. Die Politik hat kein Vertrauen in Preissignale und in eine marktwirtschaftliche Allokation und damit auch kein Zutrauen in den CO2-Preis als zentrales Lenkungsinstrument für einen wirksamen und effizienten Klimaschutz. In der Gesetzesbegründung werden daher auch keine Alternativen zu diesen staatlichen Regulierungen und Vorschriften gesehen. Und weiter heißt es: „Insbesondere reicht das Kohlendioxid-Preissignal durch den Emissionshandel bei vielen Unternehmen allen nicht aus, um die bestehenden Effizienzpotenziale zu realisieren.“
Staatliche Energieverknappungspolitik führt zu Deindustrialisierung
Das Gesetz geht am eigentlichen Ziel (und Namen) der Effizienzsteigerung vorbei, denn ex definitione ist Energieeffizienz eine Input-Output-Relation, die logischerweise auf einen Output-Bezug in einem Jahresvergleich abstellt (zum Beispiel Bruttoproduktionswert, Industrieproduktion). Energieeffizienz ist daher immer eine relative und keine absolute Größe; relevant ist der spezifische Energieverbrauch.
Über die Verringerung des Inputs (zum Beispiel durch eine Stilllegung der Produktion oder Verlagerung ins Ausland) kann der Energieverbrauch – wie politisch gewünscht – gesenkt, ohne dass sich an der Energieeffizienz etwas ändert. Der staatlich verordnete Energieeinsparpfad von rund 2.500 TWh (derzeit) auf 1.400 TWh (2045) wird die Industrie realistischer Weise nur durch Herunterfahren der Produktion oder Verlagerung ins Ausland von (energieintensiver) Wertschöpfung erreicht können. Genau das empfiehlt der damalige Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Patrick Graichen der energieintensiven Industrie in Deutschland in deutlichen Worten.
Und Teile der deutschen Industrie befolgen dies bereits und investieren verstärkt in China oder den USA, in denen die Energiekosten ein Fünftel bzw. ein Viertel der Energiekosten in Deutschland betragen.
Perspektivisch wird das politisch gezielt verknappte Gut Energie für die Unternehmen immer wichtiger und so die eigentliche unternehmerische Tätigkeit (das heißt die Produktion von Waren und Dienstleistungen) immer mehr in den Hintergrund treten lassen. – Es mutet dann schon paradox an, dass die Bundesregierung einerseits die Energie gezielt und kontinuierlich verknappt, andererseits aber den Energieverbrauch künstlich subventioniert (siehe Diskussion um den von Robert Habeck ins Spiel gebrachten „Brückenstrompreis“) und damit (indirekt) wieder den Energieverbrauch ankurbelt.
Die politische Deckelung des Endenergieverbrauchs führt zu einer Schrumpfung der inländischen Wirtschaftsleistung und einem Wohlstandsverlust – sofern nicht die Endenergieproduktivität extrem zunimmt. Bei gegebener Endenergieproduktivität führt ein reduzierter Energieeinsatz zwangsläufig zu einer verringerten Wirtschaftsleistung. Der DIHK veranschaulicht dies anhand von vier unterschiedlichen Szenarien: „Wohlstandsverluste durch das geplante Energieeffizienzgesetz?“(dihk.de). Das EnEfG wird sich als „zentrales Schrumpfungsgesetz für Wirtschaft und Wohlstand“ in Deutschland erweisen, so IHK-Hauptgeschäftsführer für München und Oberbayern Manfred Gößl. Und der Präsident des Ifo-Instituts Prof. Clemens Fuest bezeichnet es schlichtweg als „Wachstumskiller“ (Handelsblatt vom 12. Mai 2023).
Die Verringerung des Energieverbrauchs scheint daher das eigentliche Ziel zu sein, denn diese Bundesregierung setzt ja in allen Bereichen ihre systematische Energieverknappungspolitik unbeirrt fort. Es ist allgemein bekannt, dass eine versorgungssichere und bezahlbare Energieversorgung das Rückgrat von Industrie und Wohlstand für eine moderne Gesellschaft bildet. Dieser Erkenntnis folgend haben bedeutende und weitsichtige Politiker (zu nennen wären hier vor allem Franz-Josef Strauß) in den 1960er und 1970er Jahren erfolgreich dazu beigetragen, die Energieinfrastruktur in Bayern auszubauen und Bayern von einem rückständigen Agrarland zu einer modernen Industriegesellschaft zu entwickeln. Vor allem die Vertreter der Grünen setzen aber seit jeher konsequent auf eine politische Verknappung der Energie. Joschka Fischer hatte mit seinem Buch „Der Umbau der Industriegesellschaft“ im Jahr 1989 diesen Weg bereits vorgezeichnet, der alle Parteiprogramme der Grünen noch heute sehr prägnant durchzieht.
