Der neueste Berufsbildungsbericht liegt noch nicht vor. Aus dem Entwurf sind allerdings einige Zahlen durchgedrungen, die erneut belegen, wie hoffnungslos schief die (vormalige) Bildungsnation, ja die deutsche Volkswirtschaft geworden sind. Durchgedrungen ist bislang vor allem Folgendes: Über 2,5 Millionen junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 34 Jahren sind sogenannte Ungelernte, sie haben also keinen beruflichen Abschluss.
Das ist jeder Sechste in dieser Altersgruppe (17 Prozent). Im Jahr 2020 waren es 2,33 Millionen (entsprechend 15,5 Prozent) der Altersgruppe, im Jahr 2016 wurden erstmals die 2 Millionen überschritten. Quer zu diesen Zahlen steht die Zahl der offenen Stellen für qualifizierte Fachkräfte. Sie ist 2022 stark angestiegen und hat mit 1,3 Millionen (2021 knapp 1 Million) ein neues Rekordniveau erreicht (siehe hier und hier).
Weitere Schieflagen
Was den Zustand der Bildungsnation und des Wirtschaftsstandortes Deutschland betrifft, passt längst vieles nicht mehr zusammen. Beispiele und Vergleiche:
- Eine wahre Pseudo-Akademisierung ist mitverantwortlich für den Fachkräftemangel: Im Jahr 2022 gab es in Deutschland 2,915 Millionen Studenten, eine Studierquote von 54,7 Prozent und dem gegenüber nur 1,216 Millionen Azubis. Vor zwanzig Jahren war dieses Verhältnis noch halbwegs im Lot: 1,9 Millionen Studenten und 1,6 Millionen Azubis.
- Im Jahr 2022 schlossen 517.000 junge Leute ein Studium ab, aber nur knapp 400.000 junge Leute eine berufliche Bildung.
- 330 Berufsbildungsordnungen steht eine Inflation von 18.000 Studienordnungen gegenüber.
Und wie reagiert der zuständige Minister Hubertus Heil (SPD)? Mit rhetorischer Salbe: „Damit Fachkräftemangel nicht zur Wachstumsbremse wird, müssen wir alle Register ziehen.“ Er setzt auf ein Weiterbildungsgesetz, das vom Kabinett soeben im Entwurf verabschiedet wurde. Damit will die „Ampel“ eine Ausbildungsgarantie und ein Anrecht auf eine überbetriebliche Ausbildung einführen.
Zuwanderung? Was hat sie – wiewohl massenhaft erfolgt – gebracht? In der genannten Alterskohorte 20 bis 34 ist jedenfalls in etwa jeder fünfte nicht in Deutschland geboren und aufgewachsen und hat keine hier anerkannte Ausbildung. Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund gilt das nur für jeden Zehnten. Umgerechnet heißt das: Von den 2,5 Millionen ungelernten jungen Erwachsenen stellen Zuwanderer rund 1,7 Millionen.
Diese Zahlen korrespondieren mit der allgemeinen Statistik der Arbeitslosigkeit: 2022 lag die Arbeitslosenquote im Jahresschnitt bei 5,3 Prozent, bei Ungelernten bei fast 20 Prozent. Und: Von den derzeit rund 881.000 Langzeitarbeitslosen haben 60 Prozent keine abgeschlossene Ausbildung. Die Arbeitslosenquote unter Personen mit Migrationshintergrund beträgt ein Mehrfaches der allgemeinen Arbeitslosigkeit: 15,6 Prozent versus 5,7 Prozent.
Binnen-Potentiale ausschöpfen!
Im April-Heft des TE-Magazins (Seiten 52 bis 54) haben wir die Mär vom angeblich riesigen Zuwanderungsbedarf zerpflückt. Nein, Zuwanderung ist nicht das Allheilmittel. Damit allein ist es schon deshalb nicht getan, weil die Zugewanderten bzw. deren in Deutschland geborene Kinder bei Bildungstests oft bis zu zwei Schuljahre hinterherhinken. Deren niedriges Bildungsniveau (hier im Alter von 25 bis 34) wird von „Eurostat“ bestätigt. Danach sind 29,2 Prozent „Niedrigqualifizierte“, das heißt, sie haben keine Berufsausbildung und keinen höheren Schulabschuss.
Erforderlich ist eine Beseitigung des Fachkräftemangels durch Hebung von Binnenkräften. Hier liegt manches brach:
- Anfang 2023 gab es in Deutschland 2,62 Millionen Arbeitslose, davon etwa 18 Prozent ohne Hauptschulabschluss und weitere 55 Prozent ohne abgeschlossene Berufsausbildung. Fast 900.000 davon sind jünger als 35 Jahre, also fähig für eine Ausbildung oder eine Umschulung.
- Jedes Jahr bleiben einhunderttausend junge Leute ohne Bildungs- und Berufsabschluss. Ferner: Berechnet über die Jahre einer verschleiernd „Verweildauer“ genannten Studierzeit hinweg, bricht von den 2,9 Millionen Studenten ein Drittel das Studium ohne Abschluss ab. Hier muss es gelingen, die Zahl der Bildungs-, Ausbildungs- und Studienabbrecher mit nachdrücklichen politischen und rechtlichen Mitteln wenigstens zu halbieren.
- Das Alter der Hochschulabsolventen mit Master hat sich bei 27 Jahre eingependelt. Mit anderen Worten: Viele Hochschulabsolventen kommen reichlich spät auf den Arbeitsmarkt. Die deutschen Hochschulen „produzieren“ und installieren zugleich immer mehr Studiengänge, deren Abgänger nichts zum Sozialprodukt beitragen: siehe Gender-, kritische Weißseins- und postkoloniale Forschung. Alles Fehlinvestitionen, weil konsumtive Ausgaben!
- Es muss gelingen, die Zahl der Auswanderer zu halbieren. Denn jährlich verlassen Hunderttausende das Land: viele für einige Jahre, viele auf Dauer – meist junge und gut qualifizierte Leute. Viele aus beruflichen Gründen, viele wegen andernorts besserer Verdienstmöglichkeiten, viele wegen des deutschen Steuersystems und wegen teurer Lebenshaltung in Deutschland. Viele auch wegen des politisch stickigen Klimas in Deutschland. Seit 1991 etwa sind 1,3 Millionen Deutsche ausgewandert und nicht zurückgekehrt.
Resümee: Deutschland hätte auch ohne Zuwanderung erhebliche „stille Reserven“. Fachkräftegewinnung qua Zuwanderung? Nein, das sind Träumereien, wie sie von hochgerühmter „Experten“ produziert wurden. Etwa vom SPD-affinen Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Am 12. März 2016 sagte er: „Ein Flüchtling erwirtschaftet spätestens nach sieben Jahren mehr, als er den Staat kostet. Viele der Geflüchteten werden die Renten der Babyboomer zahlen.“ Jetzt sind übrigens diese „sieben Jahre“ vergangen.