Tichys Einblick
Bildungslücke

Qualifikation von Immigranten: Märchen und Realität

Spezialisten für berufliche Bildung halten für jugendliche Immigranten für notwendig: zwei Jahre Deutschlernen, ein Jahr Hauptschulklasse zum Hauptschulabschluss, zwei Jahre Berufsfachschule zur Fachschulreife, drei Jahre duale Ausbildung.

„Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern!“ An diesen, Konrad Adenauer zugeschriebenen Kalauer fühlt man sich erinnert, wenn man die schönen Sprüche rekapituliert, die Politiker und Wirtschaftsbosse über die „Bereicherung“ Deutschlands und des deutschen Arbeitsmarktes durch „Flüchtlinge“, Asylbewerber und Immigranten losgelassen haben.

Beispiele gefällig? Daimlerchef Dietmar Zetsche meinte im September 2015, „Flüchtlinge“ könnten ein „Wirtschaftswunder“ bringen. Wörtlich: „Die meisten Flüchtlinge sind jung, gut ausgebildet und hoch motiviert. Genau solche Leute suchen wir doch.“ Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZdH), meinte im November 2016: Er verstehe, wenn Menschen angesichts der hohen Zahl an „Flüchtlingen“ Angst um ihren Arbeitsplatz hätten. Aber diese Angst sei unbegründet. Denn: „Wir brauchen wirklich alle.“ Martin Schulz (SPD), damals noch Präsident des EU-Parlaments, sagte bei seiner Heidelberger Hochschulrede im Juni 2016: „Was die Flüchtlinge zu uns bringen, ist wertvoller als Gold.“ Und die Fraktionsvorsitzende der „Grünen“ im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, jubelte bei einer Synode der EKD im November 2015: „Wir kriegen jetzt plötzlich Menschen geschenkt.“ Und sie fügte hinzu: „Flüchtlinge machen Deutschland religiöser, vielfältiger und jünger.“

Gastbeitrag von Thorsten Meyer
Die Mär der Bosse vom Wirtschaftswunder durch Asylbewerber
Märchen, Legenden, Utopien! Schauen wir uns die jungen Immigranten an, von denen der deutsche Arbeitsmarkt langfristig noch am ehesten etwas haben könnte! Hier gilt: Zumal unbegleitete minderjährige „Flüchtlinge“ („umF“) sind in Sachen Bildung Risikogruppen. Pisa gibt dazu schon 2003 Auskunft. Im getesteten Bereich Mathematik erreichte Deutschland mit 503 Punkten einen international mittleren Wert. Deutsche Schüler ohne Migrationshintergrund erzielten hier 527 Punkte, deutsche Schüler mit nur einem im Ausland geborenen Elternteil 508, Kinder zugewanderter Familien 454 und Kinder der ersten Migrantengeneration 432. Das bedeutet: Zwischen diesen vier Gruppen liegt eine Lern- und Leistungsdifferenz von drei Schuljahren. Ansonsten erreichen Immigrantenkinder in Deutschland in etwa ein Pisa-Ergebnis, wie es eines der bislang größten Herkunftsländer deutscher Immigranten ausweist, nämlich die Türkei: Diese kamen bei Pisa 2003 in Mathematik auf 423 Pisa-Punkte. Es ist eindeutig, dass Flüchtlinge der Jahre 2015ff. en gros nicht einmal dieses Niveau erreichen.

Ein paar weitere Illusionen und deren Desillusionierung:

