Tichys Einblick
Note sechs

Wieder eine PISA-„Sonderstudie“ mit ideologischem Faktor

Es gibt keine einzige Studie, die der Ganztagsschule und deren Schülern auch nur einen kleinen Vorteil in puncto Schulleistung oder Aufstieg bestätigen könnte. Im übrigen sei angefügt: Ob ein Schüler eine Ganztagsschule besucht, hat Pisa gar nicht erfasst.

© ED OUDENAARDEN/AFP/Getty Images

Die selbsternannte Erziehungs- und PISA-Großmacht OECD dreht und wendet es immer in dieselbe Richtung: Am Ende kommt stets die Forderung nach mehr Gesamt- bzw. Gemeinschaftsschule, also Einheitsschule und nach mehr Ganztagsschule heraus.

So auch jetzt bei der jüngsten, gefühlt x-ten Sonderauswertung einer Pisa-Studie. Das einzige halbwegs interessante Detail der Studie ist in wenigen Sätzen zusammengefasst: „Immer mehr Schüler aus bildungsschwachen Elternhäusern zeigen in der PISA-Studie solide Leistungen. Der Anteil sozial benachteiligter Jugendlicher mit guten Ergebnissen im Test stieg auf 32,2 Prozent.

Im Jahr 2006 hatte lediglich ein Viertel der bildungsfernen Getesteten gut abgeschnitten.“ So meldete es soeben die „tagesschau“. Und OECD-Obertester Andreas Schleicher fügt in einem seiner vielen Interviews hinzu: „Der Anteil resilienter Schüler – also Schüler, die aus einem sozial ungünstigen Umfeld kommen und trotzdem gute Leistungen erreichen – ist in Deutschland weiter gestiegen.“

Studienschwemme
Wieder mal eine Pisa-Junk- und Fake-Studie
Aber allein schon mit diesen Sätzen werden Fragen aufgeworfen, die freilich kein Teilnehmer der Pressekonferenz zu stellen wagte. Weiß Schleicher eigentlich, was „Resilienz“ ist? Wie ist ein „bildungsschwaches Elternhaus“ definiert? Wie wird die Herkunft der Schüler überhaupt erfasst? Wurde ein Migrantenhintergrund mit erfragt? Fragen über Fragen – unbeantwortet! All dies hindert Schleicher nicht daran, sofort seine Lieblingsleier anzustimmen: Deutschland „sortiere“ Schüler mit zehn Jahren zu früh. Am Rande: Mit Pisa wurden Fünfzehnjährige getestet! Schleicher weiter: Deutschland habe zu wenig Ganztagsschule. Singapur sei in jeder Hinsicht besser. Und: „Eine stärkere soziale Durchmischung an Schulen wirkt sich positiv aus.“

Also doch wieder Gesamtschule, Gemeinschaftsschule, Ganztagsschule, wenn es nach der OECD geht! Und wenn es nach den „Öffentlich-Rechtlichen“ geht, die dieses Märchen ins Bild setzen, als sie zur aktuellen „Studie“ schöne Szenen aus Gesamtschulen brachten. Alles daneben! Gesamtschule hat in Deutschland – wirklich empirisch belegt! – Jahrzehnte durchschlagender Erfolglosigkeit hinter sich. Sie hat keineswegs bessere soziale Aufstiegschancen eröffnet. Dafür war und ist sie um 30 Prozent teurer als das gegliederte Schulwesen. Und es gibt keine einzige Studie, die der Ganztagsschule bzw. deren Schülern auch nur einen kleinen Vorteil in puncto Schulleistung oder Aufstieg bestätigen könnte. Im übrigen sei angefügt: Ob ein Schüler eine Ganztagsschule besucht, ist mit Pisa gar nicht erfasst worden.

Der OECD-Direktor Schleicher bewegt sich also einmal mehr im luftleeren Raum.
Das heißt nicht, dass an Deutschlands Schulen nichts verbesserungsfähig bzw. verbesserungsbedürftig ist. Aber Fortschritte gibt es nur, wenn man den echten Problemen ins Auge schaut. Zum Beispiel dem Problem, dass Deutschlands Schulen mit einer völlig voraussetzungslosen Migration überfordert sind, wie man sie in keinem der hochgerühmten Länder Kanada oder Singapur oder Finnland hat.


Josef Kraus war Oberstudiendirektor, Präsident des deutschen Lehrerverbands, wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und als „Titan der Bildungspolitik“ bezeichnet. Er hat Bestseller zu Bildungsthemen verfasst und sein jüngstes Werk Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt erhalten Sie in unserem Shop: www.tichyseinblick.shop

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