In diesem Jahr beginnt der Ramadan am 27. Mai; er dauert bis zum 24. Juni. Von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang sollen Muslime in dieser Zeit unter anderem auf Essen und Trinken verzichten. Maßgeblich hierfür sind die Verse 183 bis 185 von Sure 2: „Ihr Gläubigen! Euch ist vorgeschrieben zu fasten, so wie es auch denjenigen, die vor euch lebten, vorgeschrieben worden ist.“ Ausnahmen sind laut Sure 2 zulässig, „wenn einer krank ist oder sich auf einer Reise befindet“. Und wenn es um Heranwachsende unter 14, Schwangere und alte Menschen geht.
An das Fastengebot sollen sich nach allgemeiner Interpretation alle Muslime ab ihrer Religionsmündigkeit halten, das heißt Heranwachsende ab 14 Jahren, somit auch muslimische Schüler in etwa ab der Klassenstufe 8 aufwärts. Das wirft Fragen auf. Denn der Ramadan 2017 reicht diesmal komplett ins Schuljahr 2016/2017 hinein. Je nach Ferienordnung umfasst er in manchen deutschen Ländern exakt die letzten vier Wochen des Schuljahres und damit so manch abschließenden Prüfungstermin, ferner Schulfeste und Sportfeste. Die bevorzugt am Ende eines Schuljahres anstehenden Ausflüge und Fahrtenwochen sind laut Sure 2 indes nicht betroffen, denn bei solchen Gelegenheiten sind die Gläubigen („auf Reisen“) vom Fasten befreit.
Die Befreiung vom Fastengebot …
Aber auch sonst sprechen medizinische, pädagogische und schulpraktische Gründe gegen ein Ramadanfasten von Schülern. Heranwachsende befinden sich ab 14 Jahren noch in manchem Wachstumsschub. Da sind Kollapse oder zumindest Absencen zumal bei einer Dehydrierung des Organismus an heißen Tagen oder gar im Sportunterricht nicht ausgeschlossen. Selbst wenn es nicht zu diesen krassen Symptomen kommt, bleibt festzuhalten: Zumal dem Zentralnervensystem, das ja nun einmal für Lernprozesse verantwortlich ist, fehlt es dann an Energie und Flüssigkeit. Die Lern- oder gar Prüfungsleistung leidet. Dass ein Verzicht auf Trinken und Essen selbst Erwachsenen nicht immer guttut, belegen Medienberichte während des Ramadanmonats aus Saudi-Arabien: Dort häufen sich in dieser Zeit Unfälle im Haushalt und auf der Straße, weil die Menschen müde und unkonzentriert sind.
In der Schule ist es nicht anders. In Netzforen äußern sich besorgte Lehrer und berichten bereits von blassen Zwölfjährigen, die sich vor Bauchschmerzen krümmen, ferner vom Schlangestehen vor der Sanitätsliege, weil islamische Schüler schier im Wettbewerb miteinander fasten und in schöner Regelmäßigkeit zusammenklappen. Hinzu komme, so ein anderer Eintrag, dass nach Sonnenuntergang ausgiebig gespeist werde, mit all dem damit verbundenen Besuch und Trubel im Haus, und die Schüler am nächsten Tag nicht ausgeschlafen hätten.
Organisationen von Muslimen, mögen sie nun repräsentativ sein oder nicht, sehen das anders. Ditib-Generalsekretär Bekir Alboga nennt die Teilnahme Jugendlicher am Fasten einen „Ausdruck gelebter Religiosität“. Und: Selbstbewusste, gläubige Jugendliche seien „besser gegen Extremismen und Radikalismus jeglicher Couleur gewappnet“. Der Islamrat schließt in seiner Broschüre „Fasten in der Schule“ eine allgemeine Befreiung vom Fasten für muslimische Schüler über das Alter von 14 Jahren aus. Schlussfolgerung: Die Schule müsse in puncto Planung von Prüfungen, Schulfesten und Sportfesten auf den Ramadan Rücksicht nehmen und Schulfeste etwa außerhalb des Ramadans legen.
… wäre theologisch durchaus möglich
Der islamische Theologe Mouhanad Khorchide, Leiter des Zentrums für Islamische Theologie und Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster, zieht sich gelenkig aus der Affäre. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur sagt er: Es gebe keine allgemeine Festlegung, ob das Fasten zum Beispiel in einer schulischen Prüfungsphase zumutbar sei oder nicht. Es gebe Menschen, die konzentrierter denken und arbeiten könnten, wenn sie fasten. Und er fügt an: „Und bei anderen ist es umgekehrt.“ Nun ja! Immerhin, so Khorchide, sollten Schülerinnen und Schüler darüber aufgeklärt werden, dass es nicht Sinn des Fastens ist, dass sie in der Schule nicht mehr konzentriert lernen können.
Die Schüler aufklären? Das reicht nicht. Die muslimischen Eltern müssen aufgeklärt werden. Es muss ihnen deutlich gemacht werden, was Schulpflicht in Deutschland bedeutet und dass sie kein Zwang, sondern eine große soziale Errungenschaft und damit eine Chance ist. Es kann auch nicht sein, dass strenggläubig erzogene muslimische Kinder andere muslimische Kinder in der Schule bespitzeln, ob diese denn das Fastengebot einhalten.
Nein, hier werden Grenzen überschritten, denn hier werden das Kindeswohl und der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule beeinträchtigt. Kurz: Die komplette Schulpflicht muss mit allem Drum und Dran auch während des Ramadanmonats gelten. Allein schon aus praktischen Gründen kann Schule wegen der Dichte des Schuljahres weder bei Prüfungsterminen noch im Sportunterricht auf den Ramadan Rücksicht nehmen. Die Schulminister sollten ihren Schulen hier den Rücken stärken, anstatt ihnen „kultursensible“ Ratschläge zu erteilen.