  1. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist das wissenschaftliche Institut der Bundesagentur für Arbeit. Es wird nicht müde, auf das angeblich hohe Bildungsniveau von „Flüchtlingen“ und Asylbewerbern hinzuweisen. Ein Professor Herbert Brückner, tätig am IAB und zugleich an der Universität Bamberg, meinte noch im August 2016 in der Tagesschau24, fast die Hälfte der 123 von ihm befragten jungen Flüchtlinge habe ein „Gymnasium“ besucht. Das ist alles andere als repräsentativ. Ganz zu schweigen davon, dass der Herr Professor und die von ihm Befragten nicht offenlegten, was sie mit „Gymnasium“ etwa in Afghanistan, in Eritrea oder im Irak meinten.
  2. Kaum realistischer meinte der damalige Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) und später zugleich Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Frank Weise, in einem Interview mit der WELT im August 2016, rund 40 Prozent der Flüchtlinge hätten Arbeitserfahrung. Was er nicht sagte: 60 Prozent haben keine Erfahrung. Und er sagte auch nicht, auf welchem Niveau sich diese Arbeitserfahrung bewegte.
  3. Das ifo-Institut der Uni München war von Anfang an ehrlicher: „Zwei Drittel der Achtklässler in Syrien haben 2011, noch vor Ausbruch des Bürgerkrieges, nicht einmal ein Kompetenzniveau erreicht, das der untersten Stufe des Pisa-Tests entspricht. … Der Rückstand der jungen Syrer entspricht vier bis fünf Jahren Schulbildung.“ Das heißt: Grundschulniveau. Hans Werner Sinn, ifo-Chef bis Dezember 2015, konkretisierte dies: Bei seiner Abschiedsvorlesung sagte er: „65 Prozent der Bevölkerung in Syrien können die Grundrechenarten nicht.“
  4. Sehr wenig Aussagekraft haben auch so manche Diplome, die Zuwanderer mitbringen. Der Entwicklungspsychologe Heiner Rindermann von der Universität Chemnitz sprach Anfang 2016 davon, dass Flüchtlinge, die mit einem Ingenieursdiplom aus dem Nahen Osten kommen, eher auf dem Realschulniveau einzustufen sind. Rindermann warnt sogar davor, dass die Gesellschaft die Kosten der Integration von Hunderttausenden von Flüchtlingen über Jahrzehnte zu tragen habe, und dass diese Kosten insbesondere zulasten der ärmeren Schichten gehen.
  5. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) hat soeben, im August 2017, wohlgemerkt auf der Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA), errechnet: 59 Prozent der arbeitssuchenden Flüchtlinge und Migranten haben keinen Schulabschluss. Bei Flüchtlingen aus Somalia, Eritrea und dem Irak sind es mehr als 70 Prozent, bei Afghanen 69 Prozent, bei Syrern 56 Prozent. Günstiger schaut es bei Iranern aus; hier beträgt der Anteil der Leute ohne Schulabschluss 37 Prozent. Die BA war von einem Anteil von knapp 30 Prozent ohne Schulabschluss ausgegangen, hatte aber nicht mitgerechnet, dass rund 25 Prozent der Befragten – aus welchen Gründen wohl? – keine Angaben zu ihrer Schulbildung machen mochten. Bei den statistisch 41 Prozent, die einen Schulabschluss haben, sei ansonsten dahingestellt, mit welchem deutschen Schulabschluss er vergleichbar ist. Das BIBB geht übrigens von 13 Prozent mit höherer Bildung aus, die hochmotiviert seien. Selbst Arbeitsministerin Andrea Nahles hatte sich am 10. September 2015 im Bundestag in einem Anflug von Realismus wie folgt geäußert: „Weniger als zehn Prozent sind sofort arbeits- oder ausbildungsfähig.“

Und wie schaut es mit der Bereitschaft der deutschen Wirtschaft aus, junge Immigranten aufzunehmen; wie schaut es mit der Bereitschaft der jungen Immigranten aus, entsprechende Angebote anzunehmen? Es schaut nicht gut aus. Beispiele – durchaus repräsentativ:

