Tichys Einblick
Nach der Landtagswahl

Sachsen: Gymnasium in Sebnitz macht auf Antifa

Schüler an einem Gymnasiums in Sachsen sollen im Unterricht Konzepte gegen den „Rechtsruck“ entwickeln. Der Anlass: die hohen AfD-Anteile unter Jungwählern bei der letzten Landtagswahl. Sachsens Kulturminister Piwarz (CDU) rechtfertigte das Unterrichtsprojekt. Vergessen scheint: Linke Schule produziert rechte Schüler.

Christian Piwarz (CDU), Kultusminister von Sachsen

picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert

Am Goethe-Gymnasium in der sächsischen Kleinstadt Sebnitz sollten Zehntklässler im Fach Gemeinschaftskunde/Recht Konzepte gegen den „Rechtsruck“ entwickeln. Die Lehrerin ließ ihre Schüler anhand einer Grafik, die die hohen AfD-Anteile unter Jungwählern bei der Landtagswahl in Sachsen zeigte, ein „Konzept“ entwerfen, „um diesem Trend entgegenzuwirken“. Darunter stand die Aussage der Bundeskoordinatorin von „Schule mit Courage – Schule ohne Rassismus“, die das Wahlergebnis als den „dramatischsten Rechtsruck unter jungen Menschen, den die Bundesrepublik seit 1949 innerhalb einer Wahlperiode jemals erlebt hat“, kommentierte. Der Arbeitsauftrag war: Die Jugendlichen sollten mögliche Ursachen für das Wahlverhalten erläutern und dann entsprechende Gegenmaßnahmen entwickeln.

Klar: Das Ergebnis der sächsischen Landtagswahl vom 1. September 2024 war für viele schmerzlich. Die CDU fuhr 31,9 Prozent, die AfD 30,6 Prozent ein. Die SPD mit 7,3 und die „Grünen“ mit 5,1 Prozent rangierten unter „ferner liefen“. Nicht viel anders war das Wahlverhalten der Jung- und Erstwähler von 18 bis 24 Jahren: 31 Prozent wählten die AfD, 18 Prozent die CDU, 5 Prozent die SPD, 8 Prozent die „Grünen“.

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Weil nicht sein kann, was nicht sein darf, fühlte sich also nun eine Lehrerin am Goethe-Gymnasium Sebnitz bemüßigt, daran für die Zukunft etwas zu ändern. Zumal in Sebnitz am 1. September 44,4 Prozent AfD gewählt hatten; 28,6 Prozent die CDU, gerade einmal 2,0 Prozent die „Grünen“. Die allseits wache „Frankfurter Rundschau“ hatte das bereits am 15. August, also exakt zwei Wochen vor der Landtagswahl, erahnt und mit Fokus auf Sebnitz geschrieben: „Dröhnend gleichgültig: Rechtsextreme in Sachsen werden immer stärker.“ Die FR ließ dabei vor allem den Lehramtsstudenten Paul Löser (24) zu Wort kommen. Der junge Mann ist seit 2019 „grüner“ und damit einziger Stadtrat in Sebnitz. Mit der Landtagswahl vom 1. September wollte Löser in den Landtag einziehen. Daraus wurde nichts.
Schulminister rechtfertigt das Unterrichtsprojekt

Sachsens Kulturminister Piwarz (CDU) rechtfertigte das Unterrichtsprojekt. Am 1. November 2024 antwortete er auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Romy Penz (AfD), der insgesamt fünf Fragen gestellt hatte: „Ziel war es, dass die Schülerinnen und Schüler Argumentations- und Diskursfähigkeit nachweisen und zur Reflexion angeregt werden. Diese Zielrichtung war für alle Schülerinnen und Schüler offensichtlich, die an den Unterrichtseinheiten zum Thema teilgenommen haben.“ So der Minister. Die Fragen 2 bis inkl. 5 des AfD-MdL beantwortete der Kulturminister wie folgt – beziehungsweise gar nicht: „Zusammenfassende Antwort auf die Fragen 2 bis 5: Von einer Beantwortung wird abgesehen. Die Fragen zielen alle auf eine Bewertung von Sachverhalten oder von Hypothesen, die die Fragestellerin aufgestellt hat, durch die Staatsregierung. Das Fragerecht dient nach Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht dazu, die Staatsregierung zu einer Bewertung anzuhalten, die der Abgeordnete für geboten hält, sondern nur dazu, den Abgeordneten Informationen zu verschaffen (SächsVerfGH, Urteil vom 22. April 2004, Vf. 44-1-03).

