Etwa ein Drittel der rund 11 Millionen Schüler an Deutschlands Schulen hat einen Migrationshintergrund, und rund ein Zehntel besitzt nicht die deutsche Staatsangehörigkeit. Das hat Auswirkungen auf Schulleistungen: im konkreten Einzelfall, aber auch auf das Leistungsniveau ganzer Klassen. So weiß man, dass ein Anteil von mehr als einem Drittel an Schülern mit Migrationshintergrund zu einer signifikanten Absenkung des Leistungsniveaus der gesamten Klasse führt. Wie das bei den gar nicht so seltenen Klassen mit 80 und 90 Prozent Migrantenanteil aussieht, muss man nicht weiter vorrechnen.
Was ist das Kernproblem? Es sind die mangelnden Deutschkenntnisse. Und wie geht die Schulpolitik damit um? Auch hier ist die Antwort klar: hilflos! Wenn ein mutiger CDU-Mann wie Carsten Linnemann fordert, dass eine Einschulung nur erfolgen soll, wenn die Kinder zumindest rudimentäre Deutschkenntnisse mitbringen, geht der Aufschrei „Diskriminierung!“ durch die Willkommensrepublik. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) verrannte sich Anfang August 2019 in der Süddeutschen Zeitung gar in die heftige Aussage, Linnemanns Forderung sei „populistischer Unfug“ und „der völlig falsche Weg“. Siehe hier und hier.
Nun hat eben diese Bildungsministerin einen pädagogischen Ladenhüter aus dem Hut gezaubert. Sie will sukzessive mehr „muttersprachlichen Unterricht“ anbieten. Zwei Pilotschulen sollen spätestens nach den Herbstferien Unterricht auf Türkisch anbieten: konkret die Gotthard-Kühl-Schule im Stadtteil St. Lorenz Nord in Lübeck und die Theodor-Storm-Schule in Kiel. Beides sind Grund- und Gemeinschaftsschulen.
Apropos Begriff „muttersprachlich“: es geht hier nicht um die deutsche Sprache, sondern um „herkunftssprachlichen“ Unterricht, also um einen Unterricht in der Herkunftssprache von Kindern mit „Migrationshintergrund“ bzw. von „ndH“-Schülern, also Kindern „nicht-deutscher Herkunftssprache“. Welches der verschiedenen Modelle Prien damit meint, ist nicht klar. Denn es gibt mehrere davon:
- muttersprachlicher Unterricht mit dem Ziel der „Remigration“; hier geht man davon aus, dass die Kinder wieder ins Herkunftsland der Eltern zurückkehren und sie damit auf die Rückkehr ins dortige Schulsystem vorbereitet werden;
- muttersprachlicher Unterricht mit dem Ziel der „Zweisprachigkeit“;
- muttersprachlicher Unterricht mit dem Ziel der „Assimilation“, also einer kompletten Integration ins Gastland.
Sodann scheint nicht klar, in welcher Form Priens „muttersprachlicher Unterricht“ stattfindet: als Unterrichtsfach oder als Unterrichtssprache; parallel zum Regelunterricht oder im „team teaching“ mit zwei Lehrern integrativ während des Regelunterrichts oder als zusätzlicher Nachmittagsunterricht.
Lassen wir das Problem beiseite, dass es schier aussichtslos sein dürfte, hierfür genügend qualifizierte und rechtstreue Lehrer zu finden. Wenn Prien sich nun anschickt, an der Kieler Universität einen Studiengang „Türkisch als Ergänzungsfach“ einzurichten, so denkt sie wohl in der zeitlichen Kategorie einer ganzen Schülergeneration. Währenddessen sind immer mehr Bundesländer auf diesen Weg eingeschwenkt. An den Schulen Hamburgs etwa werden Arabisch, Albanisch, Bosnisch, Dari, Farsi, Polnisch, Russisch und Türkisch unterrichtet. Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und das Saarland bieten an ausgewählten Schulen Arabisch-Unterricht an. Nur in sechs Bundesländern gibt es keinen staatlich finanzierten und organisierten herkunftssprachlichen Unterricht. Dazu zählen unter anderem Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Thüringen. In Bayern gehört der „muttersprachliche Ergänzungsunterricht“ bereits seit 2004 der Vergangenheit an. Schon 2004 beschloss Bayern, das Angebot nicht länger zu finanzieren und innerhalb von fünf Jahren völlig abzuschaffen.
Rund 90 Prozent der Eltern mit Migrationshintergrund möchten übrigens, dass ihre Kinder in ihrer Muttersprache unterrichtet werden. Das ist das Ergebnis einer im Dezember 2016 veröffentlichten Studie der Universität Hamburg.
Was aber ist von all dem zu halten? Wenig! Herkunftssprachlicher Unterricht, vor allem wenn die Herkunftssprache als Unterrichtssprache benutzt wird, ist anti-integrativ. Damit wird nicht nur das Leistungsniveau deutscher Schulen insgesamt abgesenkt, sondern es werden auch die ohnehin schon längst etablierten Parallelgesellschaften gefördert.
Und was könnte Priens Motivation sein? Nun, sie dient einem Ministerpräsidenten Daniel Günther (CDU), der gar nicht genug „Neuankömmlinge“ in Deutschland haben kann; und sie ist die Bildungsministerin einer „Jamaika“-Koalition. Diese hatte bereits im Juni 2017 in ihren Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Herkunftssprachlicher Unterricht“ geschrieben: „Wir wollen Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, ihre Herkunftssprache zu vertiefen. Dazu werden wir an Schwerpunktschulen entsprechende staatliche Angebote – auch als Alternative zum Konsulatsunterricht, auf dessen Inhalte das Land keinen Einfluss hat – schaffen.“
Und noch grundsätzlich: Jetzt rächt sich, dass CDU-Parteitage zwar wiederholt, aber erfolglos mit satten Mehrheiten gefordert hatten, ins Grundgesetz als neuen Absatz (3) in Artikel 22 zu schreiben: „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch.“ Vor allem rächt sich, dass die Umsetzung dieses Vorschlages noch jedesmal am entschiedenen Widerstand einer Kanzlerin Merkel gescheitert ist. Eine solche Ergänzung des Grundgesetzes hätte wenigstens symbolisch und ggf. auch rechtlich deutlich gemacht, dass sich die Bereitschaft und die Befähigung zur Integration in erster Linie an einem Punkt entscheiden: dem Beherrschen der deutschen Sprache.