Rat für deutsche Rechtschreibung: Genderstern wird nicht ins amtliche Regelwerk übernommen
Josef Kraus
Städte wie Hannover und Köln, Firmen wie Audi oder Boehinger und Co., die Claus Klebers, Petra Gersters und Anne Wills aus ZDF und ARD wird der „Rat“ vermutlich nicht beeindrucken. Denn was ein politisch korrektes, gegendertes Herz nicht will, lässt der Kopf nicht rein.
Viele Parteien, Ministerien, Kommunen, Behörden, Medien, Hochschulen, leider auch Schulen sowie Unternehmen inszenieren sich als Sprach-Avantgarde. Einig ist sich diese Avantgarde allerdings nicht. Die einen machen’s so, die anderen anders. Zum Beispiel so: Bürger*innen („Gender-Star“, „Gender-Asterisk“) Bürger_innen („Gender-Gap“), Bürger:innen („Gender-Doppelpunkt“), BürgerInnen („Gender-Binnenmajuskel“), Bürger/innen („Gender-Slash“). Angeblich sei eine solche Sprache “inklusiver“, „geschlechterübergreifend“ und „wertschätzender“.
Nun hat der Rat für deutsche Rechtschreibung in einem Zwischenbericht vom 26. März 2021 (etwas mehr) Klarheit geschaffen und gesagt: Bis auf Weiteres wird der Genderstern nicht in das amtliche Regelwerk der deutschen Sprache aufgenommen. Der „Rat“ orientiert sich an der Lesbarkeit und Verständlichkeit von Texten und denkt dabei auch an die rund 6 Millionen Erwachsenen mit Schwierigkeiten, Wörter, Sätze oder einfache zusammenhängende Texte zu lesen oder zu schreiben.
Vor allem will der „Rat“ einem unkontrollierten Nebeneinander unterschiedlichster Variantenschreibungen entgegenwirken und die Einheitlichkeit der Rechtschreibung in allen deutschsprachigen Ländern erhalten. Denn die Verwendung von „Gender“- Sonderzeichen führe zu Folgeproblemen und grammatisch nicht korrekten Lösungen. Der „Rat“ listet dabei in einem eigenen Papier zahlreiche Verirrungen auf.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung ist nicht irgendwer. Seit 2004 ist er die maßgebliche Instanz in Fragen der Orthografie. Er besteht aus etwa 40 Mitgliedern aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, dem Fürstentum Liechtenstein, der Autonomen Provinz Bozen/Südtirol und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Von 2004 bis 2016 wurde er vom vormaligen bayerischen Kulturminister Hans Zehetmair geleitet, seit 2017 ist der niedersächsische Ex-Staatssekretär Josef Lange Vorsitzender.
Aktuell nun betont der „Rat“: Das Amtliche Regelwerk für die deutsche Rechtschreibung ist für Schulen und öffentliche Verwaltungen verbindlich, wenn es von den staatlichen Stellen aufgrund von Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung beschlossen worden ist. Was der Fall ist!
Wichtig ist auch, welche allgemeinen Kriterien der „Rat“ für geschlechtergerechte Schreibung definiert: Texte sollen
sachlich korrekt sein,
verständlich und lesbar sein,
vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten,
übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen,
für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.
Der „Rat“ merkt kritisch an, dass es eine Reihe von „Alleingängen“ verschiedener Kommunalverwaltungen und Institutionen (siehe etwa die Kommunen Hannover, Lübeck, Stuttgart, siehe auch zahlreiche Hochschulen) gibt und dass diese Institutionen Schreibvarianten verwenden, die nicht vom Amtlichen Regelwerk gedeckt sind.
Ob und inwieweit in Hochschulen in Deutschland die verbindliche Vorgabe solcher Richtlinien z. B. für die Abfassung von Seminar- oder Abschlussarbeiten die Freiheit von Wissenschaft und Forschung nach Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz beeinträchtigt, wird vom „Rat“ immerhin als Frage aufgeworfen.
Interessant auch: Aus einer empirischen Erhebung des „Rates“ geht hervor, dass die „Gender“-Schreibvarianten weniger als 0,01 Prozent (entsprechend 15.000 Treffern) ausmachen und nach wie vor das „generische Maskulinum“ mit mehr als 2 Mio. Treffern dominiert. Dieser Befund stützt die Beobachtung, dass in Zeitungstexten professioneller Schreiber die neuen Ansätze zu geschlechtergerechter Schreibung weniger präsent sind, v. a. deshalb, weil der Fokus in diesen Texten zu großen Teilen auf der Wiedergabe von sach- und fachspezifischen Kerninformationen liegt.
Städte wie Hannover und Köln, Firmen wie Audi oder Boehinger und Co., die Claus Klebers, Petra Gersters und Anne Wills aus ZDF und ARD wird der „Rat“ vermutlich nicht beeindrucken. Denn was ein politisch korrektes, gegendertes Herz nicht will, lässt der Kopf nicht rein.
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