Unternehmerische Handlungsfreiheit nur „von staatlichen Gnaden“ und bei vollständiger Erfüllung staatlicher Vorgaben
Unternehmensentscheidungen sind stets eng an die jeweilige Unternehmensstrategie gebunden, die letztlich die Grundlage für alle unternehmerischen Entscheidungen bildet. Das Gesetz greift massiv in die unternehmerische Handlungs- und Entscheidungsfreiheit ein und verlangt in der Realität zum Teil nicht erfüllbare Vorgaben: So wird zum Beispiel die Errichtung von neuen Rechenzentren an die Vorbedingung von (aufnahmefähigen) Wärmenetzen geknüpft. Die (meist beschränkte) Anschlussleistung des lokalen Wärmeabnehmers, wenn dieser überhaupt vorhanden ist, begrenzt dann unmittelbar die maximale Größe bzw. Leistungsfähigkeit des Rechenzentrums.
Dauerhafte Energieeffizienzverbesserungen und Energieeinsparungen sind aber in unternehmerische Transformationspläne zur Klimaneutralität eingebunden und müssen in der Gesamtperspektive des Unternehmens betrachtet werden. Die Sinnhaftigkeit von Energieeffizienzmaßnahmen ergibt sich nur aus dem Gesamtkontext und darf nicht losgelöst oder einseitig politisch priorisiert werden. Es besteht zudem die Gefahr, die erheblichen Transformationsanstrengungen der Industrie auszubremsen, da diese oft mit einem zwar höheren, aber weniger klimaschädlichen Energieverbrauch verbunden sind (zum Beispiel Elektrifizierungsmaßnahmen, CCU/CCS-Technologien, Einsatz von Wasserstoff). Wenn aber die Energieeinsparung einseitig priorisiert und eine politisch gesteuerte Allokation vorangetrieben wird, werden sich zwangläufig unerwünschte Fehlallokationen einstellen. Pauschale Technologievorgaben und umfangreiche, detaillierte staatliche Vorschriften werden eben nicht dem jeweiligen unternehmerischen Umfeld gerecht, greifen in die unternehmerische Entscheidungsfreiheit ein und zerstören den marktwirtschaftlichen Leistungswettbewerb.
Dirigistische Eingriffe und paternalistische Bevormundung
Aus ordnungspolitischen Überlegungen heraus erscheint es höchst fragwürdig, warum wirtschaftlich handelnde Akteure per Gesetz zu etwas gezwungen werden sollen (Einschränkung der unternehmerischen Handlungs- und Vertragsfreiheit), was gerade angesichts der hohen Energiepreise ohnehin wirtschaftlich sinnvoll ist und in ihrem wohlverstandenen wirtschaftlichen Eigeninteresse liegt. Eine Verpflichtung von Unternehmen mit mehr als 2,5 Gigawattstunden Energieverbrauch pro Jahr, Umsetzungspläne für alle wirtschaftlich identifizierten Energieeinsparmaßnahmen zu erstellen und zu veröffentlichen, ist mit der unternehmerischen Freiheit in unserer Sozialen Marktwirtschaft nicht vereinbar. Die Erfüllung des Kriteriums „Wirtschaftlichkeit“ soll „bürokratisch“ bewertet werden (DIN EN 17463), denn die ISO 50001 hatte bisher keine Kapitalwertberechnung für Energieeffizienzmaßnahmen erfordert.
War bisher die Erbringung von Nachweisen gegenüber Behörden nur im Falle von Gegenleistungen gefordert (zum Beispiel Antrag für ein Förderprogramm), so sollen jetzt die staatlichen Behörden über alle unternehmerischen Energieeinspar- und Energieeffizienzaktivitäten laufend informiert werden. Eine Pflicht zur Erstellung eines zusätzlichen Planes bedeutet für die Unternehmen letztlich ein administrativer Mehraufwand parallel zu den bisherigen Verfahren. – Aber wer garantiert, dass bei einer Novellierung des Energieeffizienzgesetzes in Zukunft nicht auch noch die Umsetzungsverpflichtung hinzukommt oder dass die vorgelegten Einsparpläne von den Behörden für gut befunden werden müssen?