  1. Daimler: Entgegen den flotten Sprüchen Zetsches (siehe oben) hatte Daimler im Herbst 2016 noch keinen einzigen „Flüchtling“ unter Vertrag genommen. Nur ein paar Praktika gab es – sonst nichts.
  2. Im September 2016, also immerhin ein ganzes Jahr nach der Zuspitzung der Immigrationsströme, hatten die DAX-Unternehmen ganze 125 „Flüchtlinge“ fest angestellt und 300 Ausbildungsplätze angeboten.
  3. Erfahrungen von Rudolf Waxenberger, Bauunternehmer aus Erding bei München und Kreishandwerkmeister, der zusammenfasst: „90 Prozent der Flüchtlinge brechen ihre Ausbildung im ersten Halbjahr ab. Davon wiederum sind 90 Prozent schon im ersten Monat wieder weg.“
  4. BMW-Werk Dingolfing: Der Landrat des bayerischen Landkreises Dingolfing-Landau, Heinrich Trapp (SPD), hatte dem dortigen BMW-Werk, dem überhaupt größten BMW-Werk, im Herbst 2015 die Zusage abgerungen, 20 Stellen für Asylbewerber zu reservieren. Die enttäuschte und enttäuschende Bilanz des Landrats: „Die Bereitschaft zur Anstrengung ist nach unserer Erfahrung vor allem bei Flüchtlingen im Erwachsenenalter sehr gering. Etwa die Teilnahme an Deutschkursen ist eine frustrierende Erfahrung“, sagte Trapp im Gespräch mit dem Bayerischen Rundfunk. Denn keines der 20 Angebote wurde angenommen.
  5. Beispiel Leipzig: Dort läuft Ende 2017 ein 2,7 Millionen Euro teures Projekt mangels Engagements der Adressaten aus. Die Stadt Leipzig hatte eine „Flüchtlingsintegrationsmaßnahme“ (FIM) gestartet und 395 „Schutzsuchende“ verpflichtend dazu eingeladen, zwischen dem 1. Dezember 2016 und dem 1. Juni 2017 an dieser Maßnahme teilzunehmen. Nur 112 der Angesprochenen unterzeichneten einen Teilnahmevertrag, der unter anderem gegen Aufstockung der monatlich regulären 332 Euro Geldzuwendung auch Arbeiten auf Straßen und auf öffentlichen Flächen enthielt. Nun hat die Stadt die Reißleine gezogen, auch wenn sie auf einem Teil der Kosten sitzenbleibt.

So schaffen wir es nicht!
Lehrerbildung „light“ für geflüchtete Lehrer
So viel zur Mär von der Willkommenskultur und der Integrationsbereitschaft der „Zuwanderer mit Fluchterfahrung“! Somit stehen der Arbeitsmarkt und das Bildungssystem in Deutschland wohl noch auf lange Zeit vor gigantischen Problemen. Spezialisten für berufliche Bildung halten sehr zeitaufwendige Integrationsmaßnahmen für jugendliche Flüchtlinge für notwendig: nacheinander zwei Jahre Deutschlernen, ein Jahr Hauptschulklasse zum Erwerb des Hauptschulabschlusses, zwei Jahre Berufsfachschule zum Erwerb der Fachschulreife, drei Jahre duale Ausbildung. Das sind acht Jahre, die sich allenfalls um ein Jahr verkürzen lassen, wenn bereits eine gewisse schulische Vorbildung vorliegt.

Um den Bedürfnissen der geflüchteten Kinder und Jugendlichen sowie deren Erwartungen an das deutsche Schul- und (Aus-)Bildungswesen gerecht zu werden, hätten Bund, Länder und Kommunen längst einen Masterplan auflegen müssen. Ein „Wir-schaffen-das“-Mantra reichte eben nicht. Die von der Kultusministerkonferenz (KMK) etwa für 2015 mit 2,3 Milliarden Euro errechneten Gesamtkosten für die Schulbildung von Immigrantenkindern sind längst Schall und Rauch. Nicht eingerechnet waren hier noch nicht einmal die Kosten für „umF“ (unbegleitete minderjährige Flüchtlinge), die pro Monat und Person im Schnitt 5.000 Euro ausmachen.

Übrigens soll Adenauer dem oben zitierten Spruch angefügt haben: „Nichts hindert mich, weiser zu werden.“ Das wäre es, meine Damen und Herren Politiker und Wirtschaftsbosse! ————– Und Journalisten … und …

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