Nun ja, vom „Beutelsbacher Konsens“ scheint der Herr Minister noch nicht gehört bzw. gelesen zu haben. Dieser Konsens aus dem Jahr 1976 verlangt von den Bildungseinrichtungen, dass sie auf Indoktrination verzichten und auf politische Ausgewogenheit achten.

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Würde sich Schule an diesen Konsens halten, wäre es nie zu der Erfahrung gekommen: Linke Schule produziert rechte Schüler. Oder umgekehrt: Rechte Schule produziert linke Schüler. Es liegt in der Natur der Jugend, gerade in solchen Dingen gegen das zu sein, was Lehrer (und teilweise auch Eltern) „predigen“. Hinzu kommt, dass den Bürgern der Stadt die hier versuchte politische Einflussnahme auf die Schüler besonders unangenehm aufstoßen dürfte. Denn in das Gedächtnis der Sebnitzer ist die Erinnerung an eine folgenschwere Fake-News-Kampagne eingebrannt:
Sebnitz? Da war doch etwas – 1997 und 2000

Auch zwanzig Jahre später wirkt die üble polit-mediale Fehlberichterstattung nach: Im Jahr 2000 war die Stadt von nahezu allen Medien zur Stadt erklärt worden, in der Nazis den fünfjährigen Joseph im Schwimmbad gefoltert und ertränkt hätten. Die Presse überschlug sich, allen voran die „Bild“ – die sich später dafür entschuldigte. „Rechtsradikale ermorden sechsjährigen Joseph“ (Bild) – „Neonazis ertränken Kind – Keiner half, und eine ganze Stadt schweigt tot“ (Bild) – „Jetzt bringen wir Dich um, Du scheiß Ausländer“ (Bild) – „Kleiner Joseph – gegen 50 Neonazis hatte er keine Chance“ (Bild) – „Das war glatter Mord“ (Bild) – „Du scheiß Abdulla, wenn Du nicht mitkommst, machen wir Dich kalt“ (Bild) – „Badeunfall erweist sich als rassistischer Mord“ (TAZ).

Was war geschehen? Der kleine Joseph war am 13. Juni 1997 im Dr.-Petzold-Bad in Sebnitz ertrunken. Die Mutter ist Deutsche, der Vater Iraker. Anfang 2000 erhält Josephs Mutter 15 eidesstattlichen Versicherungen von Schwimmbad-Gästen, die erklären: „Wir sahen, wie Neonazis den kleinen Joseph quälten und ertränkten.“ Am 23. November 2000 empfängt Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Mutter. Und so weiter und so fort. Am Ende stellte sich heraus: Der Junge war eines natürlichen Todes gestorben. Aber die „Story“ hätte so gut in den von Schröder am 4. Oktober 2000, zwei Tage nach einem Brandanschlag auf eine Synagoge in Düsseldorf, ausgerufenen „Aufstand der Anständigen“ gepasst. Man meinte zu wissen, dass dieser Anschlag „Rechtsradikalen“ zuzuschreiben war. Bis sich im Dezember 2000 herausstellte, dass die Täter ein 19-jähriger Palästinenser und ein 20-jähriger Marokkaner waren.

Folge und Folgerung: Sebnitz vergisst nicht. Sebnitz braucht aber auch keine Indoktrination seiner Zehntklässer.


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