Weitere Regulierungen – widerspricht Forderungen nach Bürokratieabbau und Beschleunigung von Verwaltungsverfahren
Die umfangreichen Verpflichtungen zur Information und Veröffentlichung detaillierter Unternehmensdaten (vor allem zum Energieverbrauch) für Rechenzentren, Industrieunternehmen und Abwärme emittierender Unternehmen belasten die Unternehmer finanziell und schränken deren unternehmerische Freiheit ein. Eine erweiterte Auskunfts- und noch mehr: Veröffentlichungspflicht gefährdet darüber hinaus Betriebsgeheimnisse, greift in sensible, wettbewerbsrelevante Unternehmensbereiche ein und gefährdet letztlich sogar den Industriestandort Deutschland.
Die umfangreiche Dokumentation (Energie-/Umweltmanagementsystem) der Einsparmaßnahmen erfordert einen hohen finanziellen, administrativen und personellen Personal- und Mittelbedarf sowohl in der Wirtschaft als auch in der öffentlichen Verwaltung und verlangsamt bzw. verunmöglicht weitere unternehmerische oder administrative Aktivitäten. – Es überrascht, dass hier weitere Bürokratie- und Verwaltungslasten neu geschaffen werden, wo in der Gesellschaft doch Überbürokratisierung und gesellschaftlicher Stillstand allseits beklagt werden und wo es doch darum gehen sollte, Genehmigungsprozesse zu beschleunigen und die Wirtschafts- und Innovationskraft in Deutschland zu erhalten. Oder dient dies vielleicht nur der Arbeitsplatzbeschaffung für die bereits jetzt schon ausufernde und aufgeblähte klimaadministrative Dokumentations-, Monitoring- und Kontrollbürokratie?
Politische statt ökonomische Allokation
Diese Bundesregierung hat einen grundlegenden wirtschaftspolitischen Paradigmenwechsel eingeläutet, der ganz besonders in der im Energieeffizienzgesetz verfolgten interventionistisch-dirigistischen Energiepolitik zum Ausdruck kommt. Es scheint, dass eine ideologisch motivierte Klimapolitik zur alleinigen Richtschnur des wirtschaftspolitischen Handelns in Deutschland avanciert, die – mit einer sozialkonstruktivistischen Denkweise und einer staatsoptimistischen Einstellung – wenig realistische Klimaschutzziele mittels politisch gewünschter Technologien und um jeden Preis zu erreichen versucht.
Die Politik – und nicht die Wirtschaft – entscheidet maßgeblich, wie die Klimaschutzziele erreicht werden sollen, es handelt sich hier um eine politische Allokation und nicht mehr um eine ökonomische Allokation. Die einseitigen und ideologiefixierten Entscheidungen für batterieelektrische Fahrzeuge im Verkehrsbereich, Wärmepumpen im Gebäudebereich sowie Photovoltaik und Windkraft in der Energieerzeugung zeugen davon. Dies ist kennzeichnend für staatlich gelenkte Volkswirtschaften, wenn der Staat nicht nur die Ziele, sondern auch gleich die Mittel zur Zielerreichung festlegt und keine Alternativen mehr zulässt.
Die unternehmerischen Freiheiten werden stark eingeschränkt oder nur unter staatlichen Auflagen gewährt. Ureigene unternehmerische Entscheidungen werden zu administrativ-bürokratischen Vorgängen umgedeutet, wenn Entscheidungskriterien wie zum Beispiel „wirtschaftlich“ und „zumutbar“ von staatlichen Stellen bewertet werden. Die Politik nimmt die berechtigten Sorgen und weitverbreitete Verunsicherung der Menschen nicht Ernst, sondern bevormundet und entmündigt die Menschen, verweist sie auf staatliche Transfers und gefällt sich vorwiegend in Schönreden und Gesundbeten. Schönreden und Gesundbeten ändern aber nichts an marktwidrigen dirigistischen Staatsinterventionen und umfangreichen Regulierungsauflagen und immer weiter steigenden Bürokratieerfordernissen. Es ist sehr bedauerlich, dass die Politik das Vertrauen in die markwirtschaftliche Entwicklung (nahezu) vollständig verloren hat.
Dr. Rupert Pritzl hat Volkswirtschaftslehre, Romanistik und Philosophie an den Universitäten Münster, Sevilla und Freiburg studiert. Er ist seit 1997 im Bayerischen Wirtschaftsministerium tätig und seit 2021 Lehrbeauftragter für „Verhaltensökonomie & Umweltpsychologie“ an der FOM Hochschule München. Er gibt seine persönliche Meinung wieder.